2020 bisher wärmstes Jahr in Frankreich

Auf diesen Rekord hätte die Menschheit wohl verzichten können. In Frankreich war 2020 das wärmste Jahr seit Beginn der offiziellen Messungen im Jahr 1900. Im Durchschnitt wurden nach Angaben von Météo France im ganzen Land 14 Grad gemessen. Die Entwicklung sei ein Hinweis auf die Klimaerwärmung.

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Ein trauriger Rekord

Der bisherige „Rekordhalter“ war das Jahr 2018. Damals wurden „nur“ 13,9 Grad im Jahresmittel verzeichnet. Dieses außergewöhnliche Jahr sei ein weiterer Hinweis auf die globale Erwärmung. Der Rekord hatte sich bereits Mitte Dezember abgezeichnet. Denn trotz eines ziemlich kühlen Beginns war der Monat im Durchschnitt dann doch zu mild, sodass sich der Jahrestrend nicht umkehren konnte. In Frankreich wird seit dem Jahr 1900 die Temperatur aufgezeichnet.

Bei Météo France liest sich das dann so:

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«Le rafraîchissement de cette fin d’année n’aura rien changé. C’est désormais officiel : avec une valeur moyenne sur l’ensemble du pays atteignant 14°C, la température de l’année 2020 est la plus chaude jamais enregistrée, devant 2018 (13,9°C)»,

Météo France

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Viele Wetterextreme in Frankreich

Auch wurden von den Meteorologen während des gesamten Jahren mehrere extreme Wetterereignisse registriert. So fegten zu Beginn des Jahres mehrere sehr starke Stürme über Frankreich hinweg. Im Herbst kam es dann zu sehr starken Regenfällen. Außerdem wurden im Sommer zwei Hitzewellen registriert. Die eine dauerte vom 30. Juli bis 1. August, die zweite vom 6. bis 13. August. Nur die beiden Monate Juni und Oktober seien relativ nah an der Norm gewesen.

Die Experten bemerkten, dass in den 120 Jahren seit der Messung des nationalen Durchschnitts neun der zehn wärmsten Jahre im 21. Jahrhundert liegen – davon sieben im letzten Jahrzehnt. Diese Daten würden die globale Entwicklung widerspiegeln. Die Weltwetterorganisation schätzt, dass 2020 eines der drei heißesten Jahre aller Zeiten sein wird.

Hoffnung für 2021 – Jean-Michel Jarre gibt virtuelles Konzert in Notre-Dame

Das Jahr 2020 geht zu Ende – die Menschheit ist erleichtert, die vergangenen Monate hinter sich zu lassen. In Paris wird das neue Jahr auf eine ganz besondere Art begrüßt. Der Musiker Jean-Michel Jarre wird in der Kathedrale Notre-Dame ein Live-Konzert geben – zumindest fast live! Vertreten wird er durch einen Avatar.

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Der Künstler sprengt die Grenzen der Musik

Jean-Michel Jarre ist seit Jahrzehnten bekannt dafür, dass er nicht nur in der Musik Konventionen sprengt und sehr gerne Neues ausprobiert. Am 31. Dezember hat er wieder eine Überraschung für die Franzosen parat. In der vom Brand im April 2019 schwer gezeichneten Kathedrale Notre-Dame wird er ein Konzert geben. Das ist ein Symbol her Hoffnung, denn erst vor wenigen Wochen war klargeworden, dass das historische Gebäude vor dem Untergang gerettet werden kann. Zudem will der Musiker den Menschen Mut machen und dem Leben – trotz der Pandemie – die schönen und optimistischen Seiten abtrotzen.

Jean-Michel Jarre verspricht für den Abend Grandioses. Sein Avatar wird in einer dreidimensionalen Rekonstruktion im Kirchenschiff des gotischen Gotteshauses stehen und live Stücke aus dem neuen Album „Electronica“ spielt sowie seine bekanntesten Titel „Oxygène“ und „Equinoxe“ in überarbeiteter Version. Begleitet wird alles – wie immer bei solchen Auftritten des inzwischen 72-Jährigen – von einer ausgeklügelten Licht- und Laser-Show. Mit seinem ersten Konzert in Paris auf der Place de la Concorde zu Frankreichs Nationalfeiertag am 14. Juli 1979 spielte Jean-Michel Jarre vor über einer Million Zuschauer. Mit einer spektakulären Lichtschau zu den Millenniumsfeiern bespielte der Pionier der elektronischen Musik die Pyramiden von Gizeh.

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Ein Avatar im Kirchenschiff von Notre-Dame

Beim Silvesterkonzert in Notre-Dame werden die Live-Stücke vom Musiker selbst gespielt, der sich in einem Raum unweit der Kathedrale befinden wird. Rund 150 Menschen arbeiten seit Tagen daran, die Übertragung technisch möglich zu machen. „Welcome to the Other Side“ heißt das 45-minütige virtuelle Konzertereignis, das in Zusammenarbeit mit der Stadt Paris und der Unesco entstanden ist, deren „Botschafter des guten Willens“ Jarre schon seit 1993 ist.

Der atemberaubende Abend verspricht so ziemlich das Gegenteil der Konzerte zu werden, die vor dem Brand in der Kathedrale zu hören waren. Jean-Michel Jarre, der seit 1976 an seiner Musik und der Präsentation arbeitet, sagt dazu:

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« La réalité virtuelle est une nouvelle grammaire, un mode d’expression à part. Elle ne remplacera jamais les concerts, elle prendra une autre place dans le divertissement »

Jean-Michel Jarre

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An Geld herrscht kein Mangel

Die Idee wurde aus der Not geboren. Irgendwann in diesem Jahr stand fest, dass die Silvesterfeiern wegen der Corona-Pandemie nicht stattfinden können – doch ganz ausfallen lassen wollte man sie nicht. Ausgestattet mit einem sehr guten Budget, wurde der französische Weltstar angefragt. Erstmals trat Jarre als Avatar vor wenigen Monaten zur „Fête de la Musique“ am 21. Juni auf. Obwohl er nach eigenen Aussagen wegen des großen Zeitdrucks mit dem Ergebnis nicht vollends zufrieden war, war er doch „ziemlich beeindruck“ von der eigenen Show im Palais Royale in Paris.

