Polen fürchten um ihre Demokratie

Die Mehrheit der Polen sieht die Demokratie im eigenen Land gefährdet. Auf Facebook formiert sich bereits der Widerstand gegen die nationalkonservative Regierung.

15.11.30-umfrage-polen

Furcht um die Demokratie im Land

Die Umfrage ist eine Katastrophe für die Regierungspartei PiS. Die Mehrheit der Polen fürchtet um die Demokratie in ihrem Land. Nach einer in der Zeitung „Rzeczpospolita“ veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ibris sagen 55 Prozent, die Demokratie in Polen sei gefährdet, während 35 Prozent der Polen diese Sorge nicht teilen. Am geringsten sind die Bedenken unter den 18-24-Jährigen (44 Prozent), in allen älteren Altersklassen sieht mehr als die Hälfte der Befragten die Demokratie bedroht. Das Institut befragte 1100 Menschen.

Innerhalb von knapp zwei Wochen hat die neue Regierung offensichtlich wesentlichen Kredit in der Bevölkerung verspielt. Die Gründe liegen auf der Hand: die mit absoluter Mehrheit regierenden Nationalkonservativen regieren mit einer gewissen Selbstherrlichkeit. Unter anderem setzten sie bereits eine umstrittene Gesetzesänderung zum Verfassungsgericht durch. Menschenrechtler, Oppositionelle und hochrangige Juristen gehen angesichts dieser Vorgänge auf die Barrikaden. Sie sehen darin einen Angriff auf Justiz und Demokratie. Dieser Meinung scheint sich nun die Mehrheit des Volkes anzuschließen. Hier der Link zur Berichterstattung und der Umfrage

Protest auf Facebook

Inzwischen formiert sich bereits der Protest. Zehntausende Polen haben sich bei Facebook zu einer Bewegung gegen ihre Regierung zusammengeschlossen. Die Gruppe „Komitee zum Schutz der Demokratie“ (KOD) zählte zehn Tage nach der Gründung am Montag bereits fast 40 000 Mitglieder. „Wir wollen die Institutionen des demokratischen Staates schützen“, hatte Mateusz Kijowski, der Initiator der Bürgerbewegung dem Sender TVP Info gesagt. Kijowski zufolge soll die Bewegung mittels Protesten und offenen Briefen das Bewusstsein der Polen für die Vorgänge in der Politik schärfen. „Regierende und Politiker sollen wissen, dass sie von Bürgern kontrolliert werden“, sagte er. In mehreren Städten, darunter Warschau und Posen, soll es bereits Mitgliedertreffen gegeben haben

Die Ergebnisse des EU-Türkei-Gipfels

Auf dem ersten EU-Türkei-Gipfel seit elf Jahren haben beide Seiten einen gemeinsamen Aktionsplan zur Flüchtlingskrise in Kraft gesetzt. Dieser fordert die Türkei zu einem verstärkten Grenz- und Küstenschutz sowie zum Kampf gegen Schlepper auf, um die ungesteuerte Einwanderung in die EU zu stoppen. In der Erklärung des Gipfels wurden der Türkei eine Reihe von Zugeständnissen gemacht.

Ein Überblick:

15.11.30-gipfel-ergebisse

 Hier der Link zu den Gipfelergebnissen als pdf

Neues Beitrittskapitel

In den seit 2005 laufenden Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wurden bisher 14 von 35 sogenannter Verhandlungskapitel eröffnet, in denen die EU-Standards für eine Mitgliedschaft nach Themenbereichen festgelegt sind. Der Gipfel beschloss, zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder einen neuen Bereich anzugehen: Kapitel 17 über die Wirtschafts- und Währungspolitik soll am 14. Dezember eröffnet werden. Zur Kenntnis nehmen EU und Türkei, dass die EU-Kommission im ersten Quartal 2016 die Vorarbeiten zur Eröffnung „einer Reihe“ von weiteren Kapiteln abschließen will. Eine Vorentscheidung stelle dies aber nicht dar.

 Visa-Liberalisierung für Flüchtlingsrücknahme

Ein bereits vereinbartes Rückübernahme-Abkommen für Flüchtlinge soll im Juni 2016 vollständig in Kraft gesetzt werden. Damit könnte die EU Flüchtlinge aus Drittstaaten in die Türkei abschieben. Die EU-Kommission soll im Gegenzug im Herbst einen Fortschrittsbericht zur Visa-Liberalisierung vorlegen. Seien alle Voraussetzungen erfüllt, solle „spätestens im Oktober 2016“ im Schengen-Gebiet die Visumspflicht für türkische Bürger aufgehoben werden.

