Der zweifelhafte Deal des Basta-Kanzlers

Gerhard Schröder hat sich nicht beirren lassen. Noch nicht einmal die eigenen Parteifreunde haben den Altkanzler davon abbringen können, sich in den Aufsichtsrat des russischen Ölkonzerns Rosneft wählen zu lassen. Im Gegenteil: Er hat die Entscheidung in Interviews sogar offensiv verteidigt: „Es geht um mein Leben, und darüber bestimme ich.“ Basta.
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Chef des Aufsichtsrates von Rosneft

Nach wochenlanger Aufregung ist Schröder nun nicht nur drin, sondern sogar Chef des Rosneft-Aufsichtsrates – und behandelt das Engagement so, als wenn es ein ganz normales sei. Er wolle seine politische und wirtschaftliche Erfahrung in das Unternehmen einbringen, sagt er am Wahltag in St. Petersburg. Er trete die Aufgabe gerne an und werde sich für das Wohl der Firma einsetzen.
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Der Münchner Merkur zu Schröder:

Anders als seine Berliner Genossen, die nach der Bundestagswahl ihre Regierungsposten los sind, hat Gerhard Schröder einen neuen Job. Einen ziemlich lukrativen noch dazu. Dass sich ein deutscher Ex-Regierungschef so unverblümt in den Dienst einer ausländischen Macht stellt, ist ein einzigartiger Bruch aller Regeln des politischen Anstands Seiner Partei gibt Schröder noch immer gerne Ratschläge. Einer lautete jetzt, die SPD solle die Tür für eine Fortsetzung der Großen Koalition nicht voreilig zuschlagen. Man darf darüber nachdenken, wer da sprach: Der ehemalige SPD-Chef? Oder Putins Handlanger, der bedauert, dass er über seine Partei nun nicht mehr Einfluss nehmen kann auf die deutsche Regierungspolitik?

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Die Schröder-Connection in die russische Wirtschaft ist nicht neu. Schon kurz nach seiner Amtszeit als Kanzler (1998 bis 2005) stieg der heute 73-Jährige bei der von Gazprom beherrschten Nord Stream AG zum Bau einer Ostpipeline ein. Nun hievt sein enger Freund Wladimir Putin, der russische Präsident, ihn in die Führung eines weiteren Energieriesen, der aber ein deutlich schlechteres Image hat. Wichtigster Einwand gegen Rosneft: Der Konzern steht auf der EU-Sanktionsliste wegen Russlands Übergriffen auf die Ukraine.
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Damit startet eine weitere Episode einer langjährigen, engen Männerfreundschaft. Schon zu seiner Amtszeit verstand sich Schröder mit Putin so gut wie mit kaum einem anderen Staats- oder Regierungschef. Die politische Freundschaft wurde schnell zur privaten. Der Kremlchef lud die Schröders zur weihnachtlichen Schlittenfahrt nach Moskau ein, der Altkanzler feierte mit Putin Geburtstag in Hannover. Die guten Kontakte führten dazu, dass Schröder und seine damalige Frau Doris Schröder-Köpf zwei russische Kinder adoptierten.

Schröders Nähe zu Putin

Schröders Nähe zu Putins Russland hat dem Altkanzler von Anfang an auch viel Kritik eingebracht. Unvergessen ist seine Einstufung Putins als „lupenreinen Demokraten“, die er noch als Kanzler vornahm. Zuletzt kritisierte er mitten im Wahlkampf die Stationierung von Bundeswehrsoldaten in Litauen nicht weit von der russischen Grenze entfernt – und stimmte in die Moskauer Nato-Schelte ein.
Was der Kreml nun von dem immer noch gut vernetzten Schröder will, ist klar. Schon bei Nord Stream 1, der ersten Ostseepipeline von Gazprom, hatte er erfolgreich als Türöffner in Europa gewirkt. Nun soll er das auch für Rosneft tun. Russlands größter Ölkonzern hält bereits Anteile an drei deutschen Raffinerien und ist ein wichtiger Investor.