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Eine Botschaft der Hoffnung

Allerdings musste Jean-Michel Jarre auch in diesem Fall einige Einschränkungen hinnehmen. Er hatte zunächst gehofft, die echte Fassade der Kathedrale mit Lichtprojektionen in die Show integrieren zu können. Doch das Versammlungsverbot machte diesem Gedanken ein schnelles Ende. Doch er entwickelte weiter seine Ideen, zumal ihm Notre-Dame die ideale Wahl schien, eine „Botschaft der Hoffnung“ in die Welt zu schicken. Jean-Michel Jarre: Die Kathedrale habe in der kollektiven Vorstellungskraft einen zentralen Platz. „Sie ist so geschwächt wie die Franzosen, aber auch so fähig wie sie, wiedergeboren zu werden.“

Das Event ist kostenlos und über die Social Media Plattformen Facebook und YouTube zugänglich sowie auf der Homepage der Stadt Paris und der Virtual-Reality-App VRChat. Direkt übertragen wird es unter anderem auch im französischen Radiosender „France Inter“ und auf dem Fernsehsender „BFMTV“.

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Frankreich Corona: Ein Land zerfällt in zwei Hälften

Frankreich glaubte, die Corona-Pandemie gut unter Kontrolle zu haben. Doch nun steigen in vielen Regionen die Infektionszahlen wieder steil an – und das Land ist dabei offensichtlich geteilt in zwei Hälften.

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Frankreich zerfällt angesichts der Corona-Zahlen in zwei Teile

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Die Corona-Zahlen steigen wieder steil an

Immer wieder kam der Vergleich mit Deutschland. Hatte der große Nachbar die erste Welle verhältnismäßig gut überstanden, kämpft Deutschland nun seit Wochen gegen die zweite Welle des Virus. Da in Frankreich früher die Einschränkungen eingeführt wurden, stand das Land nun besser da. Doch nun steigen auch in Frankreich wieder die Zahlen. Dabei zeigt sich Erstaunliches: während der Westen des Landes ziemlich unberührt bleibt, scheint im Osten die Entwicklung reichlich bedrohlich.   

Bourgogne Franche-Comté und Grand Est sind „die am stärksten betroffenen Regionen“, fasst Santé publique France in seinem neuesten epidemiologischen Update zusammen, das am 24. Dezember veröffentlicht wurde. Die Inzidenzrate (Anzahl der Fälle pro 100.000 Einwohner pro Woche) übersteigt vom 17. bis 23. Dezember die Marke von 250. Mehrere Fachleute und auch Bürgermeister in Grand Est sahen die Entwicklung kommen und forderten für Heiligabend strenge Ausgangsbeschränkungen – was die Regierung in Paris aber ablehnte. Man wolle den Franzosen wenigstens über die Feiertage die Gelegenheit geben, ihre Familien zu sehen.

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Vor allem der Osten ist betroffen

Der Epidemiologe Pascal Crepey führt mehrere mögliche Erklärungen für diese Entwicklung an. Vor allem im Grand Est könne die Nähe zur Grenze und die dadurch ermöglichten „Bevölkerungsströme“ ein Grund sein. Aber auch die Nachlässigkeit der Menschen, was die Hygieneregeln angeht. Aber auch Wetterfaktoren, insbesondere Luftfeuchtigkeit und Temperatur, könnten „einen Einfluss auf die Zirkulation des Virus haben“, sagte Pascal Crepey.

Eine Karte mit der Inzidenzrate von Frankreich gibt Aufschlüsse über die Verteilung der Neuinfektionen. Zu erkennen ist ein ausgedehnter Streifen, der sich vom Grand Est bis zur Côte d’Azur erstreckt und durch die Auvergne-Rhône-Alpes führt. Viele ländliche Départements in dieser Region, wie Nièvre, Yonne, Cantal oder Lozère, haben jetzt mehr als 200 Fälle pro 100.000 Einwohner pro Woche. Dies ist oft doppelt so viel wie Anfang Dezember. Das kann, so die Fachleute, nicht mit der steigenden Zahl von Test erklärt werden.

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Minister warnt vor drittem Lockdown

Wenn man nur Menschen ab 65 Jahren betrachten, liegt die Inzidenzrate in einigen Gemeinden, die weit entfernt von Großstädten liegen, sogar über 500. Das macht dem französischen Gesundheitsminister große Sorgen. Diese Entwicklung bei älteren Menschen „lässt die Befürchtung aufkommen, dass die Krankenhausaufenthalte in den kommenden Tagen zunehmen werden“, sagte Olivier Véran.

Deutlich wird also, dass die Epidemie nicht an den Stadtgrenzen endet und dass auch weniger besiedelte Gebiete mit weniger zahlreichen sozialen Interaktionen betroffen sein können. „Vielleicht treffen die Menschen weniger Vorsichtsmaßnahmen, wenn sie den Eindruck haben, dass das Virus, das seit langem mit Städten in Verbindung gebracht wird, weit entfernt ist“, vermutet der Epidemiologe Pascal Crepey.

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Nizza von Corona schwer getroffen

Von den Städten ist Nizza in diesen Tagen am stärksten betroffen. Die Inzidenzrate dort erreichte vom 17. bis 23. Dezember die Zahl von 365. Damit ist der Stand vom Höhepunkt der zweiten Welle Anfang November bereits fast erreicht. Bemerkenswert ist, dass diese Zahl im Moment sehr schnell ansteigt, obwohl in der Region keine massiven Screening-Operationen organisiert sind, die den Anstieg der Anzahl der identifizierten Fälle verstärken könnten.

Gesundheitsminister Veran warnte, dass es zu einem dritten Lockdown kommen könnte, wenn sich die Entwicklung fortsetzt. „Wir schließen niemals Maßnahmen aus, die zum Schutz der Bevölkerung erforderlich sein könnten. Das bedeutet nicht, dass wir uns entschieden haben, sondern dass wir die Situation Stunde für Stunde beobachten “, sagte Olivier Véran in einem Interview.

