Frankreich droht der Stillstand

Die Gewerkschaften haben bei der Bahn zu einem landesweiten Streik am 5. Dezember aufgerufen. Die Regierung befürchtet eine Ausweitung der Proteste.

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Am 5. Dezember geht bei der SNCF nichts mehr. Die Gewerkschaft hat einen Streik angekündigt. Es geht gegen die geplanten Rentenreform der Regierung.

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Frankreich meiden am 5. Dezember

An dieser Stelle ein wichtiger Reisehinweis: Wer am 5. Dezember einen Kurzurlaub in Frankreich plant, der sollte besser umbuchen. Der Grund: die Angestellten der der französischen Bahn SNCF und der Pariser Verkehrsbetriebe RATP haben einen landesweiten Streik angekündigt. Inzwischen wird gemunkelt, dass sich auch andere Bereiche, wie etwa die Bediensteten der Autobahn-Mautstellen und Museen, dem Ausstand anschließen könnten.

Die  Bahn reagiert auf den Streik

Die Verantwortlichen bei der SNCF haben mit drastischen Mitteln auf den angekündigten Streik reagiert. Auf der Internetseite des Unternehmens sind für den Zeitraum vom 5. Dezember bis 8. Dezember für alle TGV inOui, OuiGo und Intercitys keine Tickets mehr zu buchen. Auch alle Reisen nach London wurden gestrichen. Für die Fahrten von Paris nach Stuttgart sind sogar vom 4. Dezember abends bis zum 10. Dezember morgens keine Buchungen möglich. Wer schon jetzt eine Fahrkarte für diesen Zeitraum besitzt, kann diese, nach Angaben der SNCF, kostenlos stornieren oder umtauschen. „Wir werden die Situation kommende Woche noch einmal analysieren“, erklärte SNCF-Chef Jean-Pierre Farandou, dann würden weitere Entscheidungen in Sachen Fahrplan getroffen. Man könne allerdings erst kurz vor Streikbeginn sagen, welche Züge tatsächlich fahren und welche nicht.

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Streik gegen die Rentenpläne der Regierung

Grund für den Streik sind die Rentenpläne der Regierung. Präsident Emmanuel Macron hat angekündigt, die fast 50 speziellen Rentensysteme in Frankreich zu einer einzigen Kasse zusammenfassen zu wollen. Die Eisenbahner sind davor besonders betroffen, da bei ihnen bis jetzt noch die großzügigsten Regelungen gelten. So können manche Mitarbeiter mit überdurchschnittlichen Bezügen schon mit 52 in den Ruhestand gehen. Die neuen Regelungen sollen zwar nur für Mitarbeiter gelten, die nach der angekündigten Rentenreform angestellt werden, doch die Gewerkschaften innerhalb der SNCF sind dennoch empört und zum Kampf entschlossen.

Die Regierung befürchtet, dass der Streik vom 5. Dezember nur der Vorbote für einen äußerst konfliktreichen Winter sein könnte. Schon einmal, im Jahr 1995 wollte die damalige Regierung des konservativen Premiers Alain Juppé das Rentensystem reformieren, musste nach wochenlangen Arbeitskämpfen die Pläne allerdings begraben.

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INFO-BOX zum Streik:

UMTAUSCH: Die ursprüngliche Fahrkarte kann nach Angaben der SNCF umgetauscht werden. Das heißt, man kann einen anderen Zug nehmen – sofern dort noch Plätze frei sind. Diese Regel gilt für alle Arten von Fahrkarten mit Gültigkeit während der Streikperiode.

ERSTATTUNG: Alle Fahrkarten können unabhängig vom jeweiligen Tarif, einschließlich „nicht umtauschfähig / nicht erstattungsfähig“, kostenlos erstattet werden. Bei Hin- und Rückfahrkarten werden Ihnen alle Fahrkarten erstattet, wenn man einen Teil der Reise nicht antreten kann.

VORGEHEN: Bahnfahrende können Ihre Tickets kostenlos an einem SNCF-Schalter oder unter der Nummer 0033 892 35 35 35 umtauschen oder stornieren. Wenn das Bahnticket kostenlos umtausch- oder erstattungsfähig ist, kann man die Reservierung vor der geplanten Abfahrt des Zuges direkt auf der SNCF-Website stornieren oder umtauschen.

AUSWIRKUNGEN: Wird die SNCF bestreikt, hat dies voraussichtlich auch Auswirkungen auf die internationalen Verbindungen von Thalys  (etwa Paris – Brüssel – Aachen – Köln – Essen) und TGV (Frankfurt – Paris, München/Stuttgart – Paris, Frankfurt – Lyon – Marseille).

Stromausfall in Paris

Und plötzlich ist es dunkel! In Teilen von Paris ist kurzzeitig der Strom ausgefallen. In den sozialen Netzwerken kursieren zahlreiche Videos von dem Vorfall – der allerdings nur wenige Sekunden dauerte.