 Unterstützung für Flüchtlinge in der Türkei

Um rund 2,2 Millionen in der Türkei lebenden Flüchtlingen aus Syrien bessere Lebensperspektiven zu geben, wollen die Europäer „einen ersten Betrag von drei Milliarden Euro“ bereitstellen. Das Geld soll in konkrete Projekte wie den Bau von Schulen fließen. Offen ist die Finanzierung. Der Plan, dass die Mitgliedstaaten 2,5 Milliarden Euro aus ihren nationalen Kassen beisteuern, stößt weiter bei mehreren EU-Regierungen auf Widerstand. Mit der Frage sollen sich nun die EU-Finanzminister bei ihrem Treffen Anfang kommender Woche befassen.

 Umsiedlung von Flüchtlingen von der Türkei in die EU

Bei der möglichen Umsiedlung von Flüchtlingen aus der Türkei in die EU wird nur auf die „bestehenden Regelungen und Programme“ verwiesen – in der EU gibt es aus dem Sommer eine Vereinbarung zur Aufnahme von gut 20.000 Menschen insbesondere aus Nachbarstaaten Syriens. Vor dem Gipfel kam Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aber mit Kollegen mehrerer EU-Länder zusammen, um auch über einen Ausbau der legalen Migration zu sprechen. Um konkrete Aufnahmekontingente ging es Merkel zufolge noch nicht. Die EU-Kommission soll demnach bis zum EU-Gipfel am 17. Dezember Vorschläge unterbreiten.

Regelmäßige Gipfel

Beide Seiten einigen sich darauf, „dass regelmäßig – zweimal im Jahr – Gipfeltreffen“ stattfinden. Auch Dialog und Zusammenarbeit zu Außen- und Sicherheitspolitik sowie das Vorgehen gegen Terrorismus sollten verbessert werden. Hierzu soll es regelmäßig Treffen auf Ministerebene und mit der EU-Kommission geben. Ende 2016 sollen zudem Gespräche über einen Ausbau der Zollunion aufgenommen werden.

—————————————-

 ERGÄNZUNG:

Die EU-Kommission wird Anfang kommenden Jahres fünf Verhandlungskapitel für die Beitrittsgespräche mit der Türkei vorbereiten. Das sicherte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu nach dem EU-Türkei-Sondergipfel schriftlich zu.Am 14. Dezember soll – wie bereits vereinbart –  das Verhandlungskapitel 17 über Wirtschaft und Finanzen geöffnet werden.
Juncker sicherte nun zu, dass die Verhandlungsabschnitte 15 über Energie, 23 über Justiz, Grundrechte und Rechtstaatlichkeit, 24 über Justiz, Freiheit und Sicherheit, 26 über Ausbildung und Kultur und 31 über Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik vorbereitet werden.
Das Verhandlungsprogramm mit dem EU-Kandidatenland ist in 35 Abschnitte eingeteilt – erst ein Kapitel wurde vorläufig geschlossen.

Die EU macht sich lächerlich

ie Europäische Union und die Türkei wollen bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise künftig zusammenarbeiten. Die EU-Staats- und Regierungschefs sagten Ankara bei einem Sondergipfel am Sonntag in Brüssel drei Milliarden Euro für die Versorgung der mehr als zwei Millionen Flüchtlinge zu, zudem soll die Türkei ihre Grenzen künftig besser kontrollieren.

Ein Kommentar:

15.04.08-Erdogan

Die Glaubwürdigkeit verspielt

Die Europäische Union hat auf dem EU-Türkei-Gipfel ihre Glaubwürdigkeit endgültig verspielt. Brüssel schüttete einen Kessel von Wohltaten über Ankara aus. Seit Jahren verhandeln beide Seiten etwa über Visa-Freiheit, nun wird sie in Aussicht gestellt – und selten war die Türkei weiter weg, die Kriterien zu erfüllen als jetzt. In den Kurdengebieten herrscht inzwischen Krieg, die Presse- Und Meinungsfreiheit wird beschnitten, die Justiz ans Gängelband genommen und die Menschenrechte mit Füßen getreten.