Vendée Globe: Kleine Weihnachtsfeier auf hoher See

Spannendes Rennen bei der Vendée Globe – trotz Flaute. Inzwischen ist der Deutsche Boris Herrmann bei der Regatta um die Welt auf Platz drei vorgerückt. Ein starkes Rennen liefert auch Isabelle Joschke. Die Französin mit deutschen Wurzeln liegt als beste Frau auf Platz acht.

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Kein Rennen für Rekorde

Rekorde werden bei der Vendée Globe dieses Mal keine gebrochen. Aufgrund von ungewöhnlichen Wind- und Wetterverhältnisse sind die Boote bei der neunten Austragung des Wettbewerbs bislang rund eine Woche langsamer unterwegs als bei der vorigen Auflage 2016/2017.  Allerdings ist das Rennen spannend wie selten zuvor. Interessant ist: das liegt vor allem auch daran, dass das Feld gerade ein Gebiet passiert, in dem praktisch Flaute herrscht.

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Boris Herrmann scheint mit den Bedingungen sehr gut zurechtzukommen. Der Hamburger lieferte sich nahe des 55. Breitengrads Süd an der Eisgrenze ein Bug-an-Bug-Rennen mit dem Franzosen Jean Le Cam auf seinem Schiff „Yes We Cam!“. Er konnte seinen Konkurrenten in Schach halten und sogar einige Meilen enteilen. „Das ist unglaublich! Ich bin nach halbem Weg um die Welt Dritter auf dem Tracker. Das hätte ich mir nie erträumt“, sagte Herrmann. Der Segler hat es sich an Bord über die Feiertage weihnachtlich eingerichtet. Er hat eine Lichterkette aufgehängt und ein kleines Teelicht sorgt für etwas Wärme. Seine Frau hatte ihm vor dem Start am 8. November eine kleine Box gepackt, die er an Heiligabend auspackte.

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Isabelle Joschke gut im Rennen

Auch Isabelle Joschke auf ihrer Yacht MACSF hatte sich für die Feiertage etwas Besonderes einfallen lassen: es gab Muschelrisotto. Während eines kurzen Gesprächs über Funk erinnert sie sich an die Angst, die sie vor dem Rennen und vor allem vor der Passage durch das Südpolarmeer hatte. „Es hat mich erschaudern lassen, wenn ich nur daran dachte.“ Doch nun empfinde sie eine große Freude. Sie habe es geschafft, ihre Ängste in Zuversicht umzuwandeln und fühle sich der Herausforderung gewachsen. „Ich fühle mich nun wohl“, sagt Isabelle Joschke.

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Die Strapazen der ersten Wochen

Die ersten Wochen hatten ihr und dem Feld körperlich und psychisch alles abverlangt. Der Atlantik präsentierte sich rau und die Seglerin musste mehrere kleine Reparaturen an ihrem Schiff erledigen. Doch zeigte sich dabei die große Routine der 43-Jährigen, deren Vater Deutscher ist und deren Mutter aus Südfrankreich stammt. Sie ist seit 18 Jahren als Profiseglerin unterwegs. Ein so schweres Rennen wie die Vendée Globe zeige, wie die Menschen ganz tief in ihrem Innern wirklich sind, sagt Isabelle Joschke.

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Noch ein langer Weg ans Ziel

Die Segler haben allerdings noch einen langen Weg vor sich, bis sie Mitte Januar wieder im Zielhafen Les Sables-d’Olonne in Frankreich ankommen. Das Feld der verbliebenen 27 von 33 gestarteten Yachten wird vom Franzosen Charlie Dalin auf „Apivia“ angeführt, der seinen Landsmann Yannick Bestaven im ungewöhnlich leichtwindigen Stillen Ozean über Nacht auf Platz zwei verwies. In der führenden Gruppe bleibt es spannend, denn die Boote auf den Plätzen drei bis zehn trennten am 47. Tag auf See auf Kurs Kap Hoorn insgesamt nur 90 Seemeilen.

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Von 33 Startern sind sechs bereits ausgeschieden, der Franzose Kevin Escoffier funkte nach einer schweren Havarie SOS und musste aus den hohen Wellen im Südatlantik von seinem Kollegen Jean Le Cam gerettet werden, auch von einem Mastbruch und mehreren gerissenen Segeln wurde berichtet sowie von einer Kollision mit einem Wal. Die Regatta um die Welt ist und bleibt, trotz des technischen Fortschritts, eine Höchstschwierigkeit.

Auch das gibt es: Neuer Weltrekord im Dauerfrieren

Menschen kommen auf seltsame Ideen. Eine davon ist, sich in einen Container voller Eiswürfel zu stellen. Gemacht hat das Romain Vandendorpe und dabei einen Weltrekord aufgestellt. Guter Nebeneffekt: mit der Aktion sammelte er Geld für eine Hilfsorganisation für Kinder mit Krebs.

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Über Stunden im Eiswürfelbad

Zwei Stunden, 35 Minuten und 43 Sekunden – so lange hat Romain Vandendorpe in dem Städtchen Wattrelos im Norden Frankreichs in seinem Eiswürfelbad am Ende ausgehalten. Jeder konnte dem Franzosen beim Frieren zusehen, denn er stand in einem Glascontainer, der bis zu seinen Schultern mit Eiswürfeln gefüllt war. Das Geld für den guten Zweck kam zusammen, indem jeder einen Euro für jede Minute geben konnte, die der 34-Jährige in den Eiswürfeln ausgehalten hat.

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Eine unbändige Leidensfähigkeit

So eine Leistung kann natürlich nur mit vorherigem Training vollbracht werden. Der neue Weltrekordhalter erklärte, er habe zwei Jahre lang unter anderem in einem mit Eiswasser gefüllten Whirlpool sowie in einem 500-Liter-Gefrierschrank trainiert. Wichtig sind – neben einer unbändigen Leidensfähigkeit – vor allem eine große Willenskraft und die Fähigkeit, sich in einen Trance-ähnlichen Zustand zu versetzen. Romain Vandendorpe erklärte, er habe sich die ganze Zeit in einem Zustand Tagträumen befunden. Am Ende war es allerdings kein Wimpernschlagfinale, was die Wertung des Rekordes angeht. Vandendorpe verbesserte den bisherigen Weltrekord um 40 Minuten.

