Frankreich verabschiedet sich vom Kassenbon

Die Franzosen zählen nicht gerade zu den Weltmeistern beim Reycling. Das soll sich nun Schritt für Schritt ändern. 16 Jahre nach Einführung des Einwegpfands in Deutschland diskutiert auch Frankreich über ein Rückgabesystem für Getränkeverpackungen. In einem Bereich sind die Franzosen den Deutschen allerdings einen Schritt voraus. Während in Deutschland die Kassenbonpflicht eingeführt wurde, wurde nun in Paris deren Aus besiegelt.

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Ein kleiner Schritt für einen Franzosen

Der Schritt in die Bon-freie Zeit ist allerdings eher ein kleiner. Denn schon jetzt nehmen es die Franzosen mit der Bonpflicht nicht so genau: Wer sein Baguette in einer Bäckerei kauft, bekommt in vielen Fällen keinen Kassenzettel. In Deutschland müssen Händler und Restaurants dagegen seit dem 1. Januar jedem Kunden einen Bon aushändigen. In Frankreich wurde nun ein Gesetzentwurf verabschiedet, danach sollen ab September Bons bis zu zehn Euro nicht mehr ausgedruckt werden – außer, der Kunde wünscht dies ausdrücklich. Ab 2021 fallen Kassenzettel bis zu 20 Euro weg, ab 2022 solche bis zu 30 Euro.

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Gesetz gegen „Verschwendung“

Das französische Gesetz gegen „Verschwendung“ sieht noch andere Maßnahmen zum Umweltschutz vor: Danach dürfen nicht verkäufliche Textilien und Hygieneartikel ab 2022 nicht mehr vernichtet werden, sondern müssen gespendet oder – im Fall von Textilien – recycelt werden. Zudem soll es ein neues Label für die „Reparierbarkeit“ von Fernsehern oder Handys geben. Damit will die Regierung verhindern, dass wie bisher 60 Prozent der defekten Elektro-Geräte auf dem Müll landen.

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Kampf gegen das Plastik

Auch gegen die sich häufenden Plastikberge geht Frankreich vor: Schnellrestaurants müssen spätestens ab 2023 wiederverwendbare Verpackungen und Besteck nutzen. Ein zunächst geplantes Pfand für Plastikflaschen wie in Deutschland wird es aber vorerst nicht geben.

#àcausedemacron – Die Choreografie zum Streik

Die Streiks in Frankreich gehen weiter – und oft auch brutaler. Allerdings gibt es auch Gruppen, die sich inzwischen sehr kreativ gegen die Rentenreform und den Präsidenten Emmanuel Macron stemmen. So gibt es nun einen Titelsong. „À cause de Macron“. Das Lied wird von Demonstrantinnen seit einiger Zeit als Flashmob während der Proteste aufgeführt.

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Frauen – die Verliererinnen der Reform

Dabei tragen sie blaue Overalls, gelbe Haushaltshandschuhe und ein rotes Tuch im Haar und singen sinngemäß „Wegen Macron werden wir die großen Verliererinnen sei.“ Bei dem eingängigen Song handelt es sich um eine Art Parodie des Hits „À cause des garçons“ aus dem Jahr 1987. Damals wurde er von dem Duo Laurence Heller and Hélène Bérard gesungen.

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Die Globalisierungskritiker von Attac und feministische Organisationen wollen mit dem Song anprangern, dass Frauen die großen Verliererinnen der Rentenreform von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron seien. „Wegen Macron stehen Mädchen stärker unter Druck als Jungen. Wegen Macron schreien wir RÉ-VO-LU-TION…“, heißt es etwa im Text.

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Die Outfits der singenden Demonstrantinnen sind angelehnt an die Kunstfigur „Rosie the Riveter“, die in den 1940er in den USA Frauen für kriegswichtige Betriebe anheuern sollte. Die meisten kennen „Rosie“ wohl von den berühmten „We can do it!“-Werbeplakaten. Die Interpretinnen von „À cause de Macron“ nennen sich Rosies und treten mittlerweile bei zahlreichen Demos gegen die Reformpläne auf. Für die Choreographie (zum Beispiel Fäuste nach vorne, dann rechts und links mit den Füßen in die Luft treten) gibt es im Netz ein Erklärvideo.