Die Türkei soll das Problem lösen

Das alles ist der EU, die sich noch immer als herausragende Wertegemeinschaft in der Weltgemeinschaft sieht, nun aber egal. Das Ziel lautet inzwischen: die Türkei soll das Flüchtlingsproblem der EU lösen. Ratspräsident Donald Tusk sagte auf dem Treffen zwar, es gehe nicht darum, den Schutz der europäischen Balkangrenze auf die Türkei abzuladen. Das hört sich schön an, ist die typische EU-Rhetorik und ist nicht die Wahrheit. Angesichts der Flüchtlingswelle ist die Europäische Union bereit, sich mit dem Autokraten Recep Tayyip Erdogan einzulassen.

Die EU muss sich entscheiden. Entweder betreibt Brüssel entschieden und offen Realpolitik oder schwingt weiter die Moralkeule. Wer beides versucht, macht sich lächerlich.

Hier geht es zur Abschlusserklärung des Gipfels als pdf

Wir gehören dazu! Wirklich?

Eine Absage gibt es schon. Unter einem „Spiegel“-Artikel über die Teilnahme der AfD-Spitze am Bundespresseball ist zu lesen:

Hinweis: AfD-Co-Vorsitzender Meuthen weist daraufhin, dass die Pressestelle der Partei zwar für ihn eine Karte für den Bundespresseball besorgt habe, allerdings „ohne mein Zutun und Wissen“. Er werde nicht am Ball teilnehmen.

Am Tisch mit der „Lügenpresse“

Jörg Meuthen möchte sich also doch nicht gemein machen mit der inzwischen auf fast jeder Demo lautstark geschmähten „Lügenpresse“. Weniger Skrupel, sich im Hotel Adlon auf der großen Berliner Bühne zu präsentieren, haben aber offensichtlich die AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry und ihre neuer Lebensgefährte Marcus Pretzell, Chef des Landesverbands Nordrhein-Westfalen.

Die Botschaft, die von diesem Auftritt ausgehen soll ist klar: WIR GEHÖREN DAZU! Seit der Parteigründung werden die AfD-Mitglieder von den etablierten Parteien geschnitten. Das muss weh tun. Jetzt, wo die jüngsten Umfragen die Partei bei fast zehn Prozent verorten, möchten die Macher der AfD endlich auch mitspielen im Konzert der Wichtigen und Einflussreichen.

Sieg oder Kniefall?

In den einschlägigen rechtspopulistischen Kreisen stößt der Auftritt allerdings auf Kritik. Verlangt wird Distanz von dem immer wieder als System- oder Blockparteien verhöhnten politischen Establishment. Es lebt sich eben besser in polternder Opposition. Petry aber zeigt, wo sie hin will: in den Schoß der Macht, sie will nicht außen stehen bleiben, sie will dabei sein. Dafür schmeißt sie sich in Schale und schlürft gemeinsam mit den von ihr in Reden immer wieder geschmähten Politikern und Journalisten Schampus. Vielleicht wird Frauke Petry das als Triumph empfinden, andere interpretieren das als Kniefall.

Ein Schlag gegen die Pressefreiheit

Erdogan geht unbeirrt den Weg eines Autokraten und entfernt sein Land immer weiter von der Demokratie. Dieses Mal hat es die Pressefreiheit getroffen. Die Verhaftung von  zwei  kritischen  Journalisten ist ein Skandal.

Ein Kommentar:

15.11.27-Cumhuriyet

Auf Rang 149 – kurz vor Russland

Die Türkei steht auf der Rangliste der Pressefreiheit aktuell auf Platz 149 von 180 Staaten. Ankara spielt damit in einer Liga mit Russland (152) und Ägypten (158). Zu Recht! Die Verhaftungen der beiden Journalisten von „Cumhuriyet“ wegen „Spionage“ sind  ein Skandal. Offensichtlich ist, dass Präsident Recep Tayyip Erdogan zwei kritische Stimmen mundtot machen will. In der Vergangenheit hatte das Blatt immer wieder brisante Themen wie die grassierende Korruption in der Türkei oder auch die Armenier-Frage auf seine Titelseite gehoben. Das Vorgehen gegen „Cumhuriyet“ ist allerdings nur die Spitze des Eisberges. Polizeirazzien bei regierungskritischen Medien sind fast schon an der Tagesordnung, ebenso Angriffe auf Journalisten. Besonders besorgniserregend aber ist, dass in der Türkei immer mehr Medienkonzerne in den Händen weniger, regierungsnaher Unternehmer sind. Außerdem ist die willkürliche Zensur des Internets durch staatliche Stellen inzwischen zur Gewohnheit geworden.