„Darth Vader der russischen Wirtschaft“

Groß geworden ist Rosneft durch Igor Setschin, einen Mann mit dem wenig schmeichelhaften Beinamen eines „Darth Vader der russischen Wirtschaft“ – nach der Figur aus „Krieg der Sterne“. Der Weggefährte Putins sorgte dafür, dass 2004 die Trümmer von Michail Chodorkowskis zerschlagener Firma Yukos bei Rosneft landeten.
2013 wuchs der Konzern um ein russisch-britisches Joint Venture aus TNK und BP. 2016 verleibte sich Rosneft den Staatsanteil am kleineren Konkurrenten Baschneft ein, obwohl selbst Putin sich anfangs gegen diese Art von Privatisierung ausgesprochen hatte.
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Derzeit fordert Setschin Schadenersatz vom russischen Mischkonzern AFK Sistema, einem früheren Besitzer von Baschneft. Der Fall ist kompliziert, aber im Prinzip so, als würde man einen schadhaften Gebrauchtwagen kaufen und dann gegen den Vorvorbesitzer klagen. Doch vor einem russischen Gericht kommt Setschin damit durch. Sistema soll 136,3 Milliarden Rubel (1,95 Milliarden Euro) zahlen.

Das Leben des Igor Setschin

Am Vorgehen gegen den angeblich korrupten Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew, einen anderen Kritiker des Baschneft-Geschäfts, war Setschin persönlich beteiligt. Im Auftrag des Geheimdienstes FSB lockte er den Minister in sein Büro, übergab ihm einen Korb mit Wurst und zwei Millionen US-Dollar, das angebliche Schmiergeld.
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Über Setschin und dessen Firma soll Schröder also nun Aufsicht führen. Für seine Partei wurde er deswegen schon im Wahlkampf zum Problemfall. Während Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) sich aus langjähriger Parteifreundschaft noch mit Kritik an ihm zurückhielt, distanzierte sich Kanzlerkandidat Martin Schulz deutlich. Und er stellte klar, dass ein Bundeskanzler außer Dienst „immer nur bedingt ein Privatmann“ sei. Als Altkanzler genießt Schröder deswegen auch gewisse Privilegien. Der Staat bezahlt ihm ein Büro in Berlin, den Steuerzahler kostet das allein in diesem Jahr 561 000 Euro.
Viel mehr ins Gewicht fallen die außenpolitischen Folgen. Schröder durchkreuzt mit seinen Rosneft-Ambitionen die EU-Sanktionspolitik gegen Russland. Die Regierung in Moskau freut sich darüber. Energieminister Alexander Nowak nannte den Einstieg Schröders bei dem Ölkonzern ein „bedeutsames Ereignis“.
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Die FAZ meint dazu:

Mit der Wahl zum Aufsichtsratsvorsitzenden des russischen Energiekonzerns Rosneft zieht Gerhard Schröder das Amt des Bundeskanzlers vollends in den Schmutz. Denn nicht als „Botschafter“ deutsch-russischer Beziehungen, auch nicht als Privatmann, sondern einzig als ehemaliger Bundeskanzler (…) muss er sich rechtfertigen. Ein ehemaliger Bundeskanzler ist nie mehr „nur“ Privatmann, genauso wenig, wie er das während seiner Amtszeit war. Sich in einem Unternehmen an führender Stelle zu engagieren, das einer korrupten Autokratie hörig ist und Staatsverbrechen deckt, bedeutet nichts anderes, als sich rückwirkend an diesem Amt zu vergreifen. Schröder tut es dennoch. Es ist ihm egal, weil es seiner machohaften Feierlaune entgegenkommt – und natürlich: seinem Geldbeutel. Noch nie ist ein Bundeskanzler so tief gesunken.

Keine Chance für die AfD-Lautsprecher

Bei der Besetzung wichtiger Posten in der AfD-Bundestagsfraktion hat sich keiner der bekannten Sprücheklopfer durchgesetzt. Die Bundestagsfraktion wählte den Hamburger Volkswirt Bernd Baumann zum Ersten parlamentarischen Geschäftsführer. Er erhielt nach Angaben der Partei 70 von 92 Stimmen. Vorgeschlagen hatte ihn nach Angaben eines Abgeordneten der Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland.
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JA-Chef Frohnmaier fällt durch

Der von der Co-Vorsitzenden Alice Weidel für den Posten des zweiten parlamentarischen Geschäftsführers vorgeschlagene Abgeordnete Markus Frohnmaier (26) fiel dagegen in einer geheimen Abstimmung durch. An seiner Stelle wurde Jürgen Braun (56) aus Baden-Württemberg gewählt. Frohnmaier war zuletzt Sprecher von Weidel gewesen. Er fiel unter anderem durch Sprüche wie „Hassprediger und Hassjournalisten sind eine Gefahr für die Demokratie!“ auf.