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Das derzeitige Rentensystem wirkt sich nachteilig für Frauen aus. Künftig soll die Berechnung der Rente anders erfolgen – jeder eingezahlte Euro soll zählen statt nur die besten 25 Jahre. Die Regierung hatte versprochen, dass Frauen die Gewinner des neuen Systems seien werden. Ob sich die neue Berechnung nachteilig auf Frauen auswirken wird, lässt sich derzeit noch schwer sagen – Experten sind sich uneins.

Jean Paul Gaultiers spektakulärer Abschied vom Laufsteg

Der legendäre Modemacher feiert in Paris seine letzte Haute-Couture-Schau. Ganz von der Bildfläche verschwinden wird er allerdings nicht.

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Die Welt wartet auf Madonna

Sie ist es! Wie eine Meute hungriger Wölfe stürzen sich die Fotografen auf die schwarze Limousine. Quälend langsam öffnet sich die Tür, Blitzlichtgewitter, Gedränge, Geschrei „Regardez! Look at me!“ – große Enttäuschung. Es ist nicht Madonna!

Die Pop-Ikone steigt auch nicht aus dem schwarzen Sarg, der zu Beginn der spektakulären Abschiedsschau des französischen Star-Designers Jean Paul Gaultier im Pariser Théâtre du Châtelet über die Bühne getragen wird. Zwei kegelförmige Brüste herausragen aus ihm heraus – eine Anspielung auf das legendäre Spitz-BH-Korsett, das der Modemacher einst für Madonna entworfen hatte. Beide waren damals auf dem Höhepunkt ihrer Karrieren. 30 Jahre sind seitdem vergangen und Jean Paul Gaultier hat nun überraschend beschlossen, einen Schlussstrich zu ziehen – zumindest beim Zirkus um die Haute-Couture-Modenschauen.
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Jean Paul Gaultier feiert sich selbst

Der Abschied in Paris im Rahmen der Fashionweek war ein Spiegel seiner Karriere: bombastisch-glamourös, frenetisch beklatscht von Stars und Sternchen. Zu seinem letzten Defilee am Mittwochabend wurde eine Art Musical aufgeführt, ein gigantisches Spektakel in mehreren Akten, bei dem der 67-Jährige seine berühmtesten Entwürfe der vergangene 50 Jahre Revue passieren ließ. Korsagen waren zu sehen, Matrosen-Looks, Mieder, Strapse und natürlich die legendären blau-weißen Streifen.

Viele seiner großen Musen liefen noch einmal über den Catwalk – Amanda Lear , Dita von Teese und auch die US-Popsängerin Beth Ditto und der österreichische Travestie-Künstler Conchita Wurst. Der Soundtrack zur Show stammte von Boy George, der zu Beginn das Lied „Back to Black“ von Amy Winehouse performte und auch das Finale einläutete.

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Gaultiers Bekenntnis zum Umweltschutz

Seine Karriere hatte Gaultier 1970 im Alter von 18 Jahren als Assistent des Designers Pierre Cardin begonnen. Dieser sagte der Nachrichtenagentur AFP: „Während ich bei meiner Mode schamhaft bin, ist er eher provokant.“ Das sei eben Gaultiers Stil und sein besonderes Talent.

Bei der Show bekannte sich Gaultier auch zum Umweltschutz: „Es gibt zu viele Kleider. Werft sie nicht weg, recyclet sie“, rief er seinem Publikum zu. „Weg mit dem Brandneuen, her mit dem Brandalten!“ Schon seine Mutter habe ihn als Kind damit beeindruckt, dass sie aus den alten Hosen seines Vaters Röcke geschneidert habe, erzählte Gaultier. „Man kann ein Kleidungsstück wieder lieben lernen, indem man es verändert.“

Viele Zuschauer waren nach der Schau den Tränen nahe, sie wussten, dass sie Zeugen vom Ende einer Ära geworden waren. Zusammen mit dem im vergangenen Jahr verstorbenen Karl Lagerfeld gehörte Jean Paul Gaultier zu den letzten großen Modeschöpfern einer längst vergangenen Epoche. Einer Zeit, in der Modedesigner Weltstars waren und mit ihren Kreationen Skandale provozierten.