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Der Winterbergtunnel birgt ein grausames Geheimnis

Privatleute haben in Frankreich einen lange gesuchten Tunnel entdeckt, in dem im Ersten Weltkrieg mehrere Hundert deutsche Soldaten jämmerlich erstickt sind. Nun gibt es Streit mit den Behörden um das weitere Vorgehen.

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Ein Foto des Winterbergtunnels aus der Zeit des Ersten Weltkrieges. Das Foto befindet sich in der Sammlung von Alain Malinowski.

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Die Natur als Leichentuch

Die Natur zeigt sich am Chemin des Dames von ihrer gnädigen Seite, sie hat ein grünes Leichentuch über die Gegend gelegt. Wiesen und Wälder bedecken die sanften Hügel, die mit dem Blut von vielen Zehntausend Menschen getränkt sind. Vor knapp über 100 Jahren war dieser heute so friedliche Ort die Hölle. Deutsche und französische Truppen hatten sich während des ersten Weltkrieges tief in die Landschaft gegraben und überschütteten die Gegenseite Tag und Nacht mit ihrem todbringenden Bombardement. Noch heute finden Bauern auf den Feldern beim Pflügen Ausrüstungsgegenstände oder auch menschliche Knochen, stumme Zeugen jenes menschenverachtenden Gemetzels.

Nach Jahrzehnten des Vergessens weckt die Gegend nun allerdings wieder große Begehrlichkeiten. Der Grund ist ein verschütteter Stollen, der sich auf halber Höhe über dem Dörfchen Craonne befinden soll und um den sich viele Mythen ranken. Experten vermuten darin eine militärhistorische Sensation. Der Grund: in der barbarschen Geschichte des Ersten Weltkrieges ist an jenem Flecken im Mai 1917 ein besonders grausames Kapitel geschrieben worden. Mehrere Hundert Männer des Reserve-Infanterie-Regiments 111 fanden, eingeschlossen im Winterbergtunnel, ein jämmerliches Ende ihres jungen Lebens.

Viele Soldaten stammen aus Baden

Viele der Soldaten stammten aus Baden und waren in Craonne eingesetzt, als die französische Armee am 4. Mai 1917 eine Offensive startete. Seit dem Morgen rollte die Angriffswelle, schweres Artilleriefeuer prasselte auf die Männer nieder, die sich in den Tunnel zurückgezogen hatten. „Der ganze Berg bebte, Sand regnete von der Decke, und trotz einer 20 Meter dicken Bodendecke glaubte man in jedem Moment, dass der Tunnel einstürzen würde“, schreibt ein Offizier in den Tagebüchern des Regiments. Kurz vor Mittag nahm die Katastrophe ihren Lauf. Eine schwere französische Granate traf den Eingang, dichter Rauch füllte den Stollen, eine Handvoll Männer schafften es nach draußen, doch weit über 200 Soldaten stürmten ins Innere des Tunnels, um sich in Sicherheit zu bringen – doch es war eine tödliche Falle.    

Die ersten Meter des Stollens waren eingestürzt, die Lüftungslöcher zugeschüttet. Einer von nur drei Überlebenden schildert den tagelangen Todeskampf der Eingeschlossenen. Wegen des ständigen Granatbeschusses konnte keine Hilfe zu ihnen gelangen, also versuchten sie sich mit bloßen Händen zu befreien. Doch der Sauerstoff wurde knapp und die Hitze unerträglich. In ihrer Todesangst begannen sich manche Männer selbst zu erschießen oder baten Kameraden darum, es zu tun. Die Sterbenden „riefen nach ihren Eltern, ihren Ehefrauen, ihren Kindern“, erzählte der gerettete Soldat.

Der Eingang war nicht mehr zu finden

Nach dem Krieg war den Eingang des Tunnels nicht mehr zu finden, obwohl immer wieder Versuche gestartet wurden, aber keine Kartenangabe passten mehr zur Landschaft, die Verwüstungen waren zu groß. So wurde der gesamte Hügel zu einem großen Friedhof. Nach offiziellen Angaben starben am Winterberg auf beiden Seiten jeweils 200.000 Menschen.

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Doch der grausame Tod der eingeschlossenen Männer des badischen Reserve-Infanterie-Regiments 111 ist nur eine Ebene der Geschichte, der zweite Teil beginnt in den Militärarchiven des Château de Vincennes in der Nähe von Paris. Dort kämpfte sich ein U-Bahn-Schaffner Anfang der 1980er Jahre in seiner Freizeit durch die schriftlichen Zeitzeugnisse, die es von der Schlacht am Winterbergtunnel noch gibt. Alain Malinowski ist in Orainville geboren, einer kleinen Gemeinde nördlich von Reims. Bis zum Winterberg sind es nur wenige Kilometer. Aufgewachsen zwischen Schlachtfeldern und Soldatenfriedhöfen, beginnt er schon als Kind durch die Umgebung zu streifen, immer auf der Suche nach Erinnerungsstücken aus dem Ersten Weltkrieg. Diese Leidenschaft lässt den heute 63-Jährigen nicht los und treibt ihn schließlich in die Archive.

Ein Hobby-Forscher auf der Suche

Dort entdeckt der Hobby-Forscher eine Dokumentenkiste, darin die Lagepläne eines fast 300 Meter langen Tunnels in der Nähe von Craonne, der den Soldaten als Unterstand und Munitionslager diente. Besessen von der Idee, den legendären Winterbergtunnel gefunden zu haben, machte Alain Malinowski sich vor Ort auf die Suche. Unzählige Misserfolge ließen ihn nicht verzweifeln, bis er sich schließlich nach fünfzehn Jahren am ersehnten Ziel sieht. Auf einer historischen Karte glaubte er eine Weggabelung erkennen zu können, die ihm als Anhaltspunkt diente, um den Eingang zu lokalisieren. „Ich konnte es fühlen. Ich wusste, dass ich nahe dran war, dass der Tunnel irgendwo unter meinen Füßen lag“, sagt Alain Malinowski. Im Jahr 2010 übergab er seine Erkenntnisse den französischen und deutschen Behörden. Deren Reaktion fiel allerdings ganz anders aus, als von ihm erhofft.

