1030 Jahre Kiewer Rus – ein Kirchen-Streit mit politischer Dimension

Großaufmarsch der Kirchenvertreter in Kiew. In Kiew – und auch in Moskau – haben zehntausende Menschen der Christianisierung des historischen Reichs der Kiewer Rus vor 1030 Jahren gedacht.

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Die Forderung nach Unabhängigkeit von Moskau

Angesichts des politischen Streits zwischen Russland und der Ukraine nutzte die Führung in Kiew das Jubiläum für die Forderung nach einer von Moskau losgelösten unabhängigen Landeskirche. „Die Autokephalie (kirchliche Unabhängigkeit) ist eine Frage der nationalen Sicherheit“, sagte Präsident Petro Poroschenko.

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Die Ukraine ist konfessionell vor allem zwischen dem Moskauer und dem in der orthodoxen Welt nicht anerkannten Kiewer Patriarchat gespalten. Die Russisch-Orthodoxe Kirche kritisiert die Pläne Kiews für eine unabhängige Kirche. Sie betrachtet die Ukraine als ihr kanonisches Territorium. Kiew hat den Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomeos I., um Anerkennung ersucht. Die Beziehungen zwischen Moskau und Kiew sind wegen der russischen Annexion der Schwarzmeerhalbinsel Krim 2014 und der anschließenden Unterstützung für ostukrainische Separatisten zerrüttet.

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In Moskau führten Präsident Wladimir Putin und der Russisch-Orthodoxe Patriarch Kirill eine Prozession von Zehntausenden Gläubigen zu einem Denkmal für Fürst Wladimir an. Fürst Wladimir hatte Ende des 10. Jahrhunderts von Kiew aus die Christianisierung seines Reiches eingeleitet. Putin bezeichnete die sogenannte Taufe der Rus als Ausgangspunkt für die russische Staatlichkeit. Kirchenoberhaupt Kirill betete zuvor bei einer Zeremonie im Kreml für Frieden in der Ukraine.

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Protest in Russland gegen die Rentenreform

Zehntausende Russen haben gegen eine umstrittene Erhöhung des Rentenalters demonstriert und den Rücktritt von Regierungschef Dmitri Medwedew gefordert. Gewerkschaften, die Kommunistische Partei und linke Gruppen mobilisierten ihre Anhänger in Dutzenden russischen Städten, darunter St. Petersburg, Jekaterinburg, Nowosibirsk und Wladiwostok. 

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Frauen sollen acht Jahre länger arbeiten

Die Regierung will das Rentenalter bis 2034 schrittweise anheben. Männer sollen statt wie bisher mit 60 künftig mit 65 Jahren in Rente gehen, Frauen sollen 8 Jahre länger arbeiten – bis 63.

Stand Januar 2018 leben in Russland rund 46 Millionen Rentner, das entspricht etwa 32 Prozent der Bevölkerung. Die Durchschnittsrente beträgt umgerechnet rund 200 Euro. „Man kann von der Rente leben, wenn man das Geld nur für Essen und die Wohnung ausgibt und einmal im halben Jahr etwas zum Anziehen kauft. Für mehr reicht es nicht“, sagte die Rentnerin Nadeschda (59) bei der Kundgebung in Moskau.

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Ein Schock für die Russen

Die Pläne hatten landesweit einen Schock ausgelöst. Viele hatten auf eine Rentenerhöhung gehofft, nun sollen sie länger arbeiten. Den unabhängigen Meinungsforschern vom Lewada-Zentrum zufolge lehnen rund 90 Prozent der Russen die Reform ab. Unmut hatte auch der Zeitpunkt gebracht: Die Regierung hatte die Pläne am 14. Juni im Schatten der Eröffnung der Fußball-Weltmeisterschaft mitgeteilt, als das ganze Land in Vorfreude auf das Turnier schwelgte. Kritiker sahen darin eine „Respektlosigkeit des Staates gegenüber dem Volk“.

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Gewerkschaftler brachten eine Online-Petition auf den Weg, die rund 2,9 Millionen Menschen (Stand Sonntag) unterzeichnet haben. Darin argumentieren sie, dass in Dutzenden Gebieten Russlands die Lebenserwartung für Männer unter 65 Jahren liege.