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„Bitte nicht traurig sein“, rief der Designer nach der Show der Menge zu, die ihn mit Standing Ovations bejubelte. „Die Marke Gaultier wird es weiterhin geben, aber ohne mich. Ich mache etwas anderes, eine neue Revue oder neue Projekte, aber auf jeden Fall etwas, das mit Mode zu tun hat, etwas anderes kann ich auch gar nicht.“ In dieser Zeit der schnell wechselnden Moden hinterlässt Jean Paul Gaultier tiefe Spur – und der Büstenhalter von Madonna, witzelte der Modemacher beim Abschied, werde später wohl auf seinem Grabstein verewigt.

Paris – ein Laufsteg für Reiche, Schöne und Freaks

In Paris trifft sich in diesen Tagen bei den Haute-Couture-Schauen die Welt der Mode. Für Aufregung sorgt ein prominenter Abschied.

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Jahrmarkt der Eitelkeiten

Ganz Paris ist ein einziger Laufsteg. Pfauenartig gekleidete Mode-Freaks stolzieren in der milden Wintersonne über die Champs-Élysées, kichernde Models steigen in kleinen Gruppen vor Luxus-Boutiquen aus dunklen Limousinen und in der Nähe von teuren Nobelherbergen lauern Fotografen auf prominente Beute. Der Grund: im französischen Mekka der Modewelt haben die Haute-Couture-Schauen begonnen, gezeigt werden die neuen Kollektionen für Frühjahr/Sommer 2020. Manche Produzenten des schönen Scheins wurden in dieser Saison allerdings von der harten Realität eingeholt. Einige Modehäuser hatten mit den seit Dezember in Frankreich anhaltenden Proteste gegen die umstrittene Rentenreform zu kämpfen. Das Label Christophe Josse sah sich gezwungen, seine Show abzusagen – wegen streikbedingter Lieferschwierigkeiten hatte die Kollektion nicht rechtzeitig fertiggestellt werden können.

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Jean-Paul Gaultier sorgt für eine Überraschung

Für die größte Überraschung war allerdings gesorgt, bevor das erste Model den Laufsteg betreten hatten. Der französische Modemacher Jean-Paul Gaultier ließ am Freitag über den Kurznachrichtendienst Twitter eine Bombe platzen. Sich lässig auf einem Sofa räkelnd erklärte der Stardesigner, dass in Paris seine letzte Haute-Couture-Schau stattfinden werde. Mit dem Auftritt am Mittwoch im Théatre du Châtelet werde er das Ende seiner seit 50 Jahre andauernden Karriere feiern. Doch dieses Ende sei auch ein neuer Anfang. „Ich versichere, Gaultier Paris wird weitermachen. Die Haute Couture geht weiter. Ich habe ein neues Konzept.“ Darüber werde er aber erst später berichten, sagte der fröhlich-aufgekratzt wirkende 67-jährige Gaultier scherzend, während er sich mit Handküssen verabschiedet. Dieser Auftritt passte zu Gaultier, der im Laufe seiner Karriere mit vielen Tabus gebrochen und die französische Modewelt mit exzentrischen Kreationen auf den Kopf gestellt hat. Seine Haute-Couture-Kollektionen haben Modegeschichte geschrieben, im Parfümsegment brachte er einen Klassiker nach dem anderen auf den Markt.

Die Neuen stehen in den Startlöchern

Jean-Paul Gaultier ist nun also Vergangenheit, doch in Paris präsentiert sich auch die Zukunft. Dazu gehört, dass zum ersten Mal zwei Designer aus Afrika und Indien in den erlauchten Kreis von rund 30 Modemachern aufgenommen wurden, die ihre Ideen auf dem Laufsteg zeigen dürfen. Zur größten Überraschungen zählt der in der Öffentlichkeit praktisch unbekannte Imane Ayissi aus Kamerun. Unter Insidern zählt der 51-Jährige zu den besten Modemachern des frankophonen Westafrikas.

