Rubel im Sinkflug

Erinnert sich noch jemand an die Worte Wladimir Putins? Bei seiner Jahresansprache versicherte der russische Präsident seinem Volk, dass die Wirtschaftskrise praktisch überstanden sei. Da hat sich der Kremlherrscher wohl geirrt: die russische Währung ist auf ihren niedrigsten Wert gegenüber dem Dollar seit rund zwölf Monaten gesunken.

Die beiden Charts zeigen den Verlauf des Rubel-Kurses im Vergleich zum Dollar (links) und zum Euro (rechts) Quelle: onvista.de

40 Prozent Minus in einem Jahr

Der Rubel ging am Mittwoch im frühmorgendlichen Handel um 1,3 Prozent zurück. Für einen Dollar gab es demnach 73,2 Rubel. Für einen Euro wurden 79,55 Rubel fällig. Das war der höchste Stand seit  August. Die russische Währung verlor im vergangenen Jahr 40 Prozent an Wert. Derzeit liegt sie im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent niedriger.

Die Gründe liegen auf der Hand: die russische Wirtschaft leidet unter dem niedrigen Ölpreis. In London hatte dieser kurz vor Weihnachten den niedrigsten Stand seit 2004 erreicht. Für den russischen Staat ist der Verkauf von Öl und Gas die wichtigste Einnahmequelle. Auch die westlichen Sanktionen haben sicher einen wichtigen Einfluss auf die russische Wirtschaft. Hauptgrund aber ist, dass Russland seit Jahren verpasst hat, die eigenen Wirtschaft auf zu reformieren und auf gesunde Beine zu stellen. Die Probleme sind also hausgemacht und keineswegs Schuld des Westens.

Einstimmen auf ein schwieriges Jahr

Die russische Zentralbank geht inzwischen von einem Schrumpfen des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um mehr als zwei Prozent im nächsten Jahr aus, falls der Ölpreis auf dem derzeitigen niedrigen Niveau verharrt. Für 2015 rechnet die Zentralbank mit einem Schrumpfen der Wirtschaftsleistung um 3,7 Prozent.

Inzwischen hat der russische Finanzminister Anton Siluanow seine Landsleute auch auf ein schwieriges Jahr 2016 eingeschworen: „Das kommende Jahr wird nicht einfach“, sagte er am Mittwoch im Staatsfernsehen. „Die Preise für unsere wichtigsten Exporte könnten niedriger ausfallen als erwartet.“ Weitere Haushaltskürzungen und Privatisierungen seien vorbereitet und könnten umgesetzt werden, sollte der Ölpreis wie inzwischen befürchtet nicht steigen.

Kürzen an allen Ecken und Enden

Um die staatliche Unterstützung für die betroffenen Branchen – vor allem Banken, das Baugewerbe und die Automobilindustrie – finanzieren zu können, hat der Staat schon erheblich Stellen in der Verwaltung abgebaut und im Gesundheitssektor gekürzt. Weitere Einschnitte könnten folgen, um das Haushaltsdefizit nicht explodieren zu lassen: Bei ihrer Prognose für 2016 war die russische Regierung von einem Ölpreis von 50 Dollar pro Barrel ausgegangen, am Mittwoch lag der Preis bei 37 Dollar. Schon die russische Zentralbank hatte gewarnt, sollte das Öl so billig bleiben, werde Russlands Wirtschaft statt der vom Kreml prognostizierten 0,7 Prozent Wachstum im kommenden Jahr ein Minus von zwei Prozent aufweisen.

Polen bangt um EU-Milliarden

Die polnische Regierung lässt kein gute Haar an der EU – aber das Geld aus Brüssel ist in Warschau herzlich willkommen. Kurz vor dem Jahresende versucht die polnische Regierung, sich noch neun Milliarden EU-Mittel zu sichern, doch die Zeit läuft ab.

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Eine Grafik der Zeitung Gazeta Wyborcza zeigt, dass nicht nur in Polen die Gelder der Europäischen Union nicht abgerufen werden.

