Paris leidet still im Lockdown-Modus

In Frankreichs Metropole ist das Flanieren zur Kulturform geworden, doch in Zeiten der Pandemie fehlt das Publikum und die Bühne für den entspannten Auftritt.

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Kein schönes Bild – in Paris sind die Bistros geschlossen, die Stühle gestapelt und keiner weiß, wann sich dieser Zustand wieder ändert

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Eine Art Phantomschmerz macht sich breit

Am Anfang war der Verlust kaum wahrnehmbar. Was sollte schlimm daran sein, dass man sich für ein paar Tage abends wegen des Corona-Lockdowns nicht mehr an eines der kleinen Tischchen im Bistro an der Ecke setzen konnte? Es war, objektiv betrachtet, ja nur eine winzig kleine Einschränkung im Kampf gegen das heimtückische Virus. Doch aus den Tagen wurden Wochen, schließlich Monate und allmählich schlicht sich eine seltsame Art des Schmerzes ins Leben.

Der Lockdown riss einen wichtigen Teil aus dem sozialen Alltag der Menschen. Jener Moment nach der Arbeit, wenn sich in ganz Paris die Leute nach der Hetze des Büroalltags entspannt im Bistro auf ein Glas Wein treffen, bevor sie sich in die Metro setzen und nach Hause fahren. Meist ist es nur ein kurzes „Hallo“, aber dieser Augenblick markiert den Übergang von der Pflicht der Arbeit zur Kür der Freizeit. Doch nun sind die Bars verrammelt, die Theken verwaist und viele Leute arbeiten im Homeoffice.

Der Lockdown hat die Stadt grundlegend verändert

Wer durch die Straßen in Paris schlendert, wird allerdings gewahr, dass es nach Monaten des Lockdowns längst nicht mehr nur um den Verlust eines kleinen, persönlichen Rituals der Franzosen geht. Die ganze Stadt hat sich verändert, nicht nur in ihrem Aussehen, sondern auch in ihrem grundlegenden Selbstverständnis. Mehr als die meisten modernen Metropolen dieser Welt lebt Paris vom ständigen Treiben auf den Straßen. Die Menschen sitzen schwatzend auf den für Paris typischen Terrassen der Bistros, genießen Essen und Trinken, während vor ihren Augen das Leben wie ein langer und ruhiger Fluss vorbeigleitet.

Die breiten Boulevards der Metropole wirken wie eine unwiderstehliche Einladung, tief in dieses Lebensgefühl einzutauchen. Die Alleen mit ihren schattenspendenden Bäumen sind Theaterbühne, Laufsteg und Publikumsraum zugleich. Hier geht es um das Sehen und natürlich auch Gesehen werden. Paris ist eine Stadt, in der das Flanieren nicht nur erfunden, sondern zum Lebensgefühl erhoben wurde, dessen Beschreibung bei Charles Baudelaire oder Walter Benjamin Einzug in die Weltliteratur gehalten hat.

Das Virus ist wie ein Parasit

Das Leiden scheint groß. Denn nach einem Jahr Corona-Pandemie, die der Stadt wie ein Parasit das Leben aus den Adern gesogen hat, wünschen sich viele inzwischen sogar die Touristen zurück. Jene lärmende Menschenmasse, die bis tief in die Nacht die Métro verstopfte, in den Restaurants alle Plätze besetzte, die Preise in astronomische Höhen trieb und in deren Mitte manche geckenhaft aber glücklich mit ihren Einkaufstüten von Louis Vuitton über die Champs-Élysées stolzierten. Stattdessen sind an den Luxusgeschäften nun die Rollläden heruntergelassen und hinter den Glasscheiben der verschlossenen Bistros stapeln sich verstaubte Tische und Stühle. Und der schönste Boulevard der Welt verströmt plötzlich auch nur noch das Flair einer breiten, von Bäumen gesäumten Straße.

In einigen Seitengassen der Stadt wagen manche Wirte dann aber doch den kleinen Regelbruch. Am offenen Fenster ihrer Bistros verkaufen sie Bier und Wein, auf das Trottoire haben sie Stehtischchen gestellt, an denen sich rauchend und trinkend einige Männer unterhalten. Welch eine Zeit, in der solch banale Szenen wie ein Akt der Revolution wirken!