Niedrige Lebenserwartung in Russland

Im russischen Durchschnitt beträgt die Lebenserwartung für Männer etwa 67 und für Frauen rund 77 Jahre. In Deutschland, wo die Rente ab 2031 mit 67 Jahren beginnen soll, liegt die Lebenserwartung für Männer bei rund 78 und für Frauen bei rund 83 Jahren. Auch in Deutschland wird teils heftig über die Rente diskutiert, denn auf immer weniger Einzahler in die Rentenversicherung kommen immer mehr Rentner.

Welch soziale Sprengkraft das Projekt in Russland birgt, zeigen auch Auseinandersetzungen im Parlament. Während die Regierungspartei Geeintes Russland das Gesetz in erster Lesung fast geschlossen durchwinkte, formierte sich in der eigentlich als systemnah geltenden Opposition Widerstand. „Es ist schwierig, sich andere Entscheidungen der Staatsmacht vorzustellen, die eine derart einhellige Ablehnung auslösen“, kommentierte der Soziologe Denis Wolkow von Lewada.

Putin hält sich zurück

Nur einer hielt sich lange bedeckt zu dem unpopulären Projekt: Gut einen Monat dauerte es, bis sich Präsident Wladimir Putin äußerte. Ihm gefalle die Erhöhung des Eintrittsalters nicht, doch sie sei notwendig, sagte er. 1970 seien auf einen Rentner noch 3,7 Arbeiter gekommen, heute kämen „auf 5 Pensionäre 6 Arbeitnehmer, und deren Zahl wird sinken“, sagte Putin. „Dann wird das System platzen.“

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So stellte sich Putin demonstrativ hinter seine Regierung. Änderungen wurden zwar angekündigt, um die Sorgen der Bürger zu berücksichtigen. Reformgegner befürchten etwa, dass sie im Alter kaum einen Job finden oder aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten können.

Die Reform geht an Realität vorbei

Experten verweisen indes darauf, dass das Pensionsalter inzwischen ohnehin für viele nur Theorie ist. Nach Angaben der Statistikbehörde Rosstat arbeiten rund 40 Prozent der Männer zwischen 60 und 65 sowie der Frauen zwischen 55 und 63 Jahren trotz ihrer Pension weiter. So sei die Rente für Geringverdiener ein zweites Einkommen für einen würdigen Lebensstil, kommentiert die Zeitung „Wedomosti“.

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Für den Herbst, wenn weitere Abstimmungen über die Reform in der Duma anstehen, erwarten Experten neue Proteste. Doch nur wenige trauen dem Thema bei aller Brisanz zu, langfristig Massen zu mobilisieren. Der Soziologe Wolkow sagte, die schärfsten Kritiker kämen aus der alten Garde der Opposition. Und der vertrauten viele Russen nicht.

Aufstieg einer homophoben Stalin-Verehrerin

Karriere einer homophoben Stalinistin. Das Unterhaus des russischen Parlaments hat die homophobe Journalistin und Abgeordnete Jelena Jampolskaja zur neuen Vorsitzenden seines Kulturausschusses ernannt. Sie tritt Nachfolge des verstorbenen Filmemachers Stanislaw Goworuchin an.

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Geteilte Reaktion in Russland

Jampolskaja war als Kandidatin der regierenden Partei Einiges Russland von Präsident Wladimir Putin angetreten. Die Personalie rief geteilte Reaktionen in Russland hervor. In der Vergangenheit hatte Jampolskaja immer wieder mit umstrittenen Äußerungen auf sich aufmerksam gemacht.

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2007 schrieb die Journalistin in der Zeitung „Iswestija“: „Es gibt nur zwei Kräfte, die Russland vor dem Abgrund bewahren können. Die erste heißt Gott, die zweite Stalin.“ In einem anderen Text von 2011 hieß es: „Der Nationalismus ist die Antwort von Geist und Körper auf die erzwungene Ausradierung der Grenzen, auf die Globalisierung unserer privaten und sogar genetischen Sphäre.“

„СТАЛИН БЫЛ ПОСЛАН БОГОМ“,— СЧИТАЕТ НОВАЯ ГЛАВА КОМИТЕТА ПО КУЛЬТУРЕ ГОСДУМЫ

Jampolskaja, die der Duma seit 2016 angehört, machte sich dort für das umstrittene Gesetz gegen „Homosexuellen-Propaganda“ stark. Das seit 2013 geltende Gesetz stellt positive Äußerungen über Homosexualität in Anwesenheit von Minderjährigen oder im Internet unter Strafe. Bei Zuwiderhandlungen drohen Geldbußen und sogar Haft. Der russische Theaterregisseur Josif Reichelgaus nannte Jampolskajas Nominierung „grässlich“. Andere Kulturschaffende wie der Schriftsteller Sachar Prilepin begrüßten dagegen die Entscheidung. Der Vorsitz des Duma-Kulturausschusses war seit Goworuchins Tod im Juni vakant.