Alles Schuld der Vorgänger

Die Gelder stammen noch aus dem Budget 2007-2013 und drohen zu verfallen. Ausnahmsweise ist nicht die EU der Buhmann. Ein Schuldiger war aber schnell gefunden: die Vorgängerregierung habe die Gelder nicht richtig zugeteilt und deshalb die fälligen Fristen versäumt, sagte  Entwicklungsminister Mateusz Morawiecki in Warschau. Das dürfte in diesem Fall tatsächlich stimmen, denn die rechtskonservative polnische Regierung war erst im November ins Amt gekommen. Sie gilt als EU-kritisch. Hier ein Link zur Berichterstattung über die EU-Gelder 

Damit die Polen auch wirklich verstehen, um wie viel Geld es sich handelt, wagt der Minister einen Vergleich: die Summe sei größer als der Verteidigungshaushalt des Landes. „Wir können es uns nicht leisten, dieses Geld zu verlieren“, sagte Morawiecki. Es gehe in dieser wichtigen  Sache um sehr viele Arbeitsplätze. Die Finanzmittel sind auch schon fest verplant. Für einige der infrage stehenden Summen soll die in vielen Bereichen überaus marode Staatsbahn neue, in Polen gebaute Züge kaufen. Mit weiteren Beträgen soll ein neues Computersystem für das Gesundheitswesen finanziert werden.

 „Nie możemy sobie pozwolić na stratę tych pieniędzy, ponieważ one pracują dla polskiej gospodarki. To są też konkretne miejsca pracy, które w ten sposób ratujemy“

Milliarden für die Mitglieder

Die EU stellt einigen Mitgliedsländern Milliardensummen zur Verfügung, um deren Wirtschaft zu fördern. Der Haken an der Sache: das Geld muss bis zu einem festgesetzten Zeitpunkt verbraucht sein, sonst wird es zurückgezogen. Weil manche EU-Regierungen also nicht in der Lage sind, funktionierende Haushaltspläne aufzustellen, fließen jedes Jahr Unsummen zurück in den Haushalt der Europäischen Union.

Die neue national-konservative Regierung arbeitet nun fieberhaft daran, genau das zu verhindern. Warschau hat nun offensichtlich mit der EU vereinbart, einige der Fördermittel für Polen umzubuchen. Bei anderen soll das Verfallsdatum verschoben werden.  Hier noch ein Link zum Nachrichtenportal onet.pl

Wladimir Putin als Coverboy

Knackige Bauern und fesche Bäuerinnen tun es, Feuerwehrfrauen ebenfalls und natürlich auch die Damen des örtlichen Volleyballvereins. Kalender haben Konjunktur.  Sie posieren für einen guten Zweck oder zur Aufbesserung der Mannschaftskasse – mal mehr, meist aber weniger bekleidet.

Jeden Monat eine neue Pose

Auch Wladimir Putin hat es nun getan. In einem Kalender präsentiert sich der russische Präsident seinem Volk. Monat für Monat in einer neuen Pose und mit einem eigenen Sinnspruch – mal mit, mal ohne Hemd. Hier ein Link zu CNN, wo der ganze Kalender bestaunt werden kann.

Für nur 78 Rubel (umgerechnet knapp ein Euro) lässt sich der Kalender im russischen Buchhandel erstehen. Wer eines der Werke möchte, muss sich allerdings beeilen, denn die Auflage ist auf 200.000 Stück limitiert – angesichts  Putins gewohnt hohen Popularitätswerten ist das aber keine Überraschung. Herausgegeben wird der Kalender einer russischen Zeitschrift „Zvezdi I Soveti“. Hier der Link zu der Zeitschrift

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Natürlich wird Putin nur in bester Pose dargestellt. Zu sehen sind natürlich die üblichen testosteronschwangeren Selbstinszenierungen mit nacktem Oberkörper, als Angler oder beim Training im Fitness Studio. Eine Uniform darf nicht fehlen, das den Oktober ziert. Das Zitat dabei: „Niemand wird Russland militärisch überlegen sein. Unsere Armee ist auf zeitgemäßem Stand, fähig und wie sie sagen höflich, aber eindrucksvoll.“

Gezeigt werden aber auch die sanften Seiten des Präsidenten. Versonnen an einer Blume riechend – daneben das Zitat: „Mir gefallen alle Frauen. Ich denke, dass russische Frauen die weltweit begabtesten und schönsten Frauen sind.“ Zu sehen ist Putin auch innig kuschelnd mit einem Welpen.

Hier ein kurzer Bericht der BBC über den Kalender, der die Bilder mit dem nötigen britischen Humor beschreibt.

 

Spott aus dem Internet

Auch im Internet macht der Kalender natürlich Furore. Neben beißendem Spott über die Inszenierung, wird immer wieder der Wunsch geäußert, auch in den Besitz eines solchen Teils zu kommen.

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Anklage im Mordfall Nemzow

In Russland hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen die Verdächtigen im Mordfall des bekannten russischen Oppositionspolitikers Boris Nemzow erhoben. Die fünf Tschetschenen sollen in das Verbrechen verwickelt sein, doch ist der Auftraggeber nach wie vor unbekannt.