Eine Stadt stemmt sich gegen die Depression

Allein an den Wochenenden scheint sich die Stadt mit der Ankunft des Frühlings gegen dieses Gefühl der Depression zu wehren, das sich wie Mehltau über Paris gelegt hat. Dann versorgen sich vor allem die jungen Menschen im Supermarkt mit Bier und schleppen die Flaschen an die Seine oder in einen der Parks der Stadt. Dort setzen sie sich auf Randsteine oder ins Gras, spielen Boule und genießen für einige Stunden ihre kleine, oft maskenlose Freiheit. Aber auch dieses sorglose Treiben hat am frühen Abend ein jähes Ende. Wenn die Sonne beginnt, sich hinter dem Eiffelturm zu senken, scheuchen Einheiten der Polizei die Menschen von den Quais der Seine, denn um 19 Uhr beginnt die Corona-Ausgangssperre. Auf dem Nachhauseweg warnt dann eine Durchsage in der Métro die Fahrgäste sogar auf Chinesisch vor Taschendieben. Auch das eine wehmütige Erinnerung an eine scheinbar ferne Zeit, in der die ganze Welt in dieser Stadt der Liebe und des Lichts zuhause war. Es gibt keine chinesischen Touristen mehr in Paris – allerdings auch keine Taschendiebe.

Scharfsinnige Kommentare in Bronze gegossen

Der Cartoonist Philippe Geluck stellt in Paris auf den Champs-Élysées seine Comics als drei Meter hohe Statuen aus. In Zeiten von Corona ist die Ausstellung ein besonderer Besuchermagnet.  

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Philippe Geluck scheint seine eigene Kunst zu genießen.

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Knubbelnasige Katze mit Hintergedanken

Philippe Geluck ist ein hinterhältiger Künstler. Leicht und verspielt umgarnen seine knubbelnasigen Katzen den schmunzelnden Betrachter, doch auf den zweiten Blick offenbaren die Figuren bisweilen eine tiefsinnige Tristesse, die gerade dadurch zum Denken anregt. Da stemmt eine griechisch anmutende Atlas-Karikatur das Himmelsgewölbe, das sich in diesem Fall als unsere Erde entpuppt – gefüllt mit Plastikmüll.

In den kommenden Monaten präsentiert der belgische Cartoonist zwanzig seiner Werke unter dem Titel „Le Chat Déambule“ (Die Katze flaniert) auf eine ganz besondere Weise: als fast drei Meter hohe Bronzestatuen auf den Champs-Élysées in Paris. „Eigentlich sollte die Ausstellung schon im vergangenen Jahr stattfinden“, erklärt Philippe Geluck, doch wegen der Corona-Pandemie habe sich alles verzögert. Nun, da in Frankreich alle Museen geschlossen haben, sind die in Bronze gegossenen Karikaturen unter freiem Himmel ein besonderer Besuchermagnet. „Es freut mich, wenn ich den Menschen mit meinen Arbeiten etwas Abwechslung bieten kann“, sagt der 66-Jährige, „ich denke, wir alle haben im Moment eine kleine Ablenkung sehr nötig.“

Eine Vorliebe für Bronzefiguren

Seit 1983 zeichnet Philippe Geluck seine Katzen, die in als Karikaturen unter dem Titel „Le Chat“ vor allem im französischen Sprachraum bekannt gemacht haben. Kaum bekannt ist allerdings, dass der Belgier immer auch kleine Bronzestatuen als hintersinnige Kommentare zu den gesellschaftlichen Entwicklungen kreiert hat. „Normalweise sind meine Figuren aber maximal 50 Zentimeter hoch“, erklärt der Künstler, „für eine Ausstellung auf den Champs-Élysées wäre das natürlich viel zu klein gewesen.“

Erinnerungen an die Kindheit

Zur Bronze habe er seit Kindestagen eine große Affinität, verrät Geluck. Auf seinem Schulweg sei er jeden Tag an einer großen Reiterstatue vorbeigelaufen, „und jeden Tag habe ich alle vier Hufe des Pferdes berühren müssen.“ Das sei immer wieder ein magischer Moment gewesen, mit den Fingern das kalte Metall zu berühren.