Steve Bannon nimmt Europa ins Visier

In den USA ist er von Präsident Donald Trump vom Hof gejagt worden. Nun will Steve Bannon sein unheilvolles politisches Wirken in Europa fortsetzen. Mit seiner neu gegründeten Organisation „Movement“ will er Einfluss auf die EU-Wahl im kommenden Jahr nehmen. Die EU-Politiker reagieren alarmiert.

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Bannon – die politische Abrissbirne

Eigentlich agiert Steve Bannon eher wie einer politische Abrissbirne. Doch um in Europa Fuß zu fassen, muss er erst einmal etwas aufbauen. Er ist offensichtlich dabei, eine schlagkräftige Organisation aufzubauen und stelle dafür schon Leute ein. Entstehen soll eine Plattform für die populistische und nationalistische Bewegung in Europa, die sich auf Themen wie Grenzschutz und Jobs konzentriere, sagt der Sprecher Raheem Kassam. Die Zentrale der Bewegung soll in Brüssel sein. Ganz bewusst sei die Wahl des Standorts gefallen. „Wir haben uns für Brüssel entschieden, da es das Herz der Europäischen Union ist – der schädlichsten Kraft gegen nationalstaatliche Demokratien im Westen derzeit.“ „Movement“ sei als Stiftung organisiert und erfüge über ein „signifikantes Budget“.

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Wer weiß, dass Kassam aus Großbritannien stammt vor allem als einer der wichtigsten früheren Mitarbeiter des Anti-EU-Aktivisten Nigel Farage bekannt ist, der kann erahnen, dass auch der Politik-Rentner und ehemalige UKIP-Vorsitzende mit von der Partie ist. Farage hat sich nach dem Brexit aus UKIP zurückgezogen, kommentiert die Weltpolitik allerdings weiter über Twitter. Auch Bannon ist im Grunde ein gescheiterter Politik-Berater. US-Präsident Trump ernannte ihn im Wahlkampf 2016 zu seinem Chefstrategen und nach dem Einzug ins Weiße Haus zum Chefberater. Später schied Bannon im Streit aus.

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Deutsche Parteien haben alarmiert auf die Pläne von Bannon reagiert. „Wir müssen jetzt kämpfen, mit guten Argumenten, selbstbewusst und wahrhaftig“, sagte Europastaatsminister Michael Roth (SPD) der „Welt“. Europa dürfe „keine Angst haben vor den nationalistischen Kampagnen, mit denen Herr Bannon meint, Europa in die Knie zwingen zu können“, sagte Roth. „Unsere Werte sind stärker als sein Hass und seine Lügen.“ Der CSU-Europapolitiker Florian Hahn sagte der Zeitung, Bannons Stiftungspläne in Europa seien „ernst zu nehmen“. Er forderte, sich „gegen jede unzulässige Wahlbeeinflussung von außen“ zu wehren.

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SPD-Parlamentsgeschäftsführer Carsten Schneider forderte, den „Populisten in ganz Europa“ müsse der Nährboden entzogen werden, indem die Probleme gelöst würden, die die Menschen wirklich umtrieben. Der Schlüssel dafür sei auf vielen Gebieten „die europäische Kooperation“. Er warnte: „Populismus und Nationalismus würden die EU ins Chaos stürzen“.

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Nicht ganz klar ist, was die AfD von den Plänen hält. Wohlwollend reagierte die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel. Sie bezeichnete Bannons Absichten in der „Welt“ als „sehr spannend und ambitioniert“. AfD-Chef Jörg Meuthen hatte eine Unterstützung seiner Partei durch Bannons Stiftung zuvor vehement abgelehnt. Einer Beratung durch den US-Amerikaner erteilte der AfD-Ko-Vorsitzende eine klare Absage: „Ein Coaching von außerhalb der EU brauchen wir grundsätzlich nicht.“
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Femen-Aktivistin tot in Paris aufgefunden

Eine Mitgründerin der Frauenrechtsgruppe Femen ist tot in ihrer Pariser Wohnung gefunden worden. Bei der Ukrainerin Oksana Schatschko wurde am Montag ein Abschiedsbrief gefunden, wie Femen-Aktivistinnen mitteilten.
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Trauer um Schatschko

„Wir trauern gemeinsam mit ihrer Familie und ihren Freunden“, schrieb Anna Guzol im Online-Netzwerk Facebook. Die Gruppe warte nun auf „die offizielle Version der Polizei“ zum Tod der 31-Jährigen.