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In der Nähe des Kremls erschossen

Der 55-jährige Nemzow war am 27. Februar auf einer Brücke im Zentrum von Moskau, unweit des Kremls, erschossen worden. Der ehemalige Vize-Ministerpräsident unter Präsident Boris Jelzin war einer der prominentesten Widersacher von Staatschef Wladimir Putin. Vor seinem Tod arbeitete Nemzow an einem Bericht über die Beteiligung russischer Militärs am Krieg in der Ukraine.

Der Mord an dem ausgewiesenen Kritiker von Russlands Präsidenten Wladimir Putin hatte die russische Opposition schockiert. Unter den Angeklagten befindet sich der mutmaßliche Profikiller Saur Dadajew, ein früherer Offizier der Sicherheitskräfte des von Russland gestützten tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow.

Die Spur führt nach Tschetschenien

Nemzows Familie hatte die Ermittler gebeten, auch eine mögliche Verstrickung von Kadyrow zu untersuchen und den ranghohen tschetschenischen Polizeioffizier Ruslan Geremejew zu befragen. Dessen persönlicher Fahrer Ruslan Muchudinow gilt als möglicher Organisator des Mordes – er floh. Den Ermittlern hält er sich derzeit in den Vereinigten Arabischen Emiraten auf. Gegen Muchudinow werde seit November international gefahndet. Muchudinows Verhaftung im Ausland sei „nur noch eine Frage der Zeit“. Der Fall Muchudinow werde abgetrennt und einzeln weiter verfolgt, sagte Wladimir Markin von der Ermittlungsbehörde.

Nach Angaben der Bürgerrechtsgruppe „Offenes Russland“ kämpfte Muchudinow in einer Einheit tschetschenischer Spezialkräfte Kadyrows, dem Bataillon „Sewer“, das den Polizeistreitkräften des russischen Innenministeriums angehört.

INFO: Das Bataillon „Sewer“ wurde 2006 vom tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow gebildet. Unter anderem gehören Anti-Terror-Einheiten, aber auch ehemalige Schläger der Organisation an. Diese wurden nach 2003 auf Kadyrows Seite gezogen – das Bataillon war eine Art Rehabilitation für viele Ex-Schläger. Die Kampfeinheit „Sewer“ ist in den Medien als das persönliche Bataillon von Ramsan Kadyrow bekannt.

Zweifel von Nemzows Tochter Schanna

Die These, dass Tschetschenen am Mord an Nemzow beteiligt seien, wird von Mitgliedern der russischen Opposition nicht unterstützt. Vertreter der Opposition und auch der Anwalt von Nemzows Tochter Schanna zogen die These von Muchudinow als Auftraggeber in Zweifel. „Organisator für die niederen Ränge – ja. Aber die Auftraggeber waren hochgestellte Leute“, sagte Anwalt Wadim Prochorow der Nachrichtenagentur Interfax. Die Justiz wolle die Aufmerksamkeit von der Umgebung des tschetschenischen Anführers Ramsan Kadyrow ablenken, vermutete er.

Wie die Ermittler betonten, bestehe zwischen dem Mord des Politikers Boris Nemzow und seiner politischen und öffentlichen Tätigkeit kein Zusammenhang. Zuvor hatte die Tochter des Ermordeten Schanna Nemzowa vergeblich das Ermittlungskomitee aufgefordert, die Anklage von gewöhnlichem „Mord“ in einen „Angriff auf das Leben eines Staatmanns oder einer Person des öffentlichen Lebens“ umzuwandeln.

Rentner-Bravo meets Social Media

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Bei der Apotheken Umschau haben sie auch schon die Vorzüge von Social Media entdeckt – aber sie üben noch! Hier der Link zum corpus delicti

Nach dem Tweet der Apotheken Umschau entspann sich natürlich eine rege Diskussion. Wie immer im Netz, waren die Lager klar geteilt – die einen fanden die Idee geradezu grandios, die anderen irgendwie unsinnig.

Zugegeben, der Tweet ist gut gemacht – allerdings passt er nicht wirklich in das Umfeld der restlichen Tweets der Apotheken Umschau. Lemmy Kilmister zwischen Heizdecken und Ratschlägen bei Verstopfungen? Wem’s gefällt!?

2016 – Schicksalsjahr für die EU

Die EU hat schon viele Krisen überstanden. Doch immer haben die Politiker eine Lösung für die Probleme gefunden. Das kommende Jahr aber scheint sich zum Schicksalsjahr Europas zu entwickeln.