Die EU darf nicht schweigen

Am Sonntag treffen sich EU und die Türkei zu einem Gipfel. Dort soll es zwar vor allem um die Flüchtlingsfrage gehen und Ankara wird eine Beschleunigung des Beitrittsprozesses fordern. Den kann es aber nur geben, wenn die Türkei alle Regeln einer Demokratie befolgt – einen Flüchtlings-Bonus darf es nicht geben.

Hier der Link zu Cumhuriyet

Eine kleine Presseschau zu Syrien

Die Vorgänge rund um den Bürgerkrieg in Syrien und den damit zusammenhängenden IS -Terror beschäftigen die europäischen Kommentatoren. Hier ein kleiner Überblick:

„Duma“ (Bulgarien)

„Das wichtigste Ergebnis vier Tage, nachdem die Türkei den russischen Kampfbomber Su-24 über syrischem Staatsgebiet abschoss, ist dass Ankara von den westlichen Staaten alleingelassen wurde, den Zwischenfall mit Russland zu klären. (…) Sollte das Ziel (des Abschusses) gewesen sein, Moskaus Militäroperation in Syrien zu behindern, wird dies nicht eintreten. Russland wird mit noch größerer Entschlossenheit weiter machen.

Sollte das Ziel gewesen sein, die Koalition gegen den Islamischen Staat (IS) zu vereiteln, die über Syriens Nachkriegsgestalt entscheiden wird, wird auch dies wohl nicht geschehen. Die Geschichte lehrt, dass wenn die Großmächte bedroht sind, sie taktische Bündnisse schaffen, um mit einer großen Bedrohung fertig zu werden. Trotz des Doppelgesichts der USA wird es auch jetzt so kommen.(…)(Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip) Erdogan hat allerdings mit einem Schlag die Türkei aus dem Spiel genommen.“

„Lidove noviny“ (Tschechien)

„Hollande hat in Moskau quasi die ganze Europäische Union vertreten. Vorbei sind die Zeiten, als er nach Moskau nur als Juniorpartner von Angela Merkel reiste – um deutlich zu machen, dass es in der EU zwei Lokomotiven gibt. Wenn es wie jetzt um den Kampf gegen die Dschihadisten geht, kommt Hollande auch allein mit Putin klar, wohingegen die Kanzlerin in die Rolle der Juniorpartnerin verdrängt wird. Hollande ist der erste westeuropäische Politiker, der vor dem Wort Krieg nicht zurückschreckt, und darin stimmt er mit Putin überein. Wie man sich diesen Krieg vorzustellen hat, fragt man lieber nicht.“

 „La Montagne-Centre France“ (Frankreich)

„Was hat François Hollande mit seinem (diplomatischen) Marathon erreicht? Erstens eine engere Zusammenarbeit der USA mit den französischen Kräften. Zweitens eine konsequente Hilfe Deutschlands in Syrien und in Mali. Drittens einen wahrscheinlichen Eintritt Großbritanniens in die westliche Koalition. Viertens eine Koordination mit Moskau und das Versprechen, dass die Luftangriffe nur dem IS gelten sollen. Aber wir haben verstanden dass die Welt noch nicht für die große Koalition bereit ist, von der Frankreich spricht.“

 „Sme“ (Slowakei)

„Die Nato-Verbündeten der Türkei wünschen sich keine Eskalation der Spannungen mit Russland. Beide Seiten des Streits (Russland und die Türkei) würden die Welt besser davon überzeugen können, dass auch sie keine Eskalation wollen, wenn sie ihre Propagandaschlacht beenden würden, die sie um den Flugzeugabschuss führen. Die Steigerung der gegenseitigen Angriffe, auch wenn sie nur für das jeweilige einheimische Publikum gedacht sind, wecken eine schlechte Vorahnung, dass das Risiko eines größeren Konflikts steigt.“

 „La Stampa“ (Italien)