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In einem kurzen Clip ist zu sehen, wie auf der weihnachtlich beleuchteten Prachtmeile Champs-Élysées plötzlich das Licht ausging. Nach wenigen Sekunden funkelten die festlich geschmückten Bäume wieder in rotem Licht, die Schaufenster waren wieder hell erleuchtet. Einige Nutzer schrieben, dass der Eiffelturm plötzlich zappenduster war.

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Es habe eine Panne in einem Umspannwerk im Westen der französischen Hauptstadt gegeben, teilte der Netzbetreiber RTE mit. Man habe die Stromversorgung in Paris und Umgebung aber schnell wieder herstellen können. In einigen Videos war ein grelles blaues Licht in dem Umspannwerk zu sehen – möglicherweise ein Kurzschluss. Es habe auch einen lauten Knall gegeben, so die Nutzer.

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Frankreich trauert um den ewigen Zweiten

Die Rad-Ikone Raymond Poulidor ist im Alter von 83 Jahren gestorben. Sein großes Schicksal war es, niemals die Tour de France zu gewinnen.

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Dem Radrennfahrer Raymond Poulidor wurde eine seltene Ehre zuteil. Nach ihm ist der Poulidor-Effekt benannt, wenn ein Verlierer sympathischer wirkt als der Gewinner. Der Franzose, der sein Schicksal des ewigen Zweiten mit großem Humor getragen hat, ist nun im Alter von 83 Jahren in seinem Wohnort Saint-Léonard-de-Noblat im Südwesten Frankreichs gestorben. Der Radprofi genoss in seiner Heimat einen besonderen Status und wurde von allen nur liebevoll „Poupou“ genannt. „Seine Heldentaten, seine Eleganz, sein Mut werden in unseren Erinnerungen verankert bleiben“, schrieb Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auf Twitter.

Ein Schicksal bewegt die Welt

Raymond Poulidors Schicksal bewegte die Radwelt, weil es dem sympathischen Ausnahmeathleten nie gelang, die Tour de France zu gewinnen. Er wurde drei Mal Zweiter und fünf Mal Dritter. Dafür gewann er in den 60er und 70er Jahren bei bekannten Radrennen wie Mailand-San Remo, Paris-Nizza und bei der Spanien-Rundfahrt. Er beendete seine Laufbahn, nachdem er 1976 im Alter von 40 Jahren Dritter bei der Tour de France geworden war.

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Fehlte der letzte Ehrgeiz?

„Vielleicht hat mir der letzte Ehrgeiz gefehlt, auch wenn ich bestimmt immer alles gegeben habe“, sagte Poulidor einmal. „Aber es hat mir auch gefallen, dass mich alle mochten. Die Fans und die anderen Fahrer.“ Wie populär der Ex-Rennfahrer noch immer war, zeigten etwa seine Auftritte am Rand von Radrennen, an denen sein Enkel, der Niederländer Mathieu van der Poel, am Start war, der ebenfalls eine erfolgversprechende Karriere vor sich hat. Wenn Raymond Poulidor auftauchte, wurde er umlagert von Fans, die nach Autogrammen fragten. Van der Poel verbreitete am Mittwoch auf Instagram ein Foto, das ihn an der Seite seines Großvaters zeigt. „Immer so stolz“, schrieb der 24-Jährige und fügte ein gebrochenes Herz hinzu.

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Eddy Merckx rühmt den Konkurrenten

Rad-Insider rätselten schon seit einigen Wochen über den Gesundheitszustand von Raymond Poulidor. Nun hieß es, er sei bereits Anfang Oktober wegen „großer Müdigkeit“ ins Krankenhaus eingeliefert worden, sein Zustand verschlechterte sich, die Klinik konnte er nicht mehr verlassen. „Er ist an diesem Morgen von uns gegangen“, sagte Gisele Poulidor am Mittwoch. Auch sein größter sportlicher Konkurrent zeigte sich bestürzt. Der Tod Raymond Poulidors sei „ein großer Verlust, ein großer Freund, der geht“, sagte Eddy Merckx.

Muslime in Frankreich – fremd im eigenen Land 

Die Diskussion über den Islam spaltet die Gesellschaft. Die rechtsextremen Parteien nutzen das Thema geschickt für ihre politischen Ziele.

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In Paris sind viele Muslime auf die Straße gegangen, um gegen die Islamophobie zu protestieren.

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Die Enttäuschung der Muslime

Frankreich diskutiert über den Islam – wieder einmal. „Ich bin es leid“, sagt Monique, „ständig müssen wir uns dafür rechtfertigen, dass wir hier leben.“ Die junge Frau reagiert auf das Thema überraschend empfindlich. Sie arbeitet bei einer kleinen Immobilienfirma im schicken 16. Arrondissement in Paris, lebt als Französin, fühlt sich als Französin, zieht sich an wie eine Französin – und muss sich aber immer wieder anhören, dass sie im Grunde keine Französin sein kann. Denn sie ist Muslima. Ihre Großeltern sind aus Algerien nach Frankreich gekommen, schon ihre Eltern sind in Paris geboren. „Aber das alles zählt nichts“, sagt Monique.