Anstatt sich sofort an die Ausgrabung zu machen, wurden weitere Untersuchungen angestellt. Zudem wird klar, dass die offiziellen Stellen die Arbeiten von Amateurforschern bisweilen eher kritisch beäugen. In ihren Augen gibt es zu viele schwarze Schafe, die vor allem auf den schnellen Ruhm oder das Geld durch den Verkauf von gefundenen Devotionalien aus sind. Andere meinen es gut, zerstören aber bei ihren unsachgemäßen Ausgrabungen mehr, als sie helfen.

Den toten Soldaten ein würdiges Grab geben

„Wir haben nichts falsch gemacht“, versichert Erik Malinowski. Er und sein Bruder Pierre sind schon vor Jahren von der großen Leidenschaft ihres Vaters für die Suche nach dem Winterbergtunnel angesteckt worden. „Unser Ziel ist es, die toten Soldaten zu bergen und ihnen ein würdiges Begräbnis zu geben.“ Sie verstehen das Zögern der offiziellen Stellen nicht, graben im vergangenen Winter schließlich auf eigene Faust und mit schwerem Gerät nach dem Tunneleingang – und werden fündig. Aus mehreren Meter Tiefe befördern sie eine Glocke und andere Dinge, die zum Eingang des Stollens gehören könnten. Danach verschließen sie das Loch wieder und informieren die Behörden –  die sind angesichts der nächtlichen und illegalen Aktion entsetzt.

In einer Mitteilung verurteilt der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK) die Grabungen. Dessen Generalsekretärin Daniela Schily erklärt: „Das Bemühen, die Toten zu suchen ist ehrenwert, doch die Durchführung der Aktion – ohne Beteiligung und Genehmigung der zuständigen Behörden – ist unangebracht, sogar kontraproduktiv. Selbst wenn historisch Interessierte denken, sie müssten aktiv werden, um die Toten zu bergen, können diese im schlimmsten Fall das Gegenteil bewirken, nämlich die Plünderung der Gräber.“ Der VDK hat in diesen Tagen, zusammen mit den französischen Partnerorganisationen, weitere geophysikalische Untersuchungen angestellt, um den Tunnel genauer zu lokalisieren. Die Ergebnisse werden in diesen Wochen ausgewertet.

Ungeduldige Hobby-Forscher

Die erste, unerlaubte Grabung hat allerdings gezeigt, dass es der Familie Malinowski schwerzufallen scheint, die nötigen Absprachen und das Einholen der erforderlichen Genehmigungen abzuwarten. Vor allem Pierre Malinowski genießt in den einschlägigen Kreisen den eher zweifelhaften Ruf, sich häufig nicht an die geltenden Regeln zu halten. Immer wieder gräbt er unerlaubt in der Gegend, um die Behörden erst danach von seinen Funden zu informieren. Aber auch er versichert immer wieder, dass es ihm nur um die armen Seelen gehe, die im Winterbergtunnel qualvoll ihr Leben gelassen haben. „Der Gedanke, dass sie dort sind, irgendwo verlassen, ohne Grab, das ertrage ich nicht“, sagt Pierre Malinowski. Er ist wild entschlossen, dem Winterbergtunnel sein grausiges Geheimnis nach 103 Jahren zu entlocken.

Zu viele Frauen in Führungspositionen – Paris muss Strafe bezahlen

Anne Hidalgo ist stolz auf eine Strafe. Die Bürgermeisterin von Paris hat im Jahr 2018 zu viele Führungsposten mit Frauen besetzt. Aus diesem Grund muss die Stadt nun 90.000 Euro berappen, das hat das Ministerium für den Öffentlichen Dienst beschlossen.

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Unterstützung aus den USA

Die Unterstützung für Anne Hidalgo kommt sogar aus den fernen USA. Hillary Clinton hat einen Bericht des britischen „Guardian“ auf ihrem Twitter-Account geteilt, in dem die Strafe für Anne Hidalgo thematisiert wurde. Mit großer Freude wurde der Clinton-Tweet von Hidalgo dann mit einem dicken Like versehen.

Publik gemacht hatte die Strafe Anne Hidalgo selbst. Während einer Sitzung des Stadtrates informierte sie die Mitglieder:

“Je vais me réjouir aujourd’hui que nous ayons été condamnés à une amende.”

Anne Hidalgo

Gesetzt ist nun einmal Gesetz

Viele glaubten an einen Witz, dem war aber nicht so. Ganz genau geht es darum, dass im Jahr 2018 exakt 69 Prozent der Führungsposten in Paris mit Frauen besetzt wurden – nur fünf Männer kamen zum Zug. In der Sitzung erklärte die Bürgermeisterin allerdings, dass sie in dieser Sache auch nicht zu Späßen aufgelegt sei. Die Strafe sei „offensichtlich absurd“ und außerdem ungerecht, unverantwortlich und gefährlich. „Wir müssen Frauen mit Entschlossenheit und Konsequenz fördern, denn der Rückstand ist überall in Frankreich noch sehr groß“, betonte die Bürgermeisterin.

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Eine „absurde“ Regelung

Besonders delikat wird sie Sache auch, dass die Strafe vom Ministerium für den Öffentlichen Dienst verhängt wurde. Die zuständige Ministerin Amélie de Montchalin stellte sich aber sofort auf die Seite von Hidalgo und sprach von einer „absurden“ Regelung. Die Sache der Frauen habe etwa Besseres verdient, schrieb sie auf Twitter.

Allerdings haben die Beamten im Amt rechtlich richtig gehandelt. Denn die Strafe geht auf ein Gesetz zurück, dass große Städte dazu verpflichtete, bei der Vergabe von Führungsposten mindestens 40 Prozent jedes Geschlechts zu berücksichtigen. Im Jahr 2019 wurde das Gesetz allerdings geändert und sieht Straffreiheit vor, wenn es insgesamt keine Ungleichheit bei den Führungsposten gibt. Die Strafe für die Stadt Paris bezieht sich aber auf die Ernennungen im Jahr 2018 und muss daher noch gezahlt werden.

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Das hat auch die zuständige Ministerin Amélie de Montchalin erkannt und forderte aus diesem Grund: „Ich möchte, dass die von Paris für 2018 gezahlte Strafe zur Finanzierung konkreter Maßnahmen zur Förderung von Frauen im öffentlichen Dienst verwendet wird.“ Nach Angaben aus der Stadtverwaltung sind bei der Stadt Paris derzeit knapp die Hälfte der leitenden Angestellten Frauen.