„Der sogenannte Islamische Staat wurde anfangs von allen ein bisschen unterschätzt, einschließlich Präsident Obama, der die bloße Eindämmung als Ziel der internationalen Gemeinschaft bezeichnete. Stattdessen zeigt sich heute, dass sein brutaler Eintritt auf die Weltbühne, von Rakka bis Paris, zu einem beunruhigendem Faktor nicht nur von Chaos und Gewalt auf regionaler Ebene, sondern auch der globalen Destabilisierung wurde. Unter einem einfachen militärischen Gesichtspunkt erscheint das Phänomen absolut unverständlich (…) Eine Niederlage des IS dürfte eigentlich kein Problem für eine Koalition von 60 Ländern sein (…) Es ist beunruhigend, dass man sich mit einer sterilen Debatte über die mutmaßliche Alternative zwischen militärischer und politischer Antwort aufhält. Das irakische und das libysche Desaster sollten gezeigt haben, was es heißt, wenn es weder über die Lage noch über die politisch-strategischen Ziele eine klare Analyse gibt.“

 „Pravda“ (Slowakei)

 „Über alles Mögliche lässt sich polemisieren, aber dass der IS ein Sicherheitsrisiko für uns alle darstellt – was auch die UN-Resolution festhält, steht außer Frage. Für den Westen sind aber zwei Fragen offen: Die kleinere lautet: Was ist mit (dem russischen Präsidenten Wladimir) Putin? Gut, wir können uns vorstellen, dass es mit Russland eine Art Vereinbarung gibt, wenigstens auf der Ebene des Informationsaustausches gemeinsam gegen den IS vorzugehen. Aber es bleibt noch das zweite Problem: Wie soll denn ein Sieg (gegen den IS) aussehen? Luftangriffe schöpfen nämlich nicht die Definition im UN-Sicherheitsratsbeschluss aus, „alle notwendigen Schritte“ zur Bekämpfung des IS zu setzen. Nicht einmal annähernd.“

„Nesawissimaja Gaseta“ (Russland)

„Die Außenpolitik des Westens wird in Russland oft als Politik der Doppelmoral bewertet, prinzipienlos und konjunkturgeleitet. Aber die Geschichte mit der Türkei zeigt, dass sich auch die russische Politik durch Prinzipienlosigkeit auszeichnet, offiziell dargestellt als Pragmatismus. Die einzige stringente Linie, die Russland durchhält, ist die Opposition zu den USA und zum Westen als Ganzem.“

„Guardian“ (Großbritannien)

„Ohne Plan, werden Kritiker sagen, ist militärisches Handeln alleine wenig sinnvoll, und kann die Dinge schlimmer machen. Im Irak und in Afghanistan gab es entweder keinen Plan oder einen schlechten Plan, und beide leiden noch unter den Folgen, von denen eine die Entstehung des IS ist. Syrien ist anders als diese beiden Länder. Es ist viel schlimmer. Im Irak und in Afghanistan wussten manche früh, was zu tun gewesen wäre, aber wurden von ignoranten Politikern und engstirnigen Soldaten nicht angehört. (…) Wenn es heute Hellseher gibt, die genau wissen, was in Syrien zu tun ist, dann sind sie nicht besonders gut sichtbar.“

Das Ende der Pressefreiheit in der Türkei

In der Türkei werden Journalisten eingesperrt, wenn sie ihre Arbeit gut machen. Zwei regierungskritische Redakteure sind wegen Spionage angeklagt und inhaftiert worden.

15.11.26-Dündar

Spionage und Staatsgeheimnisse

Doch was haben die beiden getan? Dem Chefredakteur der oppositionellen Zeitung „Cumhuriyet“, Can Dündar, und seinem Büroleiter in Ankara, Erdem Gül, werden „Spionage“ und die „Verbreitung von Staatsgeheimnissen“ zur Last gelegt. Das berichten türkische Medien.

Der Präsident hat ein sehr grundsätzliches Problem mit der Zeitung. Sie ist auf striktem Oppositionskurs zur islamisch-konservativen Regierung unter Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Erdogan hatte im Mai Anzeige gegen „Cumhuriyet“ erstattet, weil die Zeitung Fotos von der Durchsuchung eines angeblich für die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien bestimmten Waffenkonvois des türkischen Geheimdienstes MIT im Januar 2014 veröffentlicht hatte. Kritiker warfen der türkischen Regierung damals vor, nicht entschieden genug gegen die Dschihadisten vorzugehen oder diese sogar im Kampf gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad mit Waffen zu unterstützen.