Imane Ayissi – neue Ideen aus Afrika

Ayissi, der seit 20 Jahren in Paris lebt, hat allerdings nicht als Designer begonnen. Zu Beginn seiner künstlerischen Karriere war er Tänzer im Nationalballett Kameruns. Doch schon damals sprengte er die Grenzen der Klassik, trat in Musikvideos auf oder lief als Model über den Laufsteg. Seit Anfang der 90er Jahre entwirft Ayissi Mode und versucht nach eigenen Worten, die hohe akademische Qualität französischer Haute-Couture mit der Kultur seiner Heimat zu vereinen. Wie viele der neuen Modemachter, setzt er auf nachhaltige Produktionsweisen. So verwendet er vor allem Stoffe, deren Rohmaterialien aus biologischem Anbau stammen.

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Zu den Vertretern einer nachhaltigen Mode zählt auch der Inder Rahul Mishra, der zwar schon mehrere Male in Paris war, doch zum ersten Mal seine Modelinie auf dem Laufsteg präsentieren kann. Er will nicht nur umweltgerecht produzieren, er sieht seine Aufgabe darin, den Menschen in seinem Land zu helfen. „Mein Ziel ist es, Arbeitsplätze aufzubauen“, erklärt Mishra. Dazu will er die Produktion in den Dörfern stärken. „Die Arbeit soll zu den Leuten kommen und nicht die Leute zur Arbeit.“

An den eigenen Ansprüchen gescheitert

Die Ansprüche der Modebranche an sich selbst verändern sich, doch wie schnell man an allzu hohen Erwartungen scheitern kann, zeigte in Paris die Haute-Couture-Schau von Dior.  Maria Grazia Chiuri, die Kreativdirektorin des Hauses Christian Dior, versprach dem Publikum eine Art feministischer Vision. „Was, wenn Frauen die Welt regierten?“, ließ sie auf einen der riesigen Wandteppiche sticken, die wie Prozessionsfahnen den Laufsteg zierten. „Gäbe es dann Gewalt?“ oder „Wäre die Erde dann geschützt?“ war auf anderen zu lesen.

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Mit der Installation war die US-Künstlerin und Feministin Judy Chicago beauftragt, aus den Lautsprechern drang Musik der Isländerin Björk. In Chiuris Kleider selbst aber spiegelte sich dieser feministisch-kämpferische Ansatz nicht wieder – im Gegenteil, sie waren eine Ode an die Weiblichkeit. In wehenden, bodenlangen Chiffonkleidern in Gold- und Metallic-Tönen sahen ihre Models aus wie griechische Göttinnen. Und entsprachen damit exakt dem Bild, das sich Männer seit vielen Tausend Jahren von Frauen machen.

„Made in France“ – Élysée zeigt original französische Produkte

Baguette und Wein – klar das ist typisch französisch. Doch wie wäre es mit einem künstlichen Herz, einer Zahnbürste aus Bioplastik oder Gewürzgurken? Frankreichs Wirtschaftsministerium hat 101 Produkte ausgewählt, die zu 100 Prozent in Frankreich produziert werden. Sie wurden am Wochenende in einer Ausstellung im Élyséepalast gezeigt.

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Frankreich ist eine Rad-Nation – dieses Teil ist zu 100 Prozent in Frankreich hergestellt. 

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Die Produkte repräsentieren die 101 Départments des Landes und sollen für die Innovationskraft Frankreichs stehen. Insgesamt gab es 1750 Bewerber. Zu den Gewinnern zählen nun etwa traditionelle Produkte wie eine Baskenmütze oder Ausgefallenes wie ein besonders schützender Feuerwehrhelm.

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Ein besonderer Helm für Feuerwehrleute – Made in France

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„In Frankreich (…) gibt es Unternehmen, die das traditionelle französische Know-how am Leben erhalten“, heißt es vom Élysée. Alle beschäftigten französische Mitarbeiter, produzierten mit französischen Materialien und reduzierten den ökologischen Fußabdruck durch kurze Lieferwege innerhalb des Landes. Für die Ausstellung mussten sich Interessierte vorher anmelden – die Plätze waren auf rund 10 000 begrenzt.

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Ausstellung in einem besonderen Ambiente. Die Besucher hatten auch die Gelegenheit, den Präsidentenpalast zu bestaunen. 