Auf der Internetseite von Femen heißt es in einem offiziellen Statement: „Die furchtlose und verletzliche Oksana Schatschko hat uns verlassen. Wir trauern mit ihren Angehörigen und Freunden.“

Die Mitgründerin Huzol bestätigte gegenüber dem ukrainischen „Radio Free Europe“den Tod der Femen-Aktivistin. „Soweit ich weiß, war sie über alles besorgt, was in der Welt zurzeit schlecht läuft“, sagte Huzol dem Sender.

Guzol, Schatschko und zwei andere Aktivistinnen hatten Femen 2008 in der Ukraine gegründet. Nach Angaben der Gruppe war Schatschko eine von drei Femen-Mitstreiterinnen, die 2011 nach einem barbusigen Protest gegen den weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko von Sicherheitskräften entführt und misshandelt worden sein sollen.

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Leben im französischen Exil

Der Gruppe zufolge übergossen die Entführer die Frauen in einem Wald mit Öl und drohten, sie in Brand zu setzen. Die Gruppe gab an, Schatschko sei erneut entführt worden, als Russlands Präsident Wladimir Putin einmal zu Besuch in der Ukraine war. Nach Angaben ihres Anwalts wurde sie damals von Unbekannten krankenhausreif geschlagen. Schatschko verließ die Gruppe später und arbeitete bis zu ihrem Tod als Künstlerin.
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Seit 2013 lebte sie im französischen Exil. Bei ihren Protesten treten die Femen zumeist mit nacktem Oberkörper auf. Zunächst lehnten sie sich vor allem gegen Sexismus auf. Später richteten sich ihre Aktionen dann auch etwa gegen Russland Staatschef Putin oder die französische rechtspopulistische Partei Rassemblement National, die bis vor kurzem Front National hieß.

HIV wird in Osteuropa zur Epidemie

HIV-Infektionen sind in Deutschland kaum mehr ein Thema. In anderen Teilen der Welt, sind sie aber eine große Gefahr.
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Aktivisten haben auf die alarmierende Zunahme von neuen HIV-Infektionen in Osteuropa und Zentralasien hingewiesen. In dieser Region gebe es jährlich rund 190 000 neue HIV-Infizierte, davon 80 Prozent in Russland, erklärten die Sprecher von sechs Organisationen am Montag bei der Welt-Aids-Konferenz in Amsterdam. Nur eine Minderheit der Patienten habe Zugang zu Medikamenten. Die UN-Organisation Unaids spricht hingegen von 130 000 Infizierten.
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Osteuropa und Zentralasien ist nach Angaben der Vereinten Nationen die Region, in der die Epidemie am deutlichsten zunimmt. Die Sprecher von sechs Organisationen berichteten auch von Verfolgung und Diskriminierung von Homosexuellen und Drogenabhängigen. Daher würden sich diese auch oft nicht auf Aids testen lassen.
Die Entwicklung der Epidemie in Osteuropa ist eines der Hauptthemen auf der 22. Welt-Aids-Konferenz in Amsterdam. Rund 15 000 Experten aus über 160 Ländern beraten bis zum Freitag über den Kampf gegen die Epidemie.
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Der letzte Zar – für viele Russen ein Heiliger

Vor 100 Jahren wurden der letzte russische Zar und seine Familie ermordet. Für die Kirche ist er schon ein Heiliger, doch er wird auch politisch verklärt.
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Verehrung für die Zarenfamilie