Nach dem Ende der Ausstellung in Paris werden die Figuren ab Juni eine Reise zuerst quer durch Frankreich und dann Europa antreten. Zu sehen sein wird „Le Chat Déambule“ auch in Italien, der Schweiz und Luxemburg. Geplant ist, dass die rund eine Tonne schweren Bronzestatuen 2024 dann in einem „Katzenmuseum“ ihre endgültige Heimat finden, das Philippe Geluck seit einigen Jahren in Brüssel plant. Allerdings werden dort wahrscheinlich nicht alle Katzen einziehen, denn natürlich können die Statuen auch gekauft werden. Der Preis: 300.000 Euro das Stück.

Die erfolgreiche Internet-Käse-Auktion der Mönche von Citeaux

Wegen der Corona-Pandemie blieb die französische Abtei auf zwei Tonnen ihres berühmten Reblochon sitzen. Dann wagten die Glaubensbrüder den Weg ins Internet.

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Der Erfolg der Käse-Auktion weckt allgemeines Interesse

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Ein Käse-Wunder der Marktwirtschaft

Die Mönche der Abtei Citeaux glauben selbstverständlich an Wunder. Diese Überzeugung ist Teil ihrer Berufsbeschreibung. Nun sind die 17 Klosterbrüder aber selbst überrascht worden, was allerdings weniger mit einer göttlichen Fügung, sondern eher mit irdischer Marktwirtschaft zu tun hat.

Die Abtei saß nämlich auf einem riesigen Berg von 4000 Käselaibern. Die Sorte Reblochon wird seit 1925 in Citeaux hergestellt und genießt unter Feinschmeckern einen einzigartigen Ruf. Die Corona-Pandemie stellt die Mönche allerdings vor ein grundlegendes Problem. „Die Kunden kommen weniger in die Läden, und die Restaurants sind geschlossen“, sagt Bruder Jean-Claude, Marketing-Beauftragter der 1098 gegründeten Abtei. Der Umsatzrückgang liege bei fast 50 Prozent. Der normale Jahresumsatz betrage rund 1,2 Millionen Euro.

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Die Kühe hören nicht auf die Mönche

Man habe versucht, den 75 Kühen zu erklären, dass sie weniger Milch produzieren sollen – „aber das scheinen sie nicht zu verstehen“, erklärt Bruder Jean-Claude mit einem Augenzwinkern. Auch sei es schlecht möglich, die Außenwände der Abtei einfach zu verschieben, um die über zwei Tonnen überschüssigen Käse zu lagern.

Aus diesem Grund wagten die Mönche marketingtechnisch den Sprung ins 21. Jahrhundert: sie verkauften ihren Reblochon über das Internet. „Normalerweise lehnen wir Internet-Bestellungen ab“, unterstreicht der Mönch Jean-Claude. Aber besondere Umstände verlangen in diesem Fall außergewöhnliche Maßnahmen. Angeboten wurde der Käse über das Start-Up „Divine Box“, das sich auf den Online-Verkauf von Produkten religiöser Orden spezialisiert hat. Eigentlich sollte die Aktion drei Tage dauern, doch schon nach wenigen Stunden leuchtete auf der Seite von „Divine Box“ in knalligem Rot der Hinweis: „Opération terminée – 2006.9kg précommandés en 24h!“ Der Käse war in Windeseile ausverkauft.

Vom großen Erfolg überwältigt

„Wir sind vom Erfolg überwältigt“, erklärt Bruder Benoit, zuständig für die Finanzen des Klosters. „Das war völlig unerwartet.“ Der Käse wurde allerdings nicht nur über das Internet verkauft, offensichtlich hatte sich die Aktion auch in der realen Welt schnell herumgesprochen und es seien wesentlich mehr Kunden in die Läden vor Ort gekommen. Ob dieser Hype um den Reblochon aus Citeaux Auswirkungen auf die zukünftigen Marketingstrategien der Abtei haben wird, ist nicht geklärt. Darüber werden die Glaubensbrüder sicher erst nachdenken, nachdem sie ein erleichtertes Gebet des Dankes in Richtung Himmel geschickt haben.

Berlin erklärt Frankreich zum Hochrisikogebiet

Es war eine Frage der Zeit – nun ist es passiert. Die Bundesregierung hat Frankreich als Hochinzidenzgebiet eingestuft. Für die einfache Einreise ändert sich im Grunde kaum etwas, aber Pendler befürchten Nachteile. Für sie soll es nun Ausnahmen geben.