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Es droht das britische Referendum

 

Noch steht es nicht fest, aber alles spricht dafür: in der zweiten Jahreshälfte werden sich die Briten in einem Referendum über den Verbleib des Landes in der EU entscheiden. Votieren die Briten gegen die Europäische Union, dann verliert die EU nicht nur den drittgrößten Mitgliedstaat. Ein Austritt, so fürchten viele, könnte auch einen Zerfallsprozess in der gesamten EU einleiten und die ohnehin starken nationalistischen Strömungen in vielen Staaten weiter anheizen. Sogar der notorisch optimistische Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, sagte, dass die EU am Rande des Zerfalls stehe.

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Die Sprengkraft der Flüchtlingskrise

Auch der nicht enden wollenden Zustrom von Flüchtlingen ist eine der großen Herausforderungen für Europa. Gemeinsame Antworten hat die Gemeinschaft bislang nicht gegeben. Denn die Ankunft von geschätzten 1,8 Millionen Menschen in diesem Jahr hat viele EU-Länder in Probleme gestürzt und die Spannungen zwischen den Mitgliedstaaten erheblich erhöht. Kritik kommt vor allem aus den osteuropäischen Staaten, die vor allem den Deutschen vorwerfen, die Menschen geradezu aufgefordert zu haben, nach Europa zu kommen. Doch die „alte“ EU will sich diesen Ton nicht gefallen lassen. EU-Parlamentspräsident Martin Schuld und Österreichs Kanzler Werner Faymann (SPÖ) drohen Osteuropäern wegen mangelnder Solidarität offen mit Finanzsanktionen der EU. Geht der Zustrom 2016 nicht zurück, sondern kommen noch mehr Flüchtlinge und Migranten über die Türkei oder das Mittelmeer, wird die Auseinandersetzung über den Grenzschutz oder die Verteilung von Flüchtlingen in der EU an Schärfe zunehmen.

Rückkehr des Nationalismus

In den vergangenen Monaten wurde immer deutlicher, dass rechtsnationalistische Regierungen etwa in Ungarn oder nun auch in Polen am rechtsstaatlichen Grundgerüst der EU rütteln. Einmischung der EU an der kritisierten Einschränkung der Gewaltenteilung verbitten sich beide Regierungen jedenfalls – was 2016 eine offene Debatte über die Frage bringen wird, was eigentlich die gemeinsame Wertebasis mit Ländern wie Polen ist.

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Das ewige Thema: Wirtschaftskrise

Zu all diesen Themen hinzu kommen die anhaltenden Differenzen über den wirtschafts- und finanzpolitischen Kurs der EU und vor allem der Euro-Zone. Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi, der innenpolitisch unter Druck steht, kritisiert die vor allem von Deutschland eingeforderte Spar- und Reformpolitik. In Griechenland und Portugal warten linke Regierungen auf eine Lockerung der Sparvorgaben. Schon im Januar könnte die griechische Dauerkrise erneut eskalieren, wenn die Regierung von Alexis Tsipras ihre Rentenreform nicht durch das Parlament bringen sollte.

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Die Populisten im Aufwind

Generell verspüren in vielen EU-Staaten auch wegen der nur langsam sinkenden Arbeitslosenzahlen rechts- und linkspopulistische Parteien Aufwind, die allesamt nur eines verbindet – die Gegnerschaft zur EU-Integration. Abhilfe könnte hier wohl nur ein dauerhafter wirtschaftlicher Aufschwung bringen, für den es derzeit auch Hinweise gibt. In Spanien und Polen allerdings wurden Regierungen jüngst trotz guter Wachstumszahlen abgewählt. Gerade aus Sicht der beiden wichtigsten EU-Staaten wäre eine wirtschaftliche Erholung und ruhigere Debatten bitter nötig: Denn die Regierungen in Deutschland und Frankreich hatten 2016 eigentlich als ruhige Zwischenphase geplant, in der neue Integrationsschritte für die Wirtschafts- und Währungsunion in Angriff genommen werden können. Bereits Anfang Dezember hatte sich die große Koalition dazu in Berlin auf Vorschläge geeinigt, die nun nach Brüssel übermittelt wurden. Aber wie lange die enge Zusammenarbeit zwischen Frankreichs Präsident Francois Hollande und Merkel noch anhalten wird, ist unklar: In der Flüchtlingskrise gibt sich Paris auch aus Angst vor dem rechtsextremen Front National reserviert. In Berlin wiederum verfolgt man misstrauisch, dass die Sozialisten in Paris Jahr für Jahr die Defizitziele im Europäischen Stabilitätspakt verfehlen – und wohl auch weiter verfehlen werden.