Büros durchsucht

Nach der Veröffentlichung des Berichts zu der angeblichen Waffenlieferung wurden Ende Oktober die Büros von „Cumhuriyet“ in Istanbul und Ankara durchsucht. Erdogan wies den Bericht des Blattes entschieden zurück und kündigte an, Dündar werde „einen hohen Preis zahlen“. Der Chefredakteur sagte nun vor Beginn der Gerichtsverhandlung in Istanbul, das Vorgehen der Justiz sei für ihn und seinen Kollegen eine „Ehrenmedaille“.

„Cumhuriyet“ wurde vergangene Woche von der Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen als Medium des Jahres ausgezeichnet. Dündar und Gül würden aus „politischen Gründen verfolgt“, erklärte die Organisation. Dies sei ein weiterer Beleg für das Bestreben der türkischen Staatsführung, „den unabhängigen Journalismus auszulöschen“. Der Regierung in Ankara werden seit Jahren immer wieder Angriffe auf die Pressefreiheit vorgeworfen.

Kaczynski wie in alten Zeiten

Jaroslaw Kaczynski hat sich keinen Deut geändert. Er macht Politik wie vor zehn Jahren: mit Drohungen, Verboten, bedeutungsschwangeren Ankündigungen und einer bemerkenswerten Rücksichtlosigkeit. Nun ist er zwar nicht mehr im Amt des Premiers, aber niemand zweifelt daran, dass er wieder die Fäden in der Hand hält.

15.11.26-Kaczynski

Kaczynski droht wieder

Wie viel Einfluss Kaczynski hat und in welcher Mission er unterwegs ist, zeigt sich in diesen Tagen.Der national-konservative Vorsitzende der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) droht polnischen Richtern mit Disziplinarverfahren, die eine umstrittene Gesetzesänderung seiner Partei kritisiert hatten. Der Grund: im Eilverfahren hatte Polens neue Regierung die Möglichkeit einer Neuwahl von fünf Verfassungsrichtern durchgesetzt, obwohl diese bereits vom alten Parlament bestimmt worden waren.

Bei einer Sitzung in der Nacht zum Donnerstag erklärten die Nationalkonservativen die Wahl der bisherigen Juristen für ungültig. Sie wollen stattdessen ihnen genehme Richter einsetzen. Menschenrechtler, Oppositionelle und hochrangige Juristen sahen in den Vorgängen einen Angriff auf Justiz und Demokratie, wie mehrere polnische Medien berichteten. „Bald leben wir in einem totalitären System“, warnte Andrzej Zoll, ehemaliger Vorsitzender des polnischen Verfassungsgerichts, im Gespräch mit der Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“. Hier ein Link zu „Dziennik“ mit den Aussagen

Schuld haben die anderen

Kaczynski sieht die ganze Sache natürlich völlig anders und geht zum Gegenangriff über. Er bezeichnete die Vorwürfe der Juristen als „skandalös“. Damit hätten die Richter gegen Vorschriften verstoßen, die sie zur politischen Neutralität verpflichteten, sagte er dem Sender TV Republika. „Dies sollte Gegenstand eines Disziplinarverfahrens werden“, fügte er hinzu. Sowohl die Opposition als auch der Beauftragte für Bürgerrechte, Adam Bodnar, haben beim Verfassungsgericht gegen die Gesetzesänderung Beschwerde eingelegt.

Es ist nicht das erste Mal, dass die neue Regierung bei Menschenrechtlern und Opposition für Empörung sorgt. Bereits in der ersten Regierungswoche hatte die Begnadigung des prominenten PiS-Mitglieds und ehemaligen Chefs der Antikorruptionsbehörde, Mariusz Kaminski die Kritiker auf die Barrikaden gerufen.

Kamisnkis umstrittene Begnadigung

Kaminski war im März wegen Amtsmissbrauchs zu drei Jahren Haft verurteilt worden, hatte dagegen aber Berufung eingelegt. Damit galt er bis zu einem endgültigen Urteil als unschuldig – und wurde vor wenigen Tagen in Szydlos Regierung zum Geheimdienstkoordinator ernannt.

Duda habe Kaminski gar nicht begnadigen dürfen, weil dieser noch nicht rechtskräftig verurteilt worden sei, monierten Juristen. Damit habe der Präsident ein zweites Mal unrechtmäßig in die Kompetenzen der Richter eingegriffen, sagt Andrzej Zoll, ehemaliger Vorsitzender des polnischen Verfassungsgerichts. „Das war ein Anschlag auf die Unabhängigkeit der polnischen Justiz.“ Hier ein Link zur Berichterstattung

Böhmermann zum ESC!