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Der Modemacher Jean-Paul Gaultier dankt ab

Mit ihm geht einer der ganz großen der Branche. Der französische Modemacher Jean-Paul Gaultier hat überraschend seine letzte Haute-Couture-Schau in Paris angekündigt. Die Schau am kommenden Mittwoch im Théatre du Châtelet werde seine letzte sein und 50 Jahre seiner Karriere feiern, sagte der berühmte Designer am Freitag in einem Video auf Twitter.

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Gaultier will mit neuem Konzept weitermachen

„Aber ich versichere, Gaultier Paris wird weitermachen. Die Haute Couture geht weiter. Ich habe ein neues Konzept.“ Darüber werde er aber erst später berichten, es werde weitergehen. „All die kleinen Geheimnisse“, so der 67-jährige Gaultier weiter scherzhaft, der in dem Video vorgibt, zu telefonieren, und sich mit Küssen verabschiedet.

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Gaultier hat Tabus gebrochen und die französische Modewelt mit exzentrischen Kreationen auf den Kopf gestellt. Der berühmte Modezar wurde er in Bagneux, einem Vorort südlich von Paris geboren und ist Autodidakt. Mit 18 Jahren schickte er den berühmtesten Modeschöpfern in Paris seine Skizzen zu. Der legendäre Modeschöpfer Pierre Cardin erkannte als erster sein Talent und engagierte ihn im Jahr 1970 als Assistent. Als 24-Jähriger stellte Gaultier seine eigene Linie vor und 1978, nur zwei Jahre später, gründete er sein nach ihm benanntes Modehaus. Seine Haute-Couture-Kollektionen haben Modegeschichte geschrieben, im Parfümsegment brachte er einen Klassiker nach dem anderen auf den Markt.

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Streikaktion vor dem Louvre erzürnt Touristen

Eine Streikaktion vor dem Pariser Louvre hat zahlreiche Touristen erzürnt: Dutzende Mitglieder der französischen Gewerkschaft CGT blockierten am Freitag den Haupteingang zu dem Museum an der Louvre-Pyramide und hinderten Besucher am Eintritt. Mit der Aktion protestierten sie gegen die Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron.

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Buh-Rufe für die Protestierer

Während einige französische Passanten applaudierten, reagierten viele Touristen mit Buh-Rufen. Ein Besucher aus Brüssel sagte, er sei mit dem Zug trotz der Bahn-Streiks in Frankreich extra für die große Sonderausstellung zum 500. Todestag von Leonardo da Vinci angereist.

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„Ich liebe Frankreich, aber das geht wirklich zu weit“, sagte eine Spanierin. „Ich verstehe nicht, warum die Polizei die Aktion nicht beendet.“ Ein Besucher aus China nannte den Protest „egoistisch“. Ein französischer Tourist rief wutentbrannt dazu auf, den Louvre zu stürmen. Der Appell verhallte jedoch. Allerdings waren einige der erbosten Besucher kurz davor, handgreiflich zu werden.

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„Den Louvre zu besuchen ist nicht lebenswichtig“, entgegnete einer der Demonstranten. „Wir verteidigen unsere Rechte , das ist viel wichtiger.“ Der Ort für die Protestaktion war kein Zufall: Vor der berühmten Louvre-Pyramide des US-chinesischen Architekten Ieoh Ming Pei hatte Präsident Macron 2017 seinen Triumph bei der Präsidentschaftswahl gefeiert.

Gourmet-Tempel von Bocuse verliert seinen dritten Stern

Dem legendären Restaurant des verstorbenen Erfinders der „Nouvelle Cuisine“ wird vom Guide Michelin ein Stern entzogen. Für manche Franzosen ist das so etwas wie eine nationale Katastrophe. 

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„Erschütterndes Urteil“ der Testesser

Eine französische Ikone ist vom Sockel gestürzt. Der Guide Michelin hat dem weltberühmten Restaurant „L’Auberge du Pont de Collonges“ nach 55 Jahren seinen dritten Stern entzogen. Zwei Jahre nach dem Tod des Jahrhundertkochs Paul Bocuse habe die Küche nicht mehr das Niveau wie zu Zeiten des legendären Chefs, heißt es zur Erklärung von Seiten des einflussreichen Restaurantführers, der am 27. Januar seine neuste Ausgabe präsentiert. Das degradierte Kochteam äußerte sich „erschüttert über das Urteil der Testesser“.