Das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Kirill, hat in Jekaterinburg der Ermordung der Zarenfamilie vor 100 Jahren gedacht. Die Bluttat sei eine Mahnung zur Einheit, sagte der Patriarch zum Auftakt mehrtägiger Veranstaltungen der Agentur Tass zufolge. In der Nacht vom 16. auf den 17. Juli 1918 hatten die neuen kommunistischen Machthaber den gefangenen letzten Zaren Nikolaus II., seine Frau Alexandra Fjodorowna und ihre fünf Kinder erschossen.
„Das soll uns lehren, dass unser riesiger Vielvölkerstaat, unser Russland besonders am Frieden in einer Gesellschaft ohne Konflikte arbeiten muss“, sagte Kirill. Er leitete ein Gebet in der Kirche-auf-dem-Blut, die vor 15 Jahren an dem Tatort in der Stadt am Ural errichtet worden ist. „Die Verehrung der heiligen Märtyrer aus dem Zarenhaus hat in unserem gläubigen Volk rasch Wurzeln geschlagen“, sagte der Patrirach. Die russische Orthodoxie hat die Familie als Märtyrer heiliggesprochen. Zu den Gedenkfeiern werden etwa 100 000 Menschen erwartet.
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Die Kirche und ein angeschlossenes Museum in Jekaterinburg sind eine Pilgerstätte für Monarchisten. Sie sind in Russland zwar nur eine Randerscheinung. Aber die Verehrung des letzten Zaren gehört zur offiziellen Rückbesinnung auf russische und orthodoxe Werte.

Wegen seines Märtyrertods heilig gesprochen

Nach dem Ende der Sowjetunion hat die russisch-orthodoxe Kirche im Jahr 2000 den Zaren wegen seines Märtyrertods heilig gesprochen. Doch unter den Kuppeln der Blut-Kirche geht es um mehr als einen Heiligen. Die Kirche mit angeschlossenem Museum ist ein Wallfahrtsort für Monarchisten. Das ist zwar eine Randerscheinung der russischen Politik, doch im Verein mit der Amtskirche keine ganz unwichtige.
Russland wird unter Präsident Wladimir Putin absehbar eine Republik bleiben. Aber die Verklärung des ermordeten Zaren wird zugelassen. Sie gehört zur Rückbesinnung auf ein orthodoxes, eigenständiges und nicht mit dem Westen Europas verbundenes Russland. So weht neben der Kirche nicht die russische Trikolore, sondern die Flagge des verlorenen Zarenreichs: Schwarz-weiß-gelb mit Doppeladler.
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Das Bild der Historiker

Der Zar wird als mächtiger Mann verehrt, das deckt sich aber nicht mit dem Bild, das weltliche Historiker von dem letzten Zaren der Romanow-Dynastie haben. Für sie ist er eher eine tragische Figur der russischen Geschichte im 20. Jahrhundert.
Tatsache ist: Er war ein schwacher, zögerlicher Herrscher, dessen Reich sich rasch modernisierte, der aber starr an der Selbstherrschaft festhielt. In der Februarrevolution 1917 musste Nikolaus II. abdanken. Die Familie wurde nach Tobolsk in Sibirien verbannt. Mit der Oktoberrevolution 1917 fielen sie in die Hände ihrer ärgsten Gegner, der Bolschewiki um ihren Anführer Lenin. Die Gefangenen wurden nach Jekaterinburg verschleppt und im Haus des Ingenieurs Nikolai Ipatjew eingesperrt – und ermordet.

Der Zar musste sterben

Der Mord am Zaren war ein Zeichen brutaler Entschlossenheit der Bolschewiki in einer Situation, die für sie bedrohlich war. Sie fürchteten im Bürgerkrieg eine Befreiung der Familie durch weiße Truppen, die auf die rot regierte Stadt vorrückten.

Kämpferin gegen die Korruption in Rumänien entlassen

Der Kampf gegen die Korruption in Rumänien geht verloren. Die angesehene rumänische Antikorruptionsstaatsanwältin Laura Codruta Kövesi ist entlassen worden.

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Die Regierung gegen den Präsidenten

Damit wurde eine Anordnung des Obersten Gerichts von Rumänien umgesetzt, das Staatspräsident Klaus Iohannis angewiesen hatte, Kövesi wegen Vorwürfen zu feuern, sie erledige ihren Job nicht richtig. Diese Anordnung sei nun umgesetzt worden, teilte das Präsidialamt am Montag mit.