Das Klima verschlechtert sich

Nach den Terroranschlägen 2015 hat sich das Klima im Land dramatisch verschlechtert. In den vergangenen vier Jahren sind in Frankreich bei Attentaten durch radikale Islamisten mehr als 200 Menschen ums Leben gekommen. Nach jeder Tat beginnt die Diskussion von neuem. Dabei werden die immer wieder gleichen Themen miteinander vermengt: Islam, Zuwanderung, Radikalisierung. So auch nach dem jüngsten Anschlag Anfang Oktober in der Pariser Polizeipräfektur, bei dem ein muslimischer Mitarbeiter der Geheimdienste vier Kollegen tötete.

Die extreme Rechte schürt die Stimmung

Die extreme Rechte versucht diese Stimmung für sich auszunutzen und treibt das Spiel mit den Ängsten geschickt voran. So forderte im Regionalparlament von Dijon kurz nach den Morden in Paris ein Vertreter der rechtsextremen Rassemblement National eine Frau mit Kopftuch auf den Zuschauerrängen medienwirksam dazu auf, das Plenum zu verlassen. Sie war als Begleiterin einer Schulklasse im Parlament. In der aufgeheizten Stimmung wurde aus dieser Provokation eines Lokalpolitikers schnell ein landesweiter Skandal.

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Dass die Angst vor Überfremdung längst die Mitte der französischen Gesellschaft erreicht hat, zeigt eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ifop, der zufolge denken acht von zehn Franzosen, dass der Säkularismus in Gefahr sei. Sie sehen den Islam zunehmend als Bedrohung für den französischen Lebensstil – öffentlich sichtbar durch das Kopftuch, dem Symbol einer vermeintlich radikalen Religion.

In den sehr emotional geführten Diskussionen fällt immer wieder ein Wort: Laizismus. Dieser müsse verteidigt werden. Doch sei nicht allen klar, was dieser Begriff wirklich bedeute, sagt Nicolas Cadène von der „Laizismus-Beobachtungsstelle“ der französischen Regierung. In Frankreich herrscht seit dem Jahr 1905 offiziell die Trennung von Staat und Kirche. Anders als von einigen Seiten suggeriert, erklärt Cadène, gehe es in diesem Gesetz aber nicht um den Schutz einer „mythischen Identität“ einer weißen und katholischen Kultur.

Die Diskussion um den Islam dauert schon Jahrzehnte

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Die Anfänge dieser Diskussion um den Einfluss des Islam liegen schon Jahrzehnte zurück. Erste wirklich sichtbare Reaktion war, dass es vor 15 Jahren Schülern verboten wurde, in Klassenräumen „auffällige“ religiöse Symbole wie das Kopftuch zu tragen. Sieben Jahre später wurden Schleier, die das Gesicht bedecken, per Gesetz von öffentlichen Straßen verbannt. In beiden Fällen sind formell zwar auch andere Kleidungsstücke oder Symbole verboten. Es wurde aber nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass die Regelungen vor allem auf Muslime abzielen.

Inzwischen hat die Diskussion über den Islam eine neue Schärfe erreicht – und selbst die extremsten Positionen sind längst hoffähig geworden. So orakelte der sehr populäre französische Journalist Éric Zemmour jüngst auf einem Treffen der rechtsextremen Marion Maréchal, der Nichte von Marine Le Pen, nicht nur über den die „totalitären Islam“, der dabei sei, die Demokratie zu zerstören. Ziel seiner Attacken waren auch die Muslime im Allgemeinen, deren Plan der „Bevölkerungsaustausch“ und damit die Übernahme Macht in Frankreich sei.

Eine Demo gegen Islamophobie in Paris

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Viele Muslime wollen sich diese Ausgrenzung im eigenen Land nicht mehr bieten lassen. In diesen Tagen gingen in Paris Zehntausende auf die Straße, um für mehr Zusammenhalt in der Gesellschaft zu demonstrieren. Die meisten politischen Parteien sagten ihre Teilnahme allerdings in letzter Sekunde ab, da sich unter den Organisatoren des Marsches auch Gruppen befanden, deren Haltung zur Gewalt und zur Demokratie nicht ganz geklärt ist. Mit von der Partie waren schließlich auch radikale linke Organisationen und Gruppen, die das Existenzrecht Israels in Frage stellen. Für die rechtsextreme Marine Le Pen, Chefin der Rassemblement National, war dies natürlich ein gefundenes Fressen. Sie wies süffisant darauf hin, dass die Zusammensetzung des Marsches zeige, wer sich hinter dem freundlichen Gesicht des Islam in Wahrheit verberge.