Die Rolle Deutschlands

Unabhängig von allen anstehenden Problem wird sich wohl vor allem Merkel auf mehr Widerstand einstellen müssen. Das liegt auch an der gewachsenen Rolle und Bedeutung Deutschlands. 2015 spielte die Bundesregierung eine zentrale Rolle sowohl bei der Deeskalation in der Ukraine sowie in der Griechenland- und der Flüchtlingskrise. Die deutsche Außenpolitik ist so aktiv, dass Deutschland auf informeller Basis mittlerweile fast auf Augenhöhe mit den fünf ständigen Veto-Mächten des UN-Sicherheitsrates verhandelt – etwa bei Iran oder Syrien. Das macht nicht nur den Italiener Renzi neidisch, der nun über deutsche Dominanz mault. Bei fast allen wichtigen Themen müssen sich EU-Partner nun an der einflussreichen deutschen Position abarbeiten. Das vertieft die Kluft in der EU zumindest auf den ersten Blick. 2016 plant die Bundesregierung deshalb mehr gemeinsame Initiativen mit einem oder mehreren EU-Staaten – mit Italien etwa zur Befriedung des vom Bürgerkrieg zerrütteten nordafrikanischen Landes Libyen. Die ausdrückliche Einbindung Roms hierbei könnte dann auch das Verhältnis zu Renzi wieder etwas entspannen.

Kein Silvester auf dem Roten Platz

In Moskau gehört ist es eine der großen Traditionen: in der Silvesternacht versammeln sich tausende Menschen auf dem Roten Platz, um zum Jahreswechsel den Kreml-Glocken zu lauschen. Das fällt dieses Jahr aus. Dafür gibt es  zwei Begründungen: eine offizielle und eine inoffizielle. 

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Ein Screenshot von Gazeta.ru

Jeder, der sich zu dem Platz begebe, um auf den Anbruch des neuen Jahres zu warten, werde von der Polizei fortgeschickt, wurde Moskaus Sicherheitschef Alexej Majorow auf der Rathaus-Website zitiert. Offizielle Begründung für die Schließung: Auf dem Platz findet ein Konzert statt, das vom staatlichen TV-Sender Kanal Eins aufgezeichnet wird und bei dem nur geladene Gäste zuhören dürfen. Doch hinter der Hand wird gemunkelt, dass vor allem die Angst vor Terroranschlägen der Grund für die Schließung des Roten Platzes ist. Hier ein Link zum Text über die Schließung des Roten Platzes

Russland als Ziel von Terroristen

Die Schließung des Roten Platzes komme „einer Schließung des Times Square in New York gleich“, sagte der frühere Abgeordnete Alexander Kliukin dem Radiosender Kommersant. Nach den islamistischen Anschlägen in Paris wurden auch in Russlands Hauptstadt die Sicherheitsvorkehrungen erhöht. Schon der Absturz einer russischen Passagiermaschine über Ägypten Ende Oktober, bei dem 224 Menschen ums Leben gekommen waren, hatte die Angst steigen lassen. Es sei kein Geheimnis, dass Moskau „ein Wunschziel für einen Anschlag internationaler Terroristen ist“, sagte Bürgermeister Sergej Sobjanin kürzlich. Hier der Link zur Berichterstattung über die Schließung

Hinweis auf Alternativen in Moskau

Im Internet wird darauf hingewiesen, dass es nicht nur den Roten Platz gebe, um das Neue Jahr zu begrüßen. Aufgelistet werden alle Alternativen, wo sich die Menschen treffen können. Sogar die Nachrichtenagentur TASS beteiligt sich an der Suche. Hier der Link zu einem Text mit den Alternativen

Chronologie – das Jahr der Flüchtlinge

Die Fluchtbewegung nach Europa hat das Jahr 2015 geprägt wie kein anderes Thema. Hier sind die Ereignisse der zurückliegenden zwölf Monate zusammengefasst.

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JANUAR

– Asylanträge: 25.042

– Ende Januar löst Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) einen Streit ums Kirchenasyl aus. Er wirft den Kirchen vor, sich über geltendes Recht hinwegzusetzen. Ende Februar einigen sich Staat und Kirche auf ein neues Verfahren mit engerer Kooperation zwischen Gemeinden und Behörden.