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Die Départements in Frankreich in denen das Virus besonders stark zirkuliert

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Ausnahmen für Pendler

Die Corona-Pandemie scheint sich in Frankreich fast ungehindert ausbreiten zu können. Die Regierung in Paris hat nun weiter Départements als rote Zonen eingestuft, wo die Inzidenz dauerhaft über 300 liegt. In der Region Paris selbst steigen die Werte jeden Tag und liegen inzwischen bei deutlich über 600 Infizierten auf 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche. Täglich melden die Behörden etwa 30 000 neue Ansteckungen. Die Situation in den Krankenhäusern ist in mehreren Regionen extrem angespannt.

Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian sagte dem Sender Franceinfo, die neuen Regelungen würden Pendlern Probleme bereiten. Man wolle aber versuchen, ihnen so wenig wie möglich zu schaden. Im vergangenen Frühjahr hatte es Kontrollen an der Grenze Frankreich gegeben. Auch deswegen ist die Stimmung in den Grenzgebieten angespannt. Einreisende aus Hochinzidenzgebieten müssen normalerweise einen negativen Corona-Test vorweisen.

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Keine Kontrollen an den Grenzen geplant

Die Bewohner in den Grenzstädten Straßburg und Kehl hoffen aber auf möglichst geringe Einschränkungen für Pendler und Familien auf beiden Seiten des Rheins. So müsse die Tram zwischen beiden Städten dennoch weiter verkehren, erklärten Straßburgs Oberbürgermeisterin Jeanne Barseghian und der Kehler Oberbürgermeister Toni Vetrano in einer gemeinsamen Mitteilung. Im Falle intensiver Grenzkontrollen müssten Autos und Lastwagen auf getrennten Spuren fahren, um lange Wartezeiten für Pendler zu vermeiden.

Das Sozialministerium verwies auf diverse Ausnahmen von der Test- und Nachweispflicht, die insbesondere Grenzpendlern und Grenzgängern zugute kämen. Zwei Negativtests pro Woche seien ausreichend, zudem könne der Test auch direkt nach der Einreise noch gemacht werden. Tägliche Grenzpendler seien auch von der Anmeldepflicht befreit.

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Neue Regeln auch für die Region Moselle

Das französische Département Bas-Rhin teilte mit, dass für elsässische Pendler nur zweimal die Woche ein Test nötig werde. Die Grenzregion Moselle war bereits Anfang März als Virusvariantengebiet eingestuft worden. Dort gibt es damit schon eine Testpflicht bei Einreise. Kontrolliert wird sie auch künftig nur stichprobenartig hinter der Grenze im Rahmen der sogenannten Schleierfahndung. Stationäre Grenzkontrollen sind nicht geplant.

„Uns ist es wichtig, dass wir das Infektionsgeschehen eindämmen und trotzdem die Grenzen weiter offen halten“, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Die Einstufung als Hochinzidenzgebiet richte sich in keiner Weise gegen die Partner in Frankreich, sondern gegen das Virus.

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Rettet der Brexit französischen Gänsen das Leben?

Tierschützer jubeln, Feinschmecker sind empört – Großbritannien wird wohl den Import von Gänsestopfleber verbieten. Doch auch auf der Insel regt sich Widerstand.

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Ein Beitrag zum möglichen Verbot von Foie Gras von BFMTV

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Zweifelhafter Ruf der britischen Küche

Die Briten sind in der Welt der Kulinarik nicht gerade als Feinschmecker bekannt. Einem Volk, das eine Portion fettige Fish and Chips und ein schales Bier dazu als vollwertige Nahrung ansieht, scheint definitiv der geschmackliche Orientierungssinn abhandengekommen zu sein. Insofern können die Einwohner Großbritanniens dankbar sein, dass ihnen von den Festlandeuropäern der kulinarische Horizont entschieden erweitert wurde. Die Einflüsse auf den britischen Gaumen lassen sich allerdings nicht nur auf italienische Pizza reduzieren, die es inzwischen selbst im letzten schottischen Dorf in bisweilen eher zweifelhafter Qualität zu bestellen gibt. Betuchteren Kreisen in Großbritannien scheint es die französische Küche angetan zu haben, die in der ganzen Welt höchstes Ansehen genießt.

Aus diesem Grund werden etwa jedes Jahr rund 200 Tonnen Gänsestopfleber über den Ärmelkanal verschifft. Doch damit könnte nun Schluss sein. Grund dafür ist der Brexit. Doch die Sache ist kompliziert: laut Gesetz darf seit 2006 auf der Insel selbst keine Gänsestopfleber mehr produziert werden. Nach Ansicht des Gesetzgebers ist es zu grausam, Gänse und Enten mit dem alleinigen Ziel zu mästen, dass sie eine möglichst große Leber bekommen.