Seit Jahrzehnten lockt der Gourmettempel Feinschmecker aus der ganzen Welt nach Lyon ans Ufer der Saône, doch schon vor dem Tod des Vaters der „Nouvelle Cuisine“ wurde von Kritikern hinter der Hand gemunkelt, dass die Küche längst nicht mehr das einstige Drei-Sterne-Niveau erreiche. Das war wohl ein Grund, weshalb das legendäre Restaurant von den Testern zuletzt offensichtlich etwas genauer unter die Lupe genommen worden ist.

Paul Bocuse – Erfinder der Nouvelle Cuisine

Einfache Zubereitung, frische Zutaten, Regionalität war das lebenslange Credo von Paul Bocuse, dem sich nach dessen Tod mit 91 Jahren auch seine Erben verschrieben hatten. Bocuse war aber auch ein großer Showmaster, trug den Trikolore-Kragen und die hohe Kochmütze mit Stolz. Er war einer der ersten Köche, die den Mut hatten, aus der Küche zu kommen. Zum großen Restaurant gehörte für ihn das Zelebrieren von Essen und Trinken.

Doch die Nachfolger waren sich der Last des Rufes bewusst, hatten aber auch die Gefahr des Stillstands erkannt, wollten sich auf den Lorbeeren nicht ausruhen. Sie wussten, dass sich sich neuen Entwicklungen nicht verschließen konnten. „La tradition en mouvement“ (Tradition in Bewegung) laute deshalb der Leitspruch, hatte der neue Restaurant-Chef Vincent Le Roux noch vor einigen Tagen selbstbewusst erklärt. Und nun solch eine Niederlage!

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Allerdings müssen auch die Testesser nach ihrer spektakulären Einschätzung ziemlich viel Kritik einstecken. „Das ist eine völlig absurde Entscheidung“, ereifert sich der bekannte Gastro-Experte Périco Légasse im Interview bei „France Info“. Die Leute vom Guide Michelin wüssten nicht mehr, was gutes Essen ist.

Neuer Wind beim Guide Michelin

Seit einem Chefwechsel weht beim „Guide rouge“, wie die Feinschmeckerbibel des Reifenherstellers Michelin in Frankreich genannt wird, ein neuer Wind. Der neue Verantwortliche Gwendal Poullennec sagte einmal der Zeitung „Le Monde“, die Sterne gehörten nicht den „Chefs“, wie Spitzenköche in Frankreich genannt werden. Er verstehe die Emotionen des Teams, reagierte Poullennec nun. Doch zwei Sterne seien der aktuelle Wert des Hauses – zu diesem Ergebnis seien die Tester gekommen. „Michelin-Sterne werden nicht vererbt, man muss sie sich verdienen.“

Kritik am Guide Michelin

Das weckt natürlich auch Widerstand. Um die Bewertungen der Tester in Zweifel zu ziehen, wird inzwischen immer wieder das Beispiel des französischen Spitzenkoches Marc Veyrat ins Gedächtnis gerufen. Auch ihm hatte der Guide Michelin im vergangenen Jahr den dritten Stern aberkannt. Doch er wollte sich die Vertreibung aus dem kulinarischen Olymp nicht gefallen lassen und zog vor Gericht.

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Der exzentrische Koch wollte die genauen Gründe für den Entzug des Sterns wissen und verlangte, dass die Testprotokolle offengelegt werden. Außerdem hatte er einen symbolischen Euro Schadenersatz für entgangene Gewinne gefordert. Doch Marc Veyrat musste eine herbe Niederlage einstecken. Die Unabhängigkeit der Restaurantkritiker bei ihren Bewertungen sei durch das Recht auf Meinungsfreiheit garantiert, urteilten die Richter. Fazit: über guten Geschmack auch beim Essen kann also weiter gestritten werden.

Die lange Suche nach dem Mörder des kleinen Grégory

Frankreich sucht seit 35 Jahren den Mörder des kleinen Grégory. Nach dem Urteil eines Pariser Gerichtes muss der Fall nun neu bewertet werden.