FEBRUAR

– Asylanträge: 26.083

– In der Nacht auf den 9. Februar birgt die italienische Küstenwache einen Kutter mit 105 Insassen, die über das Mittelmeer nach Europa flüchten wollten. Sieben Menschen sind bei der Überfahrt erfroren. Weitere 18 Menschen sterben beim Transport nach Lampedusa. In den Tagen darauf ertrinken wahrscheinlich mehr als 300 Menschen.

– In ihrem wöchentlichen Podcast dringt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 14. Februar auf eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge in der EU.

MÄRZ

– Asylanträge: 32.054

– Am 11. März landet in Hannover der 50. Charterflug mit Flüchtlingen aus Syrien, die über ein 2013 aufgelegtes Kontingent in Deutschland aufgenommen werden. Die insgesamt 20.000 Plätze werden bis zum Sommer ausgeschöpft sein.

– Das Bundeskabinett beschließt am 13. März, den Ländern für 2015 und 2016 jeweils 500 Millionen Euro mehr für die Versorgung der Flüchtlinge zu geben. Ländervertreter fordern erstmals auch eine dauerhafte Beteiligung des Bundes an den Kosten.

APRIL

– Asylanträge: 27.178

– Am Osterwochenende wird auf die Asylunterkunft in Tröglitz (Sachsen-Anhalt) ein Brandanschlag verübt. Der Ort war bereits vorher in die Schlagzeilen geraten, weil der Bürgermeister Markus Nierth im März wegen rechtsradikaler Anfeindungen von seinem Amt zurückgetreten war.

– Mehr als 800 Flüchtlinge ertrinken nach einem Bootsunglück vor der libyschen Küste. Bei einem Krisentreffen am 20. April in Brüssel beschließen die EU-Innen- und Außenminister, die Seenotrettung im Mittelmeer auszubauen.

– Im Streit um eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge auf alle EU-Länder spricht sich Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am 29. April für eine Quote aus, die in vielen Ländern auf Ablehnung stößt.

MAI

– Asylanträge: 25.992

– Bei einem Treffen am 8. Mai verspricht Kanzlerin Merkel den Bundesländern ein Maßnahmenpaket zur Beschleunigung für Asylverfahren.

– Am 27. Mai stellt EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos Details des Quotenvorschlags zur Verteilung von Flüchtlingen vor. Zunächst sollen 60.000 Menschen aus Griechenland, Italien und Ländern des Nahen Ostens auf alle EU-Länder verteilt werden. Die Regierungen stimmen schließlich zu, bis Jahresende wird aber erst ein Bruchteil der Flüchtlinge tatsächlich verteilt sein.

JUNI

– Asylanträge: 35.449

– Die Internationale Organisation für Migration erklärt am 9. Juni, dass im Laufe des Jahres bereits mehr als 100.000 Flüchtlinge über den Seeweg nach Europa gekommen sind. Die Bundesregierung hebt ihre Prognose über die erwartete Zahl der Flüchtlinge an. Sie rechnet jetzt mit 450.000 Asylsuchenden bis Ende des Jahres.

– Im sächsischen Freital sorgen Proteste gegen eine Asylbewerberunterkunft bundesweit für Empörung. Bis Ende des Monats registrieren die Sicherheitsbehörden für das erste Halbjahr 150 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte – ein neuer Höchststand.

JULI

– Asylanträge: 37.531

– Laut UNHCR haben seit Jahresanfang 78.000 Flüchtlinge Griechenland erreicht – mehr als sechsmal so viele wie im Vorjahreszeitraum. Die Fluchtroute von Syrien über die Türkei und den Balkan gerät verstärkt in den Fokus.

AUGUST

– Asylanträge: 36.422

– Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) verkündet am 19. August eine neue Prognose, wonach er bis zu 800.000 Flüchtlinge in diesem Jahr erwartet. Grundlage der Prognose sollen künftig nicht mehr die Asylantragszahlen sein, sondern die Zahl der über die Länder tatsächlich registrierten Flüchtlinge. Beide Zahlen waren aufgrund des Antragsstaus immer weiter auseinander geklafft.

– Am 25. August twittert das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: „#Dublin-Verfahren syrischer Staatsangehöriger werden zum gegenwärtigen Zeitpunkt von uns weitestgehend faktisch nicht weiter verfolgt.“ Syrer, die über ein anderes EU-Land eingereist sind, können damit in Deutschland bleiben. In der Folge drängen noch mehr Flüchtlinge in die Bundesrepublik.