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Ein Entscheidung – mit einem großen Schlupfloch

Die französischen Züchter fanden jedoch ein Schlupfloch. Sie pochten auf die EU-Binnenmarktverordnung mit seinem freien Warenverkehr und durften daraufhin ihre Foie Gras auch nach dem britischen Stopfverbot weiter nach Großbritannien exportieren. Nun hat sich der britische Minister für Umwelt und Ernährung, Zac Goldsmith, erneut dieser Sache angenommen. Da London nach dem Brexit nicht mehr an die EU-Regeln gebunden sei, argumentiert er, könne auch bald die Einfuhr von französischer Gänsestopfleber reglementiert werden. Mit einem Verbot sei schon in den nächsten Monaten zu rechnen.

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Bei britischen Feinschmeckern stößt das Vorhaben auf Unverständnis. Victor Garvey, Chef des mit einem Michelin-Stern ausgezeichneten Restaurants Sola im schicken Londoner Stadtteil Soho, glaubt nicht, dass es in diesem Fall um den Tierschutz geht. „Es ist doch völlig verrückt, dass wir Foie Gras verbieten wollen, aber nicht über die Quälerei bei der heimischen Batterie-Haltung von Hühnchen reden“, sagte er dem „Evening Standard“. Er glaubt, dass es den Politikern lediglich um einen kleinen symbolischen Sieg gegenüber der EU im Streit um den Brexit geht.

Als in Paris die Revolution ihre Kinder fraß

Vor 150 Jahren kommt es in der französischen Hauptstadt zum Umsturz. Die „Commune de Paris“ will eine bessere Welt und geht in einem Blutbad unter. Der Mythos lebt noch heute fort, doch er hat tiefe Risse.

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Nur eine kleine Fahne erinnert am Fuße von Sacré Coeur an den Aufstand der Kommunarden

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Nur kleine Feiern zum Jubiläum der Kommune

Julien Girard ist enttäuscht. Am Metallzaun vor der Kirche Sacré-Coeur flattert müde ein roter Wimpel im Wind. „Vive la Commune“ ist in großen schwarzen Buchstaben darauf zu lesen. Auf den steinernen Stufen hoch zur Basilika liegt einsam ein Bund roter Rosen. „Wegen Corona müssen die Feiern wohl etwas kleiner ausfallen“, mutmaßt der 70-Jährige.

Vor 150 Jahren errichteten die Einwohner von Paris auf dem Montmartre erste Barrikaden. Der Hügel war damals ein Elendsviertel, in dem vor allem Tagelöhner und Prostituierte lebten. Sie widersetzten sich der Zentralregierung, für viele Franzosen auch heute noch ein zentrales Datum in der wechselvollen und auch blutigen Geschichte des Landes. „Das war das erste Mal, dass unterdrückte Menschen die Macht an sich rissen und eine gerechte Herrschaft anstrebten“, sagt Julien Girard, „es war der Versuch, eine Alternative zu den feudalen Strukturen und zum Kapitalismus aufzubauen.“ Vom flammenden Plädoyer für die Ziele der Pariser Kommune zieht er in seiner Erzählung eine direkte Verbindung zu den Studentenrevolten im Paris Ende der 1960er Jahre, an denen er selbst teilgenommen habe.

Nicht alle Franzosen lieben die Kommune

Die Erinnerungen an die Pariser Kommune werden allerdings nicht von allen Franzosen in gleicher Weise gepflegt, sie spalten sogar noch heute die politische Landschaft. Laurence Patrice, linke Vize-Bürgermeisterin von Paris und zuständig für die Organisation der Gedenkveranstaltungen zum 150-Jahre-Jubiläum, schlug vor, die „modernste Revolution“ mit ihren Forderungen wie die Gleichstellung von Mann und Frau, die Trennung von Staat und Kirche oder der kostenlosen Schulbildung groß zu feiern. Angesichts dieser Lobeshymne platzte dem konservativen Stadtrat David Alphand der Kragen, denn er wollte auch die sehr dunkle Seite der Verbrechen und der Gewalt erwähnt wissen, die Paris damals für 72 Tage erschütterten.