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Eine Geschichte über Neid, Missgunst und Hass

Es ist eine schwärende Wunde, die schmerzhaft aufgerissen wird. Seit über 35 Jahren sucht Frankreich nach dem Mörder eines kleinen Jungen – ohne Erfolg. Die „Affaire Grégory“ erzählt nicht nur vom tragischen Tod eines Kindes. Sie ist auch die Geschichte von Neid, Missgunst und Rache und sie ist ein Beispiel für das klägliche Versagen der Justiz, die Sensationslust einer Gesellschaft und die fragwürdige Arbeit von Journalisten. Weil das Leben die spannendsten Drehbücher schreibt, hat Netflix aus dem Stoff eine kleine TV-Doku gemacht, die seit November ausgestrahlt wird.

Nun, nach dem Urteil eines Berufungsgerichtes in Paris am Donnerstag, muss der ungelöste Fall auch juristisch neu bewertet werden. Die damals minderjährige Murielle Bolle hatte in Polizeigewahrsam ausgesagt, ihr Schwager habe den vierjährigen Grégory Villemin getötet – das Gesagte kurz darauf aber wiederrufen. Das Gericht hat nun geurteilt, dass ein zentraler Teil ihrer Angaben wegen Ermittlungsfehlern aus den Akten gestrichen werden muss. Die Aussage von Murielle Bolle hatte damals tödliche Folgen. Der Vater des ermordeten Grégory erschießt den verdächtigen Schwager auf offener Straße.

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Die Familie wird seit Jahren bedroht

Diese Bluttat lockt schließlich die Sensationslustigen in Scharen nach Lépanges-sur-Vologne, einer kleinen Gemeinde in den Vogesen. Reporter aus dem fernen Paris berichten wie über eine fremde Welt auf einem exotischen Kontinent. Ausgegraben wird, dass die Familie Villemin schon über Jahre bedroht worden war. Nach der Tat erhielten sie einen handgeschriebenen Brief. Der Mord sei ein Racheakt gewesen, hieß es darin.

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Die Dorfbewohner verraten den Reportern, dass viele in der Gemeinde den Vater des kleinen Grégory um seinen Job als Vorarbeiter in einer Fabrik und den bescheidenen Wohlstand beneidet hätten. Seine Frau Christine wird von Verwandten als arrogant abgetan. Am Ende steht das halbe Dorf unter Mordverdacht, alle müssen Schriftproben abgeben. Doch das Augenmerk der Polizisten liegt schließlich auf der Mutter, die bei der Beerdigung ihres Sohnes vor unzähligen Fernsehkameras schluchzend zusammenbricht. Beweise für ihre Schuld gibt es aber keine.

Der Richter wird von dem Fall abgezogen

Wegen der vielen Ermittlungsfehler wird schließlich der zuständige Richter Jean-Michel Lambert von dem Fall abgezogen. Er ist damals Anfang 30 und schlicht überfordert. 33 Jahre danach verfasst Lambert einen Abschiedsbrief, in dem er schreibt, dass er sich nicht zum Sündenbock stempeln lassen wolle – und nimmt sich im Sommer 2017 das Leben.

Jetzt, nach dem Urteil des Berufungsgerichtes in Paris, erklärt der Anwalt von Grégorys erleichterten Eltern: „Die Ermittlungen werden fortgesetzt.“ Sie hoffen noch immer, dass der Mörder ihres Sohnes eines Tages gefunden wird.

Emmanuel Macrons großes Versagen

Frankreichs Präsident hat die Stimmung im Volk völlig falsch eingeschätzt. Seine Reform wird zum Reförmchen und die Quittung für sein Versagen wird es bald bekommen. 

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Demonstration in Paris gegen die Rentenreform von Emmanuel Macron

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Ein Volk aus vielen Helden

Der Streik in Frankreich kennt einen großen Helden: das Volk. Mit bewundernswerter Gelassenheit lassen die Franzosen dieses nicht enden wollende Elend über sich ergehen. Der seit Wochen bestreikte Nahverkehr stürzt die Pendler in Paris und anderen Städten jeden Tag von neuem ins Chaos, Fernzüge fahren nur sporadisch, viele vor allem kleine Unternehmen im Land leiden inzwischen unter den wirtschaftlichen Einbußen. Das Ende der Blockade ist auch jetzt noch nicht abzusehen.