– Am 26. August besucht Bundespräsident Joachim Gauck eine Erstaufnahmeeinrichtung in Berlin. Kanzlerin Merkel ist am gleichen Tag in Heidenau, wo es zuvor heftige Ausschreitungen beim Protest gegen eine Asylunterkunft gegeben hatte. Merkel betont nach ihrem Gespräch mit Flüchtlingen, es gebe keine Toleranz gegenüber denen, die die Würde anderer Menschen infrage stellten. Entfernt stehende Heidenauer buhen sie aus.

SEPTEMBER

– Asylanträge: 43.071; registrierte Flüchtlinge: 164.000

– Kanzlerin Merkel entscheidet in einem Telefonat mit Ungarns Ministerpräsident Orbán, Flüchtlinge weiter nach Deutschland reisen zu lassen. Die Asylsuchenden hatten unter teils katastrophalen Umständen in Ungarn ausgeharrt. Die Entscheidung bringt ihr auch innerhalb der Union viel Kritik ein. Merkel bleibt bei ihrer Haltung. Das Asylrecht kenne keine Obergrenze, erklärt sie.

– Am 18. September übernimmt der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, die Leitung des unter Druck stehenden Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Nach wie vor gelingt es der Behörde nicht, Asylanträge schneller zu bearbeiten. Der Antragsstau wächst weiter.

– Bund und Länder einigen sich am 24. September auf eine Verteilung der Flüchtlingskosten. Der Bund zahlt ab 2016 eine Pauschale von 670 Euro pro Flüchtling bis zum Ende des Asylverfahrens. Im Gegenzug stimmen die Länder einer Reihe von Verschärfungen im Asylrecht zu, die wenig später vom Bundestag verabschiedet werden.

OKTOBER

– Asylanträge: 54.877, registrierte Flüchtlinge: 181.000

– Am 7. Oktober beschließt das Bundeskabinett eine Neuordnung seiner Flüchtlingspolitik. Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) wird zum Flüchtlingskoordinator ernannt.

– In der CSU stößt Merkels offene Haltung gegenüber den Flüchtlingen immer mehr auf Ablehnung. Forderungen werden laut, Schnellverfahren in sogenannten Transitzonen an der Grenze einzuführen, den Familiennachzug einzuschränken und eine Obergrenze für die Aufnahme zu definieren.

NOVEMBER

– Asylanträge: 57.816; registrierte Flüchtlinge: 206.000

Am 30. November beschließt der Bundestag den Haushalt 2016, der mehr als acht Milliarden Euro zusätzlich für die Versorgung und Integration von Flüchtlingen vorsieht. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erklärt, die Bewältigung der Flüchtlingszahlen habe Priorität.

DEZEMBER

– Anfang Dezember meldet Bayern, dass die Zahl der insgesamt in diesem Jahr registrierten Flüchtlinge die Grenze von einer Million überschritten hat.

– Auf ihren Parteitagen fordern SPD und CDU europäische Kontingente zur Aufnahme von Flüchtlingen. CDU-Parteichefin Merkel gelingt es, dass im Leitantrag der Christdemokraten die Forderung nach einer Obergrenze für die Aufnahme ausbleibt.

 

Rubel-Schein mit Krim-Motiv

Russland macht deutlich, wem die Krim gehört. Die russische Zentralbank hat knapp zwei Jahre nach der völkerrechtswidrigen Annexion der ukrainischen Halbinsel eine neue Banknote mit Motiven der Halbinsel Krim herausgegeben. 20 Millionen Exemplare des 100-Rubel-Scheins werden ab heute in Russland in Umlauf gebracht, wie die Zentralbank der Russischen Föderation mitteilte.

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So sieht der Schein aus. (Quelle: Sputnik)

Sewastopol und Schwalbennest

Der gelbe Hundert-Rubel-Schein zeigt ein Denkmal für gesunkene Schiffe im Hafen von Sewastopol, wo die russische Schwarzmeerflotte stationiert ist. Dargestellt wird zudem das Schloss „Schwalbennest“ auf einer Klippe in der Nähe von Jalta. Das Wasserzeichen besteht aus einen Porträt von Zarin Katharina II., genannt die Große. Unter ihr kam die Krim im 18. Jahrhundert unter russische Herrschaft. Als Besonderheit sind die Scheinemit einem QR-Code versehen, sodass sich Inhaber der neuen Scheine direkt im Internet über die abgebildeten Symbole erkunden können.

Es ist allerdings nicht das erste Mal, dass Moskau seinen Anspruch auf die Krim auf diese Weise deutlich macht. Die russische Zentralbank hatte vor dem neuen Geldschein schon eine Zehn-Rubel-Münze geprägt, mit der die russische Kontrolle über die Krim gefeiert wird.