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Es waren unübersichtliche Wochen in Frankreich in jenem Spätwinter 1871. Die Deutschen hatten den Krieg auf ganzer Linie gewonnen. Eine konservative Übergangsregierung versuchte, Frieden mit Kanzler Otto von Bismarck zu schließen, während Monarchisten, Republikaner und radikale Linke um die Macht kämpften. In Paris lebte der Großteil der Arbeiter in bitterer Armut, sie waren auf die Kriegsparolen der Rechten hereingefallen und viele schäumten angesichts der Kapitulation vor Wut. Als sich Teile der Nationalgarde mit dem proletarischen Teil der Bevölkerung verbündete, brach am 18. März der Aufstand los. Die Regierung floh nach Versailles und die Revolutionäre begannen damit, die Grundlagen einer neuen Gesellschaft zu organisieren.

Die Versammlungen enden meist im Chaos

Am 26. März 1871 wurden Wahlen abgehalten, die aber in einem heillosen Chaos endeten. Dennoch fand am 28. März die erste offizielle Sitzung der Kommune statt. Streit herrschte allerdings darüber, ob die Revolution auf Paris beschränkt bleiben oder der Sturm auf Versailles organisiert werden sollte. Einige Hitzköpfe plädierten dafür, die deutschen Truppen erneut anzugreifen, um den bereits verlorenen Krieg doch noch für Frankreich zu gewinnen.

Zwar verabschiedeten die Kommunarden in jenen Tagen eine Vielzahl von Maßnahmen, um etwa die erbärmlichen Lebensbedingungen der Arbeiterschaft zu verbessern, doch allzu oft versanken die Versammlungen im heillosen Chaos. Innerhalb weniger Wochen übernahmen die Scharfmacher das Wort, immer radikaler wurden die Forderungen. Es folgten gegenseitige Verdächtigungen und Inhaftierungen der führenden Köpfe. Die Revolution fraß ihre Kinder.

Fast wäre der Maler Auguste Renoir diesen wilden „Säuberungsmaßnahmen“ zum Opfer gefallen. Der Künstler stand eines Morgens nichtsahnend am Ufer der Seine und brachte mit schwungvollem Pinsel Farben auf die Leinwand. Für einen Trupp der Nationalgarde stellten die in ihren Augen formlosen Kleckse Aufzeichnungen eines Spions im Dienste von Versailles dar, der die Verteidigungslinien entlang des Flusses skizzierte. Der Maler wurde verhaftet und sollte exekutiert werden. Das Leben rettete ihm in letzter Sekunde die Intervention eines Polizeipräfekten, der die Bilder des Malers kannte.

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Die Regierungstruppen schlagen brutal zurück

In Versailles hatten sich derweil die Regierungstruppen wieder formiert und begannen mit der blutigen Rückeroberung der Stadt. Die Kommunarden wollten den anrückenden Soldaten eine „Barriere aus Flammen“ entgegenstellen, schrieb Louise Michel, eine der Anführerinnen der Aufständischen. Nach ihr ist heute der Platz unterhalb der Basilika Sacré-Coeur benannt. So entwickelte sich ein regelrechter Bürgerkrieg und es gingen unzählige Häuser und Paläste wie das Rathaus, die Tuilerien und das Palais Royal unwiederbringlich in Flammen auf.

Am Ende regierte auf beiden Seiten ein alles vernichtender Hass. Bei den Kämpfen in der „blutigen Woche“ vom 21. bis 28. Mai 1871 schossen Regierungssoldaten wahllos auf Verdächtige – Männer, Frauen und auch Kinder. Die Kommunarden töteten ihrerseits Geiseln und legten immer wahlloser Brände in der Stadt.

Das letzte Aufbäumen der Kommunarden

Die Aufständischen verschanzten sich schließlich auf dem Friedhof Père Lachaise im Osten von Paris. Ende Mai wurden dort die letzten 147 Kommunarden an einer Mauer standrechtlich erschossen. Über die gesamte Zahl der Toten in jenen 72 Tagen gibt es nur Schätzungen, sie liegen zwischen 7000 und 30.000 Opfern.