Brandner nicht gewählt

Nicht durchsetzen konnte sich auch Stephan Brandner, der für den dritten Geschäftsführerposten kandidierte. Er war im Landtag von Thüringen mehrfach wegen Beleidigungen zur Ordnung gerufen worden. Der junge Mathematiker Michael Espendiller aus Nordrhein-Westfalen und Hansjörg Müller aus Bayern werden dritter und vierter parlamentarischer Geschäftsführer.
Baumann hatte im Wahlkampf Gaulands umstrittene Äußerung verteidigt, man solle die SPD-Politikerin Aydan Özoguz „in Anatolien entsorgen“. Der Wirtschaftswissenschaftler war seit 2015 Landes- und Fraktionsvorsitzender der AfD in der Hansestadt.

Der vergiftete Glückwunsch des ukrainischen Botschafters

Der Botschafter Andrij Melnyk gratuliert den Siegern der Bundestagswahl. Das ist mehr als nett – doch sein Glückwunsch an die AfD ist ein ganz besonderer und gilt ganz besonders dem FDP-Chef Christian Lindner.

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Angehängt an den Tweet ist ein Link auf eine Seite der UN. Die haben in diesen Tagen einen Bericht veröffentlicht, dass es auf der von Russland okkupierten Krim zu Verletzungen der Menschenrechte kommt. Zum Hintergrund: Christian Lindner hatte vor der Wahl gefordert, den Konflikt auf der Krim zu akzeptieren und als eingefrorenen Krisenherd zu sehen. Das stieß natürlich auf Proteste der Ukraine.

Keine Alternative für Frauke Petry

AfD-Chef Jörg Meuthen reagierte mit einer Mischung aus Verblüffung und Empörung: „Das ist mit uns nicht abgesprochen gewesen“, sagte er am Montag zu der überraschenden Ankündigung von Co-Chefin Frauke Petry, der Bundestagsfraktion nicht angehören zu wollen.

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Pressekonferenz mit Gauland und Weidel

Petry hatte die Bombe zu Beginn der gemeinsamen Pressekonferenz mit den Spitzenkandidaten Alexander Gauland und Alice Weidel sowie Meuthen platzen lassen, bei dem nach dem fulminanten Wahlsieg eigentlich der künftige Kurs dargelegt werden sollte.

Der Bruch war vorprogrammiert

Der Richtungsstreit in der AfD strebt damit einem neuen Höhepunkt zu. Schon beim Kölner Parteitag im April war Petry mit einem Antrag gescheitert, in dem sie ihre Partei auf eine Distanzierung von dem vielfach als völkisch bezeichneten Kurs des Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke festlegen wollte. Höcke ist ein Symbol für die Radikalisierung von Teilen der AfD-Funktionäre. Bundesweit löste er mit abwertenden Äußerungen über das Holocaust-Mahnmal in Berlin Empörung aus. Zudem werfen ihm Kritiker vor, sich nicht eindeutig von der rechtsradikalen NPD abgesetzt zu haben.
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Petry will Wähler nicht verschrecken

Petry mahnte in Köln, damit würden bürgerliche Wähler verschreckt. Auf die aber sei die AfD angewiesen. Mittlerweile scheinen aber auch Gauland und Weidel auf einen radikalen Kurs eingeschwenkt zu sein. So forderte Gauland, „stolz zu sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen.“ Weidel wiederum dementierte nicht eindeutig eine ihr zugeschriebene Email mit fremdenfeindlich Attacken.