Justizminister Tudorel Toader hatte im Februar einen Bericht vorgelegt, in dem er Kövesis Entlassung forderte. Sie agiere autoritär, behaupte, dass Staatsanwälte Beweise fälschten, und sei der Meinung, dass es zu viele Freisprüche gebe, erklärte er damals. Zudem habe sie in Interviews mit ausländischen Medien dem Ruf Rumäniens geschadet.
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Kövesi wehrt sich – vergebens

Kövesi wies die Beschuldigungen stets zurück. Sie hat in ihrem Land und auch vonseiten der EU und den USA große Unterstützung für ihre Arbeit erhalten. Unter ihrer Führung wurden Abgeordnete, Minister und andere ranghohe Persönlichkeiten wegen Bestechung, Betrugs, Machtmissbrauchs und anderer Korruptionsdelikte erfolgreich strafrechtlich verfolgt. Besonders den regierenden Sozialdemokraten ist sie zu einem Dorn im Auge geworden. .

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Eingerahmt von anderen Staatsanwälten richtete Kövesi später wütende Worte in Richtung derjenigen Politiker, die momentan umstrittene Gesetze auf den Weg bringen, die es laut Kritikern schwerer machen werden, Bestechungsdelikte zu bestrafen. Diese Abgeordneten suchten „Schutz für die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft“, sagte Kövesi. Sie werde Staatsanwältin bleiben, aber nicht mehr für die Antikorruptionsbehörde arbeiten, erklärte sie – und schloss mit Worten, die sie an die rumänische Bevölkerung richtete: „Korruption kann besiegt werden, geben Sie nicht auf!“

Rumänien schwächt die Kämpfer gegen die Korruption

Rumänien wurde vor mehr als zehn Jahren Mitglied der EU – unter der Bedingung, den Rechtsstaat weiter zu stärken. Änderungen des Strafrechts für Amtsmissbrauch könnten nun den Kampf gegen Korruption erschweren. Eines der Opfer dieses Machtkampfes ist eine erfolgreiche Korruptionsermittlerin.

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Der Staatspräsident ist empört

Das rumänische Abgeordnetenhaus hat mit knapper Mehrheit Änderungen des Strafrechts beschlossen, die korruptionsverdächtigen Politikern zugute kommen. Staatspräsident Klaus Iohannis nannte den Akt „geradezu empörend“ und kündigte an, das Inkrafttreten mit allen Mitteln zu verhindern. Auch die EU-Kommission äußerte sich am Mittwoch besorgt und will einschreiten, falls EU-Recht verletzt wird.

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Die im Eiltempo beschlossenen Änderungen gehen auf eine Initiative der Regierungsparteien PSD (Sozialdemokraten)und ALDE (Liberale) zurück. Künftig soll Amtsmissbrauch nur noch strafbar sein, wenn er dem Täter oder dessen Familie einen persönlichen Vorteil verschafft. Kritikern zufolge ist damit der Begünstigung von Freunden einer Amtsperson Tür und Tor geöffnet.

Die Strafen werde deutlich gesenkt

Aktuell sei mit Freisprüchen in 215 Amtsmissbrauchsverfahren zu rechnen, allein aufgrund des neuen Gesetzes, sollte dieses in Kraft treten, warnte die Antikorruptionseinheit der Staatsanwaltschaft, DNA. Die Reform soll auch das Höchststrafmaß für Amtsmissbrauch um zwei Jahre auf fünf Jahre senken.

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Präsident Iohannis will umgehend das Verfassungsgericht einschalten, um das Gesetz zu stoppen. Allerdings ist das Verfassungsgericht mehrheitlich mit regierungsfreundlichen Richtern besetzt. Das Votum im Parlament stelle eine „Diktatur der Mehrheit“ dar, die der Demokratie zutiefst schade, sagte Iohannis. Auch die vor kurzem beschlossene Änderung der Strafprozessordnung will Iohannis vor dem Verfassungsgericht anfechten. Diese Gesetzesänderung schränkt die Macht der Staatsanwälte und die Nutzung von Beweismitteln erheblich ein.

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Der Staatschef muss unterzeichnen

In Rumänien tritt ein Gesetz erst mit der Unterschrift des Staatschefs in Kraft. Der Präsident kann vor der Unterschrift das Verfassungsgericht einschalten oder ein angenommenes Gesetz zur Neuprüfung an das Parlament zurückverweisen.

Die EU-Kommission erklärte in Brüssel, man sehe die Entwicklung in Rumänien mit wachsender Sorge. Der Kampf gegen Korruption und eine professionelle Justiz seien von größter Bedeutung. Man werde die endgültigen Gesetzestexte darauf prüfen, ob sie EU-Recht entsprechen. „Als Hüterin der Verträge werden wir nicht zögern, Maßnahmen zu ergreifen, um die Einhaltung sicherzustellen“, hieß es weiter.