Einer der Sieger des Kampfes von Franzosen gegen Franzosen war am Ende der deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck. Das neu gegründete Deutsche Reich spielte im Frieden vom Frankfurt am 10. Mai 1871 seinen militärischen Erfolg voll aus. Frankreich musste das Elsass und Teile Lothringens abtreten. Auf dem Friedhof Père Lachaise erinnert noch heute an der „Mur des Fédérés“ („Mauer der Verbündeten“) eine große Tafel an jene 147 exekutierten Kommunarden. Die Mauer ist längst eine Art Wallfahrtsort der französischen Linken und an ihrem Fuß liegen immer frische Blumen. So erfüllt sich zumindest ein Wunsch der Kommunardin Louise Michel. Sie wurde nach den blutigen Kämpfen in eine Strafkolonie in Neukaledonien deportiert und beschwor von dort die Nachkommen, die Ideen des Aufstandes nie zu vergessen. Allerdings ist der Mythos der Pariser Kommune durch den sezierenden Blick der Geschichtswissenschaft auf jene Zeit inzwischen weitgehende entzaubert.

Haribo-Erdbeeren statt Ecstasy

Der Jubel der Polizei kannte keine Grenzen. Partydrogen im Wert von einer Million Euro seien in einer Werkstatt im Norden von Paris beschlagnahmt worden. Das Problem: es war kein Ecstasy – sondern zerkleinerte Haribo-Schaumbeeren.

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Der Erfolgstweet der Polizei und danach die Richtigstellung nach der Untersuchung der „heißen Ware“

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Verdächtiges rosa Pulver

Der Spott kennt nun natürlich keine Grenzen. Zumal die Polizei in ihrer ersten Erfolgsmeldung auf Twitter noch Bilder von Tüten mit rosa Pulver und rosa Pillen gepostet hatte. Allerdings hatte alles irgendwie auch gut zusammengepasst. Die Beamten durchsuchten verdächtige Räume und wurden auch ziemlich schnell fündig. Offensichtlich wurden dort in professioneller Manier Pulver abgepackt, die dann auf der Straße verkauft werden sollten.

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Zwei Tage nach dem aufsehenerregenden Coup meldete sich dann allerdings die Staatsanwaltschaft zu Wort. Das Statement fiel sehr kurz aus und es wurde mitgeteilt, dass das Pulver laut einer toxikologischen Untersuchung weder mit „Betäubungsmitteln noch anderen giftigen Substanzen“ zu tun habe. Tatsächlich handelte es sich um zerkleinerte Schaumzucker-Erdbeeren von Haribo, die in Frankreich auch „Tagada“ genannt werden.

Nicht beantwortet wird allerdings die Frage, was die Betreiber der Abpackstation mit dem süßen Zeugs anstellen wollten.

Mehr Erfolg für die Kollegen in Nizza

Mehr Glück hatten offensichtlich aber die Polizei-Kollegen in Nizza. Auch sie sind bei der Durchsuchung einer Wohnung fündig geworden – und sind dabei auf Tictac-Packungen gestoßen. Allerdings befanden sich darin in Wahrheit Ecstasy-Tabletten.

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In der Wohnung des Dealers wurden dann auch noch fast 200.000 Euro in bar sichergestellt, neun Kilo Kokain und mehrere Kilo andere synthetische Drogen. Was die Beamten erstaunte war, dass der 25-Jährige in der Szene völlig unbekannt war und über kein Netzwerk verfügte.

2000 Eichen für Notre-Dame in Paris

In Frankreich werden die ersten Bäume zum Wiederaufbau des niedergebrannten Dachstuhls der Pariser Kathedrale geschlagen. Es ist eine Aufgabe von nationaler Tragweite, doch es regt sich auch Widerstand.

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Jahrhundertealte Bäume werden gefällt

Viele der mächtigen Eichen im Wald von Millançay wuchsen bereits, als sich Napoleon 1804 in Paris selbst zum Kaiser von Frankreich krönte. Einige der Bäume sind mehrere Hundert Jahre alt. Doch nun wurden sechs dieser Riesen gefällt, um allerdings im fernen Paris auf gewisse Weise weiterzuleben. „Ich fühle keinen Schmerz“, sagt Bertrand Vallier, als er einen der Stämme am Boden sieht. „Es erfüllt mich sogar mit Stolz, denn ich kenne das Schicksal dieser Bäume. Es ist eine Ehre für die Holzfäller und den Besitzer des Waldes, für alle hier in der Gegend,“ erklärte der Mann, der diese urwüchsige Waldlandschaft unweit von Orléans verwaltet.