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Sachsen-AfD setzt sich von Petry ab

Wie viele Unterstützer Petry in der AfD hat, ist allerdings ungewiss. Neu gewählte sächsische AfD-Bundestagsabgeordnete und Teile des Landesvorstands haben sich deutlich von der Landesparteichefin Frauke Petry distanziert. Petry habe das Vertrauen der Partei verspielt, sagte der sächsische Landesvize Siegbert Droese am Montag in Leipzig. Es sei ein Affront gewesen, wenige Tage vor der Bundestagswahl die Spitzenkandidaten der eigenen Partei öffentlich zu kritisieren. „Für uns kann es mit Frauke Petry keine Zusammenarbeit mehr geben“, sagte auch das sächsische AfD-Landesvorstandsmitglied Jörg Borasch.

Unterdessen in Dresden:

Dort haben sich am Tag nach der Bundestagswahl etwa 1500 Menschen zu einer der regelmäßigen „Pegida“-Kundgebungen versammelt. Redner der islamfeindlichen „Pegida“-Bewegung und der AfD drückten vor den Teilnehmern auf dem Dresdner Neumarkt ihre Freude über das starke Abschneiden der Rechtspopulisten bei der Wahl vom Vortag aus. „Pegida“-Gründer Lutz Bachmann nannte das Wahlergebnis erst den Anfang und gab das Ziel aus, dass die AfD nach der nächsten Landtagswahl 2019 den Ministerpräsidenten im Freistaat Sachsen stellen wolle.

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Auf Plakaten war bei der Kundgebung am Montagabend etwa zu lesen „Wahlsieg!“, „Lügenpresse“ und „Politikerpack in den Gulag. Ausmisten.“ „Pegida“ und AfD-Vertreter hatten in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder den Schulterschluss gesucht. Die sächsische AfD-Vorsitzende Frauke Petry hatte sich indes gegen gemeinsame Veranstaltungen ausgesprochen.

Die Rolle von Pegida

Pegida sei nicht unerheblich daran beteiligt gewesen, dass es der AfD in Sachsen gelungen sei, stärkste Kraft zu werden, sagte das Vorstandsmitglied des AfD-Kreisverbandes Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Egbert Ermer, bei der montäglichen Kundgebung des islamfeindlichen Bündnisses. Er versprach den zahlreichen Zuhörern: „Wir werden in Berlin diesem Pack, diesem rot-gelb-grün-versifften Pack, diesen Volksverrätern, auf die Finger schauen.“

Hass gegen Petry

Zugleich griff er AfD-Chefin Frauke Petry scharf an, die in seinem Wahlkreis ihr Direktmandat für den Bundestag geholt hatte – am Montag dann aber mitteilte, der AfD-Fraktion im Bundestag nicht beitreten zu wollen. Wenn „einige mit dem Namen P.“ dächten, „sie müssten jetzt ihr eigenes Süppchen kochen, können wir nur sagen, Reisende halten wir nicht auf“. Er prophezeite der Parteivorsitzenden, in der „politischen Versenkung“ zu verschwinden.

 

In Hör- und Sichtweite zu der „Pegida“-Kundgebung auf dem Dresdner Neumarkt fanden auch am Montagabend Gegenproteste mit Pfeifkonzerten statt, allerdings mit geringeren Teilnehmerzahlen.


Nachtrag 1:

Parteichefin Frauke Petry hat ihren Austritt aus der AfD angekündigt. „Klar ist, dass auf Dauer dieser Schritt wohl auch erfolgen wird“, sagte sie am Dienstag in Dresden. „Aber wann er erfolgt, das möchten wir uns selbst vorbehalten. Es sei denn, andere kommen uns zuvor“, sagte sie mit Blick auf Forderungen nach einem Parteiausschluss. „Das Verlassen einer Fraktion ist normalerweise eine Möglichkeit, jemanden aus der Partei zu entfernen.“ (26.09.2017)

Nachtrag 2:

Der AfD-Chef in Nordrhein-Westfalen, Marcus Pretzell, will Partei und Fraktion verlassen. Diesen Schritt habe Pretzell, der auch die Fraktion leitet, für deren nächste Sitzung angekündigt, sagte AfD-Fraktionssprecher Michael Schwarzer am Dienstag in Düsseldorf. (26.09.2017)

UN: Menschenrechtsverstöße auf der Krim

Das UN-Menschenrechtsbüro wirft Russland schwere Menschenrechtsverstöße auf der 2014 von der Ukraine annektierten Schwarzmeerhalbinsel Krim vor. Unter der russischen Herrschaft habe auch die Minderheit der Krimtataren zu leiden, deren Interessenvertretung Medschlis verboten worden sei, heißt es in einem Bericht.