Der Streik in Frankreich kennt aber auch einen großen Verlierer: Emmanuel Macron. Den Plan, das Rentensystem in Frankreich gerechter und vor allem auch finanzierbar zu machen, kann der Präsident längst nicht mehr halten. Am Schluss der Auseinandersetzung mit den Gewerkschaften wird von dem versprochen großen Wurf nur ein Reförmchen übrigbleiben. Unter dem Druck des Streiks zeigt sich die Regierung längst zu allerlei Ausnahmen bereit. Selbst das Renteneintrittsalter mit 64, so etwas wie der Heilige Gral dieser Reform, steht plötzlich zur Disposition. Denn Emmanuel Macron hat die Rechnung ohne die kampfbereiten Gewerkschaften gemacht. Zwar haben einige gemäßigte Organisationen bereits ihren Einigungswillen signalisiert, doch der harte Kern zeigt sich unnachgiebig und fordert noch immer, dass die gesamte Reform zurückgenommen wird. Noch ist nicht abzusehen, wie diese Kraftprobe ausgehen wird.

Die Renaissance der Gewerkschaften

Den Gewerkschaften hat der Arbeitskampf zu einer wahren Renaissance verholfen. Sie scheinen erleichtert, endlich wieder als Kämpfer für die Rechte der Arbeitnehmer öffentlich wahrgenommen zu werden und genießen die Auftritte vor den Fernsehkameras. Während der Proteste der Gelbwesten waren sie noch völlig abgemeldet. Das hatte allerdings zur Folge, dass sich die vielen, untereinander konkurrierenden Gewerkschaften beim aktuellen Streik in eine Art Überbieterwettkampf begeben haben – jede Organisation ging mit immer radikaleren Forderungen für ihre Klientel in die Verhandlungen.

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Unverständlich ist, wie Emmanuel Macron diese Gesamtsituation und vor allem die tiefe Unzufriedenheit seines Volkes unterschätzen konnte. Eigentlich hätte er durch die monatelangen sozialen Proteste der Gelbwesten gewarnt sein müssen. Offensichtlich glaubte der kühle Taktierer in Paris aber, dass die Streiklust der Menschen im Land inzwischen erschöpft sei und er es sich erlauben könne, mit der Brechstange soziale Veränderungen durchzusetzen, die tief in das Leben der Franzosen eingreifen. Der Präsident hat sich getäuscht.

Macron provoziert eine „convergence des luttes“

Was Macron provoziert hat, ist eine „convergence des luttes“, der Zusammenschluss verschiedener sozialer Kämpfe. Bei den Massenprotesten in Paris und anderen Städten gehen nicht nur gewerkschaftlich organisierte Eisenbahner auf die Straße. Auch das Krankenhauspersonal, Anwälte, Lehrer, Studenten oder Feuerwehrleute machen ihrer Frustration über die bisweilen unhaltbaren Arbeitszustände Luft.

Die inhaltlichen Unterschiede in der Protestfront werden dabei von der Wut der Streikenden auf Emmanuel Macron übertüncht. Diese bisweilen eher verwirrende Kakophonie in den Demonstrationszügen macht deutlich, dass die Reform des Rentensystems nur eines von sehr vielen fundamentalen Problemen ist, die es in Frankreich in den nächsten Jahren zu lösen gilt.

Der Protest erreicht alle Berufsgruppen

Eine solche Welle des Protestes über alle Berufsgruppen hinweg gab es zuletzt 1995, als der damalige Premierminister Alain Juppé im Auftrag des Präsidenten Jacques Chirac eine Rentenreform durchziehen sollte. 23 Tage dauerte damals der Streik, der das Land lähmte. Am Ende wurde die Reform abgeblasen und der Regierungschef musste seinen Hut nehmen.

Der aktuelle Streik in Frankreich dauert inzwischen fast doppelt so lange und es gilt als sicher, dass Emmanuel Macron auf die Quittung für sein Versagen nicht lange wird warten müssen. Im März finden in Frankreich Kommunalwahlen statt, sie gelten als entscheidender Test für die Präsidentenwahl in zwei Jahren.