Jan Böhmermann hat wieder zugeschlagen – und wieder sind die GEZ-Gebühren sinnvoll ausgegeben worden.  Als „POL1Z1STENSOHN“ gibt er die musikalische Antwort auf alle Gangster-Rapper. Böhmermann ist gewappnet, denn: „Ich hab Polizei“.

Jan Böhmermanns „Neo Magazin Royale“ war noch nie der große Quotenbringer, dafür immer für einen Internet-Hype gut. Spätestens seit seinem Varoufakis-Stinkefinger zeigt sich, dass YouTube das stärkste Format des Mannes ist.

So auch in diesem Fall, wenn er pöbelnden und Gewalt verherrlichenden Rappern die geballte Staatsmacht entgegensetzt.

 

Der Geist von Smolensk

Jaroslaw Kaczynski hat den Tod seines Bruders Lech nie überwunden. Nun sieht er eine neue Chance, die Tragödie aufzuklären. Oder sinnt er nur auf Rache?

15.11.24-witek-smolensk Regierungssprecherin Elżbieta Witek sieht Donald Tusk vor einem Tribunal.

Eine nationale Tragödie

Vor fünf Jahren war der damalige Staatschef Lech Kaczynski beim Absturz der Präsidentenmaschine in Smolensk ums Leben gekommen. Mit ihm starben damals 95 Menschen – es war eine nationale Tragödie. Der polnische Ex-Premier Jaroslaw Kaczynski hat immer wieder verlauten lassen, Russland trage eine Mitschuld. Zudem wirft er Donald Tusk vor, als Ministerpräsident in der Tragödie nachlässig gehandelt zu haben.

Nun entfacht die neue konservative Regierung Polens eine neue Debatte über den Flugzeugabsturz. Die Untersuchungsergebnisse staatlicher Ermittler sind inzwischen nicht mehr im Internet zugänglich. Und die Regierungssprecherin Elżbieta Witek sagte am Mittwoch, sie glaube, der damalige Ministerpräsident Donald Tusk sollte wegen seiner Handlungen nach dem Absturz vor das Staatstribunal gebracht werde. Sie fügte an, das sei nur ihre private Meinung. Dieser Meinung schloss sich aber Adam Lipiński aus dem Büro des Premierminister an. Auch er forderte, dass Tusk vor einem Staatstribubal aussagen solle, weil er “viele Fragen zu beantworten” habe.  Hier der Link zur Berichterstattung

Böse Erinnerungen werden wach

Das alles erinnert sehr an die Zeiten, als Lech und Jaroslaw Kaczynski ihre politischen Gegner mit einem fast fanatischen Eifer verfolgten. Damals trieben die Zwillinge einen tiefen Keil in die polnische Gesellschaft. Nun wird offensichtlich, dass auch in der Bevölkerung die Wunden noch nicht verheilt sind. Sicher ist: Polen stehen wieder unruhige Zeiten bevor.

Der Absturz neu vor Gericht

Schon vor einigen Wochen war bekannt geworden, dass die Justiz den Absturz der polnischen Präsidentenmaschine in Russland wieder aufrollen wird: Zwei Offiziere der russischen Luftraumüberwachung sollen sich wegen der Katastrophe vor Gericht verantworten, teilte Staatsanwalt Ireneusz Szelag mit.

Nach dem Absturz waren viele Verschwörungstheorien im Umlauf. Grund war auch, dass bei den Ermittlungen nach der Katastrophe zu einer Reihe von Pannen gekommen war: Der auf polnischer Seite federführenden Militärstaatsanwaltschaft wurde vorgeworfen, aus Dilettantismus oder bösem Willen die Wahrheit zu verschleiern. Selbst der sozialistische Abgeordnete Ryszard Kalisz, ein bekennender Kaczynski-Gegner, erklärte die Staatsanwälte für unfähig.

Auch die russischen Ermittler haben zahlreiche Fehler gemacht. So fehlte im Abschlussbericht der russischen Untersuchungskommission aus dem Januar 2011, dass der Militärflughafen in Smolensk für eine Landung bei dichtem Nebel ungeeignet war. Zudem versorgten die Lotsen das Cockpit mit falschen Daten und warnten die Piloten zu spät.