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Die unabhängige Berichterstatterin Fiona Frazer sprach in ihrem Papier von willkürlichen Festnahmen und Einsperrungen, Fällen von gewaltsamem Verschwindenlassen, Misshandlungen und Folter.

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“Grave human rights violations, such as arbitrary arrests and detentions, enforced disappearances, ill-treatment and torture, and at least one extra-judicial execution were documented.”

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In dem Bericht stuft das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte (OHCHR) die Krim als vorübergehend besetztes Gebiet ein. Dort hätten nach internationalem Recht weiter die ukrainischen Gesetze zu gelten. Dies widerspricht der Moskauer Auffassung, nach der die Krim ein Teil Russlands geworden ist und damit russische Gesetze gelten.

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„Ukrainian laws were substituted by Russian Federation laws, in violation of the obligation under international humanitarian law to respect the existing law of the occupied territory.“

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Russland müsse gewaltsame Übergriffe von Sicherheitsorganen aufklären und solle Versammlungs- und Meinungsfreiheit sichern, heißt es in einer Liste von OHCHR-Empfehlungen. Einwohner der Krim, die keinen russischen Pass angenommen hätten, dürften nicht diskriminiert werden. „Die Frage der Staatsbürgerschaft hat das Leben vieler Krim-Bewohner verändert“, sagte Hochkommissar Said Raad al-Hussein einer Mitteilung zufolge. Die Ukraine wurde aufgefordert, den Reiseverkehr mit der Krim so einfach wie möglich zu machen.

Schwere Krise beim Front National

Der rechtsextreme Front National hat schon viele Krisen durchlebt. Dieses Mal ist es wieder einmal ernst. Vizepräsident Florian Philippot verlässt nach einem Streit mit der Chefin Marine Le Pen die Partei. Das wird Folgen auf die Politik des FN haben. 

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Der Intimus kehrt der Chefin den Rücken

Philippot hatte immer einen guten Draht zu seiner Chefin. Er war der Stratege, der die „Entdämonisierung“ des FN bewerkstelligte, indem er Marine Le Pen von ihrem offen antisemtischen Vater löste, dem FN-Gründer Jean-Marie Le Pen. Der Erfolg gab dem bekennenden Homosexuellen Recht. Marine Le Pen ließ ihn gewähren. Doch nach den jüngsten Wahlschlappen gab es in der Partei erhebliche Spannungen, die nun offen zutage treten. Und am Ende ging es ganz einfach um die Macht in der Partei.

Der in Frankreichs Medien omnipräsente EU-Abgeordnete Philippot hatte seine Chefin kaum verhohlen herausgefordert, als er schon kurz nach der verlorenen Präsidentenwahl im Mai seine parteiinterne Bewegung „Die Patrioten“ gründete. Der Verein sei ein Forum, um die von Le Pen nach der Wahl ausgerufene Neubegründung des FN voranzutreiben, behauptete er. Die Chefin aber verlangte von ihm, den Verein wieder aufzulösen – doch Philippot dachte nicht daran.

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Die FN-Chefin Le Pen greift durch

Le Pen sagte, sie respektiere Philippots Entscheidung. Sie hatte ihm einen Interessenkonflikt vorgeworfen und ihm die Verantwortung für den Aufgabenbereich Strategie und Kommunikation entzogen. Philippot, der zugleich Präsident seiner politischen Vereinigung „Die Patrioten“ ist, behielt aber den Titel eines Vizepräsidenten. „Ich verlasse die FN betrübt“, teilte Philippot mit.

Wie viele werden folgen?

Gefolgsleute Philippots kündigten an, sie wollten ihm folgen. Die FN-Europaabgeordnete Sophie Montel erklärte via Twitter, sie wolle ebenfalls die Partei verlassen. Le Pen teilte mit, dass der Bürgermeister von Fréjus, David Rachline, nun für die Kommunikation der Partei verantwortlich sei.