Le Havre: Leben in einem Gesamtkunstwerk

Die Hafenstadt Le Havre ist nach dem Krieg aus einem einzigartigen Konzept entstanden. Erst jetzt entwickelt sich ein gewisser Stolz bei den Einwohnern.

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Erst beim zweiten Mal Hinsehen wirklich schön. Nach dem Krieg wurde das völlig zerstörte Le Havre aus dem Nichts wieder aufgebaut. Das Konzept war revolutionär und zukunftsweisend.

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Beton – Beton – Beton

Le Havre hat einen schlechten Ruf. Das Wort „Beton“ schießt den meisten Franzosen beim Namen dieser Stadt durch den Kopf. Sehr viel Beton! Manche erinnern sich auch noch an das eigene Erstaunen, als sie im Geschichtsunterricht in der Schule gelernt haben, dass nicht die deutschen Besatzer, sondern befreundet alliierte Flugzeuge die Hafenstadt Anfang September 1944 in Schutt und Asche gelegt haben. Die nackten Zahlen lassen den Horror erahnen: innerhalb von Stunden starben bei den Luftangriffen damals 5000 Menschen, fast 13.000 Wohnungen wurden zerbombt, 80.000 Menschen waren über Nacht ohne Unterkunft. 133 Hektar Ruinen bedeckten bei Kriegsende das Stadtzentrum.

Das Schicksal der Zerstörungen teilte Le Havre mit einigen anderen französischen Städten. Doch in der Hafenmetropole an der Seine-Mündung entschied man sich für einen radikalen Neuanfang, ein noch nie dagewesenes städtebauliches und soziales Experiment. In Le Havre sollte die Stadt der Zukunft entstehen, wobei Beton tatsächlich eine Hauptrolle spielte – und damit wurde der schlechte Ruf der Stadt sprichwörtlich zementiert.

Eine Stadt mit überraschenden Ecken

Der Spott ließ nicht lange auf sich warten und schnell hatten sich im Rest von Frankreich die Vorureile festgesetzt. Immer wieder wurde die graue Unansehnlichkeit Le Havres betont, bis schließlich sogar die Einwohner selbst nichts Schönes an ihrer Stadt mehr fanden. Als „doppelte Zerstörung“ kritisierten es viele Franzosen. „Niemand war wirklich stolz darauf, hier zu wohnen“, sagt Adeline Fouquer. Doch Le Havre habe viele Überraschungen zu bieten und zum Beweis ihrer Worte lenkt die junge Stadtführerin ihren Schritt in die Kirche Saint-Joseph. Mächtig erhebt sich der achteckige, 106 Meter hohe Turm des Gotteshauses über die Stadt. Trutzig-grau von außen, wartet im Inneren auf den Besucher ein Farbenspektakel. Über 12.000 bunte Fenster wurden im offenen Turm verbaut und je nach Tageszeit taucht der Besucher beim Betreten des Gebäudes in ein atemberaubendes Meer von Blau, Grün, Rot, Gelb.

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In Le Havre wurde die Inneneinrichtung einer Wohnung mit den original Gegenständen nach gebaut.

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„Wer in Le Havre eine graue und langweilige Betonwüste erwartet, der unterschätzt die Genialität von Auguste Perret“, sagt Adeline Fouquer. Der Architekt wurde nach dem Krieg von der französischen Regierung mit dem radikal neuen Aufbau der Stadt beauftragt. Perret war ein berühmter, aber nicht unumstrittener Mann und seine Wahl bedeutete die radikale Abkehr vom bekannten Fachwerkidyll anderer normannischer Städte. Nichts sollte in der Hafenstadt an jene bürgerliche Enge früherer Jahrhunderte erinnern.  

Wie mit dem Lineal gezogen

Breite, wie mit dem Lineal gezogene Boulevards beherrschen heute Le Havre und öffnen die Stadt an allen Seiten großzügig gegen das Meer. „Die Avenue Foch ist mit 80 Metern etwas breiter als die Champs-Élysées in Paris“, erzählt Adeline Fouquer nicht ohne Stolz. „Damit sollten wohl die Besucher aus der Hauptstadt beeindruckt werden, die auf ihrem Weg vom Bahnhof zum Strand die 700 Meter lange Straße nehmen mussten.“ Heute gleitet fast lautlos die hochmoderne Straßenbahn den Boulevard hinunter, flankiert von einer  Baumallee und der Platz reicht auf beiden Seiten noch für breite Trottoirs und großzügige Radwege.

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In den Wohnungen des Architekten Perret dorminieren klaren Formen und der helle Innenraum

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Beton muss nicht nur grau sein

Ebenso radikal und zukunftsweisend ging Auguste Perret bei der Konstruktion der Häuser vor. Die Zeit drängte beim Aufbau, denn Zehntausende Menschen waren nach den Bombardements obdachlos. In dieser Situation machte der Architekt machte aus der Not eine Tugend. Da an Baumaterialien Mangel herrschte, ließ er den Schutt der Ruinen nach Farben trennen, dann zermahlen und fügte noch Farbpigmente hinzu. Aus diesem Beton baute er die Häuser, was den Gebäuden eine eigentümliche, gedeckte Farbigkeit verleiht. In den Beton mischte er manchmal auch noch Glassplitter, die in der Sonne glitzern. Und wer genau hinsieht, erkennt erstaunt, dass zwar gerade Linien gezogen wurden, aber keine Schmucklosigkeit herrscht, kein Bauhaus. Es zeigt sich immer wieder eine bescheidene Manieriertheit mit Säulen und unauffälligen Verzierungen an den Fassaden.