Regieren gegen das Volk

Was  geht vor in Polen?  Steht das Land vor einem Bürgerkrieg, wie Lech Walesa, Solidarnosc-Ikone, Ex-Präsident und Friedensnobelpreisträger, voller Dramatik warnt? Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn spricht von Furcht erregenden sowjetischen Methoden und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sieht gar einen Staatsstreich.

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Kaczynski will das System umbauen

Zugegeben, was in Polen vor sich geht, muss jedem aufrechten westlichen Demokraten den Atem stocken lassen. Jaroslaw Kaczynski, Vorsitzender der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), scheint sich im Alleingang an den Umbau des politischen Systems gemacht zu haben. Er, der einfache Abgeordnete, dirigiert als graue Eminenz den Präsidenten Andrzej Duda und die Regierungschefin Beata Szydlo, die beide willfährig seine Vorgaben umsetzen.  So sollen etwa mit umstrittenen Personalentscheidungen das Verfassungsgericht und die Staatsmedien  auf Linie gebracht werden.

Aber wird in Polen tatsächlich die Demokratie demontiert? Dieser Anschein drängt sich auf, blickt man mit einem deutschen, an Konsens und Kompromiss orientierten Demokratieverständnis auf den Nachbarn jenseits der Oder. Aber im Grunde agiert die neue Regierung in Warschau wie alle ihre Vorgänger auch. Nach einem Wahlsieg werden die allermeisten Stellen – vom Premier bis zum Förster des Staatswaldes –  mit eigenen Leuten neu besetzt. Die aktuelle PiS-Regierung geht dabei nur sehr schnell, äußerst rücksichtslos und mit dem von Kaczynski  bekannten missionarischen Eifer vor. Dabei lieferte ihr die abgewählte Bürgerplattform allerdings einen wichtigen Hebel: die hatte nämlich angesichts der absehbaren Niederlage bei der Abstimmung im Sommer noch schnell die Gesetzgebung zum Verfassungsgericht geändert und daraufhin in allerletzter Sekunde fünf neue Richter installiert, obwohl es nur drei hätten sein dürfen. Die neue Regierung erklärte deren Ernennung für ungültig, worüber nun erbittert gestritten wird – wie über viele andere Dinge auch.

Streit dominiert in Polen

Heftiger Streit ist  ein zentrales Moment in der polnischen Politik. Er charakterisiert die Auseinandersetzung in einer Gesellschaft, die noch immer zutiefst gespalten ist. Die Vorgängerregierung hat es über Jahre sträflich versäumt, beide  Lager miteinander zu versöhnen. Noch immer gibt es auf der einen Seite ein verharrendes, ländliches Polen und auf der anderen Seite die vom wirtschaftlichen Aufbruch profitierenden Landesteile rund um die Großstädte. Die meisten Polen verdienen auch zehn Jahre nach dem EU-Beitritt ihres Landes nur einen Bruchteil vom Lohn der Arbeitnehmer in Westeuropa. Das schürt  ein Gefühl der Unzufriedenheit, das Kaczynski mit seinem Gerede von neuer nationaler Größe und populistischen Versprechungen von sozialen Wohltaten gezielt befeuert.

Das Volk in Polen wehrt sich

Bleibt die Frage, wie weit die national-konservative Regierung den  Umbau des Staates treiben wird. Die neuen Machthaber in Warschau werden kaum auf die mahnenden Worte der EU hören. Brüssel wird von Kaczynski als zahnloser Tiger wahrgenommen. Wirklich entscheidend sind die beeindruckenden Proteste einer selbstbewusst gewordenen polnischen Zivilgesellschaft. Jedes Wochenende gehen Zehntausende gegen die Regierung auf die Straße – und ein Ende ist nicht abzusehen. Die Demonstranten treten für freiheitliche europäische Werte ein, für die Aufrechterhaltung der Gewaltenteilung und des Rechtsstaates. Selbst vielen Kaczynski-Anhängern ist der politische Fanatismus nicht mehr geheuer, mit dem der Parteivorsitzende ans Werk geht. Letzte Umfragen zeigen, dass Kaczynski bei den Wählern schon jetzt dramatisch an Rückhalt verliert. Die Botschaft ist klar: will die Regierung an der Macht bleiben, muss sie Kompromisse eingehen. Jaroslaw Kaczynski kann Brüssel ignorieren – nicht aber das eigene Volk.