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Philippots deutet an, dass er mit dem Abgang beim FN nicht etwa seine politischen Ambitionen aufgibt. Doch er hat wohl zu wenige Gefolgsleute, um eine wirkliche Spaltung des FN hervorzurufen wie 1999, als Dutzende Kader die Revolte eines internen Widersachers Jean-Marie Le Pens unterstützten.

Kurswechsel in der Partei erwartet

Le Pen hatte im Stichentscheid der Präsidentenwahl im Mai mit knapp 34 Prozent der Stimmen deutlich gegen ihren sozialliberalen Rivalen Emmanuel Macron verloren. Eine TV-Debatte mit Macron vor der Wahl geriet für Le Pen zum Debakel und führte auch im eigenen Lager zu Kritik. Bei der Parlamentswahl im Juni bekam die Partei nur acht Abgeordnetensitze. Le Pen hatte bei den Wahlen ein Ende des Euro als normales Zahlungsmittel gefordert, Beobachter erwarten, dass die von Jean-Marie Le Pen gegründete Partei nach dem Abgang von Philippot wieder verstärkt einen einwanderungsfeindlichen Kurs fahren dürfte. Die FN plant einen Kongress im kommenden Frühjahr.

Die AfD, Alice Weidel und das rosa Einhorn

Nun ist es also offiziell: Alice Weidel ist homosexuell. Das wäre nicht weiter interessant, wäre sie nicht die Frontfrau einer Partei, die nicht nur vom Schwulen- und Lesbenverband als „zutiefst homophob“ bezeichnet wird.

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Eine Viertelstunde bis zum Outing

Eine  Viertelstunde dauerte es bis um Outing von Alice Weidel. Eine Viertelstunde hatte sich bei einem Wahlkampfauftritt in Viernheim bei Mannheim über Wirtschafts- und Finanzpolitik geredet. Dann kommt eine Passage, die von der AfD-Politikerin als Premiere angekündigt wird. Sie will über ihr Privatleben sprechen. „Ich bin homosexuell“, sagt sie freiheraus. Die Reaktion ist verhalten, dann beginnt ein etwas müder Applaus.  Weidel hatte nie ein  Geheimnis aus ihrer Homosexualität gemacht – aber auch nicht darüber geredet. Im Wahlkampf hatte sie das Thema gemieden. Wohl auch, weil sie weiß, dass nicht alle Parteimitglieder der AfD mit dem Thema wirklich entspannt umgehen können. Es werde akzeptiert, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Was vielen AfD-Mitgliedern aber gegen den Strich geht ist die Tatsache, dass Weidel zwei Kinder mit ihrer Partnerin hat. Für eine Partei, die so sehr viel Wert auf die traditionelle Familie legt, ist das starker Tobak.

Die Flucht nach vorne?

Doch das Outing Weidels ist nur der vorläufig letzte Schritt einer offenbar gut vorbereiteten Attacke – oder ist es eine Flucht nach vorne? Denn sie wirbt nur wenige Tage vor der  Bundestagswahl gezielt um homosexuelle Wähler. In einem Interview mit dem Blog „Philosophia Perennis“ sagte Weidel, ihre Partei sei „die einzige echte Schutzmacht für Schwule und Lesben in Deutschland“. Die größte Bedrohung für Homosexuelle gehe aktuell von muslimischen Migranten aus, die gleichgeschlechtliche Partnerschaften aus religiösen Gründen ablehnten.
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Wie passt das zur AfD?

Doch wie passt das zum Wahlprogramm der AfD. Die Partei beklagt darin: „die Anzahl traditioneller Familien in Deutschland ist seit vielen Jahren rückläufig“. Außerdem kritisiert sie: „Eine einseitige Hervorhebung der Homo- und Transsexualität im Unterricht, wie sie die sogenannte „Sexualpädagogik der Vielfalt“ praktiziert, stellt einen unzulässigen Eingriff in die natürliche Entwicklung unserer Kinder und in das vom Grundgesetz garantierte Elternrecht auf Erziehung dar.“

„Wenn man ehrlich ist, erscheint die AfD auf den ersten Blick natürlich nicht als die erste Adresse, wenn es um die Rechte von Homosexuellen geht“, räumte Weidel ein. Ihre Partei stehe aber „für Recht und Ordnung und für die Bewahrung unserer freiheitlichen westlichen Kultur und Zivilisation“. Und davon profitierten auch Homosexuelle.