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Klare und moderne Strukturen

Die klaren, modernen Strukturen finden sich auch in den Wohnungen wieder. Sie sind in allen Gebäuden gleich strukturiert und orientieren sich an den Bedürfnissen einer Familie. Alles wurde von August Perret durchdacht, in den hellen Räumen, in denen sich die Menschen länger aufhalten, dringt Tageslicht durch die sehr großen Fenster. Das Wohnzimmer besitzt weite Türen und Schiebewände, um die verschiedenen Räume gegeneinander abzugrenzen oder miteinander zu verbinden. Und auch die Ausstattung war damals zukunftsweisend: alle Wohnungen besitzen Zentralheizung und in der Küche ist ein Müllschacht zu finden, der den Abfall zu einer zentralen Sammelstelle im Keller leitet. Vor einigen Jahren wurde von den Verantwortlichen in Le Havre eine Musterwohnung im Stil der fünfziger Jahre eingerichtet. Alles ist originalgetreu bis ins kleinste Detail wie Küchenmaschinen oder die Einrichtung der Kinderzimmer – und zeigt einen Sinneswandel im Umgang mit der eigenen Stadtgeschichte. Die Einzigartigkeit der Stadt wird hervorgehoben, die einst als Vision auf eine bessere Zukunft aus den Ruinen des Krieges erstand. Es wurde damit begonnen, die Gebäude zu renovieren, die über Jahrzehnte vernachlässigt worden waren und an denen der salzig-feuchte Seewind an der Substanz nagen konnte. „Bei den jungen Leuten gilt es längst als cool, in den Perret-Häusern zu wohnen“, sagt Adeline Fouquer und immer mehr Einwohner würden mit Stolz auf die eigene Stadt blicken. Schließlich sei das Leben in Le Havre wie das Leben wie in einem großen Gesamtkunstwerk.

Brexit: Erbitterter Kampf um den Hering

Kommt es zu einem No-Deal-Brexit, stehen viele französische Fischer vor dem Aus – doch die wollen das nicht so einfach hinnehmen. Unterdessen droht Großbritannien mit der Kriegsmarine.

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Die harte Arbeit der französischen Fischer

Kurz nach Mitternacht beginnt das Leben im Hafen von Boulogne-sur-Mer. Im grellen Licht der Scheinwerfer steuern Fischkutter langsam ins Basin Loubet und machen an der Kaimauer fest. Ohne lange zu warten, beginnen Männer mit zig-tausendmal geübten Griffen das Entladen des Fanges. Gabelstapler transportieren die großen Plastikkisten, randvoll mit Fisch und Eis, in die angrenzende Auktionshalle. Die meisten der Mannschaften waren viele Tage auf See, immer auf der Suche nach Kabeljau, Hering, Steinbutt, Makrele oder Kalmaren. Doch damit könnte bald Schluss sein, denn die besten Fanggründe der französischen Fischer liegen in britischem Gewässer. Wird bei den Brexit-Verhandlungen nicht noch in letzter Minute eine Einigung erzielt, sind diese Gebiete in Zukunft für die Trawler aus Boulogne-sur-Mer tabu.

Der Brexit zerrt an den Nerven der Männer

An den Nerven der Fischer zerrt, dass sie seit Monaten nicht erfahren, wie es nach dem 1. Januar weitergehen soll. Frankreichs Premierminister Jean Castex hat den Fischern erst kürzlich noch versichert, dass Paris ihre Interessen bei den Brexit-Verhandlungen „nicht als Verhandlungsmasse opfern“ werde. Doch viele der Männer haben den Glauben an solche Worte längst verloren. „Wir sind in derselben ungewissen Situation wie vor einem Jahr“, sagt Dominique Thomas. Er besitzt zwei Fangschiffe, die vor allem im Atlantik in der Keltischen See unterwegs sind, zwischen der Südküste Irlands und der Südwestküste von Wales. Der 55-Jährige kennt die Stimmung unter den Mannschaften, er ist Vorsitzender der Fischer-Kooperative Cobrenord, in der rund 180 Schiffe zusammengeschlossen sind. Deren Flotte ist zu 90 Prozent rund um Großbritannien unterwegs.

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Kein wichtiger Zweig der Wirtschaft

Angesichts des sehr geringen Anteils der Fischerei am Bruttoinlandsprodukt sowohl des Königreichs (geschätzte 0,1 Prozent) als auch der EU wundert die Härte der Auseinandersetzung. Allerdings hat die Fischerei sowohl in Großbritannien als auch Frankreich eine besondere politische Bedeutung, die weit über die einzelnen Zahlen hinausgeht. „Als unabhängiger Küstenstaat wollen wir die Kontrolle über unsere eigenen Gewässer haben“, zementierte der britische Außenminister Dominic Raab einst die Position des Königreichs. Es geht also vor allem auch um Symbole. Bei vielen Austrittsbefürwortern schwingt nach Einschätzung von EU-Diplomaten der Traum vom alten britischen Meeres-Empire mit.

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Kaum Spielraum für Kompromisse

Auf französischer Seite hat Präsident Emmanuel Macron wenig Spielraum für Kompromisse. Er richtet jetzt schon seinen Blick auf seine mögliche Wiederwahl im Jahr 2022. Allerdings dümpelt er seit Monaten in einem Umfragetief und liefert sich angesichts seines Reformkurses mit zahlreichen gesellschaftlichen Gruppen harte Auseinandersetzungen. Mit den Fischern will es sich der Staatschef nicht auch noch verscherzen, gelten sie doch wie Bauern als besonders hartnäckig und entschlossen. Zudem sind die Franzosen sind stolz auf ihre Agrar- und Meeresprodukte. Es sind keine leeren Drohungen, wenn französische Fischer immer wieder erklären, dass sie es nicht einfach hinnehmen würden, wenn britische Fische auf dem Mark verkauft würden, während die eigenen Schiffe im Hafen festsitzen.

„Es gibt keinen Plan B“

Ein großer Teil der französischen Fangflotte würde bei einem No-Deal-Brexit in Mitleidenschaft gezogen, sagte Jean-Luc Hall vom nationalen Fischereiverband. Fast die Hälfe der bretonischen Fischer wäre betroffen, zählt er auf, 30 Prozent in der Region Hauts-de-France und 20 Prozent der normannischen Fischer. Er befürchtet, dass es sich für viele nicht mehr lohnen würde, aufs Meer zu fahren. Rückendeckung bekommt Jean-Luc Hall vom Unternehmen Groupement les Mousquetaires, das die größte Fischtrawler-Flotte Frankreichs besitzt und nach eigenen Angaben 70 Prozent seiner Fänge in britischen Gewässern macht. „Die französische Fischerei kann nicht ohne Zugang zu diesen Gewässern überleben, es gibt keinen Plan B “, betont der Präsident Sylvain Pruvost. Er beschäftigt 250 Seeleute und betont, dass daran noch einmal über 1100 Arbeitsplätze in der Verarbeitung und im Vertrieb hängen.