NACHTRAG:

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Auf Druck der Regierung hat Rumäniens Staatspräsident Klaus Johannis die Chefin der Antikorruptionseinheit der Staatsanwalt (DNA), Laura Kövesi, entlassen. Johannis beugte sich damit einem Urteil der Verfassungsgerichts, welches besagte, dass der Staatschef sich dem Vorschlag der Regierung in dieser Personalfrage nicht widersetzen dürfe. „In einem Rechtsstaat müssen die Entscheidungen des Verfassungsgerichts respektiert werden“, sagte eine Sprecherin des Mitte-Rechts-Politikers Johannis.

Polens oberste Richterin stemmt sich gegen ihre Entlassung

Wenige Stunden vor ihrer geplanten Zwangspensionierung trotzt die Oberste Richterin Polens der Regierung und weigert sich, ihren Posten aufzugeben. Sie werde nicht den Hut nehmen, sagte Malgorzata Gersdorf dem Privatsender TVN24.

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In den Präsidentenpalast einbestellt

„Ich fühle mich als Präsidentin bis 2020.“ Gersdorf ist für den Dienstag ma Nachmittag in den Präsidentenpalast einbestellt, um ihre Entlassungsurkunde entgegenzunehmen. Vor Studenten an der Universität Warschau sprach sie von einer „Säuberung“ am Obersten Gericht durch die nationalkonservative Regierung.

Die EU-Kommission in Brüssel hatte am Montag wegen der umstrittenen Justizreform ein neues Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet. Es gehe darum, die „Unabhängigkeit des Obersten Gerichts zu schützen“, sagte Kommissionssprecher Margaritis Schinas. Das umstrittene Gesetz schickt 27 der mehr als 70 Richter ab Mittwoch in den Ruhestand. Sie sind älter als 65 Jahre; bisher lag die Altersgrenze bei 70 Jahren. 16 von ihnen haben Präsident Andrzej Duda aufgefordert, ihr Mandat zu verlängern. Er kann das Gesuch ohne Angabe von Gründen ablehnen. Einige der Richter wie Gersdorf haben bereits angekündigt, die Zwangspensionierung nicht zu akzeptieren und auf ihren Posten bleiben zu wollen.

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Teil der umstrittenen Justitzreform

Das bereits vom Parlament verabschiedete und von Duda unterzeichnete Gesetz zählt zu den umstrittenen Justizreformen, deretwegen die EU-Kommission seit 2016 gegen die Regierung in Warschau vorgeht. Die EU-Kommission kritisiert, die Reformen würden die Unabhängigkeit der Justiz beschneiden und die Gewaltenteilung untergraben. In dem erzwungenen früheren Ruhestand eines Teils der Richter sieht Brüssel eine rote Linie überschritten.

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Ungarn blockiert Sanktionen gegen Polen

Anfang 2016 leitete Brüssel erstmals in der EU-Geschichte ein Verfahren zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit ein, als Warschau die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts beschnitt. Im Dezember folgte dann ein Vertragsverletzungsverfahren wegen eines Gesetzes, das die Befugnisse des Justizministers bei der Besetzung von Richterposten ausweitet. Das Vertragsverletzungsverfahren kann zumindest theoretisch bis zum Entzug von Stimmrechten auf EU-Ebene führen. Das Votum darüber muss allerdings einstimmig fallen. Das ebenfalls rechtskonservativ regierte Ungarn hat bereits angekündigt, Sanktionen gegen Warschau nicht mitzutragen.

NACHTRAG:

Malgorzata Gersdorf erschien am Mittwoch gegen 08.15 Uhr zur Arbeit, obwohl sie seit Mitternacht formell im Ruhestand sein müsste. Im Fernsehen war zu sehen, wie sie den Obersten Gerichtshof betrat. „Meine Gegenwart hier hat nichts mit Politik zu tun. Ich bin hier, um die Rechtstaatlichkeit zu beschützen“, sagte Gersdorf umgeben von Unterstützern und Oppositionspolitikern am Gerichtseingang.
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Und so kommentiert das der Berliner Korrespondent des staatlichen Fernsehens. Er bezeichnet Malgorzata Gerdorf als „Schlampe“.

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