Schwule und Lesben wehren sich

Der Bundestagsabgeordnete Volker Beck (Grüne) sagte, wenn Weidel jetzt „auf dem rosa Einhorn daher geritten kommt“ und die AfD als Schutzmacht für Lesben, Schwule und Transsexuelle preise, sei das nur als „Fakenews“ zu klassifizieren. Nicht nur bei Muslimen sei mehr Aufklärung und „Akzeptanzarbeit“ nötig, sondern auch bei den Russlanddeutschen. Gewalt und eine „Ideologie der Ungleichzeit“ dürfe man nicht akzeptieren, „weder bei Islamisten noch bei den rechtsextremen Freunden von Frau Weidel oder in der Mitte der Gesellschaft“, fügte Beck hinzu. Auch der Lesben- und Schwulenverband hat seine fundamentalen Probleme mit den Aussagen von Weide. Die Organisation erklärte kürzlich: „Ob mit oder ohne Weidel – die AfD ist eine unberechenbare, radikale und zutiefst homophobe Partei.“

AfD-Chefin Petry kritisiert Weidel und Gauland

Was wird aus Frauke Petry? Immer mehr entsteht der Eindruck, dass die AfD-Chefin mit ihrer Partei längst gebrochen hat. 

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Petry und ihr Co-Chef Meuthen sind erbitterte Gegner innerhalb der AfD

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Frauke Petry gegen Alice Weidel

Kurz vor der Bundestagswahl geht Frauke Petry demonstrativ auf Distanz zum Spitzenduo der Alternative für Deutschland. Sie verstehe, wenn die Wähler über Äußerungen von Alice Weidel und Alexander Gauland „entsetzt“ seien, sagte Petry in einem Interview mit der „Leipziger Volkszeitung“. Die 42-Jährige, die als Spitzenkandidatin der sächsischen AfD bei der Bundestagswahl antritt, sagte:

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„Es ist zu erleben, dass sich gerade viele bürgerliche Wähler abwenden. Das liegt auch an Schlagzeilen, wie sie in jüngster Zeit produziert wurden.“

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Eine rassistische Mail von Weidel

Damit zielt Petry natürlich auf eine E-Mail von Alice Weidel, die darin rassistische und Demokratie verachtende Bemerkungen gemacht haben soll. Gauland hatte Anfang September bei einem Treffen der AfD-Rechtsaußen-Gruppe „Der Flügel“ das Recht auf „Stolz“ auf die Leistungen von Wehrmachtssoldaten gefordert.

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Kritik am Streit in der AfD

Petry kritisierte den Richtungsstreit und den erstarkenden rechten Flügel innerhalb der Partei, der die AfD schwäche. Die parteiinternen Konflikte gingen „natürlich nicht spurlos“ an der AfD und den Wählern vorbei. „Die Gefahr für die Kanzlerin ist durch die internen Verwerfungen der AfD kleiner geworden“, sagte Petry. Für die Bundestagswahl erwartet sie, „dass die AfD auf jeden Fall zweistellig wird“. In Sachsen liege die Partei momentan bei knapp unter 20 Prozent, sie habe hier „allerdings schon mal mehr Zuspruch“ gehabt, sagte Petry.

Petry in Köln kaltgestellt

In der AfD tobt seit längerem ein erbitterter Führungsstreit. Auf dem Kölner Parteitag im vergangenen April war Petry de facto kaltgestellt worden, Weidel und Gauland wurden zum Spitzenduo für die Bundestagswahl gewählt. Im Wahlkampf war die Bundesvorsitzende über Sachsen hinaus kaum sichtbar. Petry verteidigte ihren auf dem Kölner Parteitag gescheiterten Zukunftsantrag.