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Die EU-Konkurrenz der französischen Fischer

Doch nicht nur ein möglicher No-Deal-Brexit bereitet den französischen Fischern großes Kopfzerbrechen. Sie fürchten auch, dass sich der Streit um Fischgründe nach dem 1. Januar 2021 in die französischen Gewässer verlagern könnte – dann nämlich, wenn Spanier, Niederländer oder Iren mangels Alternativen weiter südlich fischen. „Wenn sich der Zugang zu den britischen Gewässern schließt, werden alle Fischer aus der EU vor der französischen Küste aktiv“, glaubt Olivier Leprêtre vom regionalen Fischereiverband der Region Hauts-de-France. Er appelliert an die EU, allen Fischern dann nur noch Fangzüge in ihren jeweiligen nationalen Gewässern zu erlauben. Ansonsten drohe eine Überfischung der französischen Gewässer.

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Kanonenboot-Politik aus London

Die Einschränkung der Fanggründe hätte natürlich auch Folgen für die Verbraucher, unterstreicht Jean-Luc Hall. Über 90 Prozent des Seelachses und rund Dreiviertel der Heringe würden in britischen Gebieten gefangen. Es sei zu erwarten, dass diese Fische teurer werden, weil sie von den französischen Trawlern kaum mehr gefangen oder die britischen Produkte mit hohen Zöllen belegt würden, sagt der Vertreter des nationalen Fischereiverbandes. Aus London dringen derweil markige Worte und Großbritannien ist beim Verteidigen der eigenen Fischgründe rund um die Insel inzwischen bereit, eine reichlich archaisch anmutende Kanonenboot-Politik zu betreiben. London hält vier Kriegsschiffe der Royal Navy für den Schutz ihrer Gewässer im Fall eines No-Deal-Brexits bereit, wie das britische Verteidigungsministerium am Wochenende bestätigte. Die Patrouillenboote der Marine könnten neben anderen Aufgaben dazu eingesetzt werden, um EU-Fischerboote abzuwehren, sagte der Sprecher. Wenn nötig, auch rund um die Uhr.

Vendée Globe: Die schwere Last der Einsamkeit

Raue See bei der Vendée Globe. Wie der deutsche Segler Boris Herrmann erzählt, ist sein Rennboot schwer zu segeln, da Wind und Wellen bisweilen ungünstig zusammenspielen.

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Ausfälle bei der Vendée Globe

Das Rennen macht seinem Namen als schwerste Regatta der Welt auch in diesem Jahr wieder alle Ehre. Nach knapp über einem Drittel der Wegstrecke mussten bereits sechs der 32 Starter aufgeben. Der bisher letzte Ausfall ist Fabrice Amedeo. Der französische Segler hatte Probleme mit seinem Computer, ohne den sein Schiff nicht zu steuern ist. Bereits zu Beginn des Rennens gab sein erster Rechner den Geist auf, den er dann durch ein Ersatzgerät austauschte. Nun also ist dieses Ersatzgerät auch kaputt – und das Rennen für ihn am Kap der guten Hoffnung beendet. Besonders spektakulär war der Untergang des Bootes von Kevin Escoffier. Der Franzose lag an dritter Position und musste in einer waghalsigen Aktion von seinem Landsmann Jean Le Cam gerettet werden.

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Mehr Glück hatte bisher der Deutsche Boris Herrmann. Ihm ist eine wichtige Reparatur an seinem Boot geglückt. Dem Hamburger war am Freitagabend kurz vor Mitternacht im Indischen Ozean eine gebrochene Großsegellatte und ein kleiner Riss im Großsegel aufgefallen. Am frühen Samstagmorgen behob der 39-Jährige den Schaden. Herrmann musste eine Ersatzlatte zuschneiden und den Riss im Segel mit einem Kleber flicken. Das Großsegel, dass er dafür herunternehmen musste, ist mittlerweile wieder aufgerichtet und Herrmann wieder auf Kurs.

Die Last der Einsamkeit

Auf seinem Twitter-Account hat er bereits mehrfach betont, wie anstrengend das Rennen sei. Er sei sehr müde und habe es sich die physischen und auch psychischen Strapazen nicht so schlimm vorgestellt. Aber nach der erfolgreichen Reparatur machte er einen erleichterten Eindruck und erklärte, dass es jetzt an der Zeit sei aufzuräumen und die verlorenen Meilen aufzuholen. „Ich bin körperlich extrem erschöpft, dafür geht es mir psychisch besser. Das Ziel ist nun, den Abstand zur Spitzengruppe weiter zu verringern“, sagte Herrmann in einer Video-Konferenz am Freitag.

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Was dem Segler allerdings zu schaffen macht, ist die Einsamkeit. Das habe ihm während der vergangenen zehn anstrengenden Tage besonders zu schaffen gemacht, verrät er. „Man fühlt sich schlapp, ausgelaugt, müde und eben auch einsam“ sagt er und man dürfe gar nicht daran denken, was noch an Arbeit und langer, langer Strecke auf ihn zukomme.

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Freude über den Vogel-Besuch

Dann gesteht Boris Herrmann, dass er sich unter diesen Bedingungen sogar über die Vögel freue, die ihn auf seiner Fahrt begleiten. „Albatrosse sind seit Tagen immer in der Nähe von Sea Explorer. Und dann gibt es noch diese kleinen schwarzen Vögel, die sich manchmal auf meinem Boot ausruhen und von denen ich keine Ahnung habe, zu welcher Gattung sie gehören“, sagt der Hamburger.  

Herrmann liegt als Achter bei der Regatta einmal um die Welt sechs Seemeilen vor der Deutsch-Französin Isabelle Joschke. Der Rückstand auf Spitzenreiter Charlie Dalin (Frankreich) beträgt knapp 310 Seemeilen. Die Vendee Globe über 40.075 Kilometer (21.638 Seemeilen) und verlangt Mensch und Boot alles ab.