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„Ich hatte gehofft, die AfD personell und strukturell so aufzustellen, um ab 2021 regieren zu können. Das wäre aber nur gegangen, wenn der Wähler weiß, was er mit der AfD bekommt – mit einer Fundamentalopposition oder einer Bewegungspartei, wie es große Teile der Partei sehen, geht das nicht.“

Polen gibt mehr Geld für die Verteidigung

Das Parlament in Warschau hat mit klarer Mehrheit einen Anstieg der Verteidigungsausgaben Polens beschlossen. Demnach sollen die Ausgaben bis zum Jahr 2020 mindestens 2,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen, bis 2030 sollen es mindestens 2,5 Prozent sein. Der Senat und Präsident Andrzej Duda müssen dem Vorhaben noch zustimmen.
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Notwendige Reaktion auf Russland

Verteidigungsminister Antoni Macierewicz bezeichnete die höheren Ausgaben am Freitag als notwendige Reaktion auf „Bedrohungen aus dem Osten“. Dort verfolge Russland mit aller Macht seine politischen Ziele, so Macierewicz.

Polen zählt zu den fünf Nato-Mitgliedstaaten, die die von dem Militärbündnis geforderten 2 Prozent an Verteidungsausgaben erfüllen. Die polnische Regierung betrachtet den Anstieg als Notwendigkeit, während sie das Militär des Landes modernisiert und die Zahl der Soldaten aufstockt.

Russland startet Manöver „Sapad“

Russland und Weißrussland haben das im Westen kritisierte gemeinsames Militärmanöver „Sapad“ (Westen) begonnen. Bei der Übung wolle man auf der Grundlage moderner Konflikte trainieren und die Streitkräfte beider Länder schulen, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit.

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Ein Szenario der Bedrohung

Natürlich brauch so ein Manöver auch ein Bedrohungsszenario – und da geht in diesem Fall so: Weißrussland und Russland kämpfen gegen Extremisten, die versuchen die Regierung in Minsk zu stürzen. Militärisch unterstützt werden sie von den Nachbarstaaten Wesbaria und Lubenia.

Übung habe „defensiven Charakter“

„Die Übung hat einen rein defensiven Charakter und richtet sich nicht gegen einen Staat oder eine Gruppe von Ländern“, hieß es aus Moskau. Das Manöver werde an sechs Übungsplätzen in Weißrussland stattfinden. Zudem sollen taktische Manöver der Luftwaffe in Russland geprobt werden.

Kritik kommt aus dem Westen

Kritiker aber bezweifeln den defensiven Charakter der Übung. Nicht nur Nato-Militärs glauben, dass mit dem Manöver ein Überfall auf Nato-Ländern wie das Baltikum oder Polen simuliert werden soll. Manche sprechen von einer bewussten Provokation Russlands. Als „aggressives Manöver gegen den Westen“ bezeichnete Litauens Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite die Übung. Russische und weißrussische Generäle halten dem entgegen, dass ihre Armeen das vierte Mal seit dem Zerfall der Sowjetunion zusammen trainieren. Sie tun dies in der Tat alle vier Jahre im Herbst.
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Eine neue Zeitrechung

Nach dem Einmarsch russischer Soldaten auf der Krim und im Osten der Ukraine ist allerdings eine neue Zeitrechnung angebrochen und das Misstrauen auf beiden Seiten ist sehr groß. Die Regierung in Kiew befürchtet sogar, die Übung könne dazu genutzt werden, um einen neuen Angriff auf die Ukraine zu planen. Zudem befürchten Kritiker, dass russische Soldaten nach der Übung nicht aus Weißrussland abziehen könnten. .

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Das Schweigen Russlands

Angeheizt wird die Gerüchteküche durch das Schweigen Russlands. Anders als Moskau informierte Minsk frühzeitig über das Manöver. Weißrussland hat auch eine größere Gruppe von westlichen Militärbeobachtern eingeladen.

An der siebentägigen Übung sollen nach offiziellen Angaben 12 700 Soldaten aus beiden Ländern teilnehmen; rund 250 Panzer und 10 Schiffe sollen im Einsatz sein. Einige westliche Staaten und die Nato gehen davon aus, dass die eigentliche Teilnehmerzahl viel höher sein könnte. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen rechnet mit bis zu 100 000 Soldaten.