Bestimmt sind die Eichen für den Wiederaufbau der Pariser Kathedrale Notre-Dame. Sie werden Teil des markanten Vierungsturms, der bei dem verheerenden Großbrand im April 2019 im Flammenmeer versank, mit Getöse ins Kirchenschiff stürzte und Frankreich in ein nationales Trauma stürzte. Allein für die Konstruktion dieses hölzernen Dachreiters sind viele Hundert Eichen notwendig. Im gesamten Dachstuhl sollen insgesamt rund 2000 verbaut werden.

Lange suche nach geeigneten Bäumen

Über Monate sind die Mitarbeiter der Nationalen Forstbehörde durch die Wälder Frankreichs gezogen, um nach geeigneten Bäumen zu suchen. Die Kriterien sind streng: das Holz muss einen Durchmesser zwischen 50 Zentimeter und einem Meter haben, gerade gewachsen und mindestens acht Meter hoch sein. Für das Fällen des ersten Baumes reisten sogar die französische Kulturministerin Roselyne Bachelot und ihr Amtskollege für Landwirtschaft, Julien Denormandie, in den Wald von Bercé in der Region Pays de Loire, nur wenige Kilometer vom Wald von Millançay entfernt.

Der „Baum Nummer Eins“ ist ein außergewöhnlich stattliches Exemplar seiner Art, mit mehr als einem Meter Durchmesser und einer Länge von über zwanzig Metern. Dieser weit über 200 Jahre alte Stamm wird einer der sechs langen Balken sein, die den Sockel des Vierungsturmes bilden und am Ende die gesamte Konstruktion tragen werden.

Nach dem Inferno waren Architekten aus der ganzen Welt mit ihren Ideen in Paris vorstellig geworden, wie das Dach von Notre-Dame in Zukunft aussehen könnte. Wagemutige Entwürfe von Glasgewölben machten die Runde, ein Lichtkuppel sollte entstehen oder sogar ein Schwimmbad in schwindelnder Höhe. All diese Pläne fanden bei den Verantwortlichen allerdings keine Gnade und sie entschieden, dass das Dach nach dem Brand aussehen sollte wie vor dem Brand. Dazu gehörte auch, dass der beeindruckende Dachstuhl, der vor der Katastrophe voller Ehrfurcht „der Wald“ genannt wurde, wieder aus Eichenholz sein sollte.

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Aufbau von Notre-Dame nach alten Plänen

„Zum Glück haben wir alle Aufzeichnungen über die Arbeit von Eugène Viollet-le-Duc“, erklärt Rémi Fromont, einer der zahlreichen Architekten, die am Wiederaufbau von Notre-Dame beteiligt sind. Der Baumeister Viollet-le-Duc hatte die umfassende Sanierung der Kathedrale im 19. Jahrhundert geleitet. Zusammen mit seinen Plänen, unzähligen Fotos und 3D-Modellen wurde genauestens berechnet, wie viele Eichen benötigte werden.

„Jeder für Notre-Dame gefällte Baum bekommt eine eigene Nummer“, erklärt Sylvain Jannaire, Mitarbeiter der Nationalen Forstbehörde. „Diese Nummer korrespondiert mit der entsprechenden Nummer auf den Bauplänen.“ So ist sofort erkennbar, wo der gefällte Baum eines Tages im Dachstuhl von Notre-Dame seinen Platz finden wird.

Die Zahl von 2000 Eichen für den Wiederaufbau scheint enorm, doch ein Mangel an Bäumen herrscht nicht. Schwieriger war es, die Regionen auszusuchen, aus denen die Eichen geholt werden. Fast jede Gemeinde des Landes wollte sich an dieser einzigartigen Aufgabe von nationaler Tragweite beteiligen. Auch viele private Waldbesitzer wollte unbedingt Bäume spenden.

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Eichen aus dem ganzen Land

„Als Symbol war es auf jeden Fall notwendig, das ganze Land abzudecken, was nicht so einfach war, weil im Süden Frankreichs oder auf Korsika nur wenige Eichen wachsen“, sagt Philippe Gourmain, der die Suche nach tauglichen Bäumen im Auftrag der Nationalen Waldbehörde koordiniert. Sogar der kanadische Premierminister Justin Trudeau bot bei einem Besuch im Mai 2019 in Paris die Hilfe seines Landes an. Frankreich könne sich auf die „kanadischen Cousins“ verlassen, wenn ein Mangel an brauchbarem Holz bestehe, ließ es großzügig wissen.

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Aber natürlich regt sich auch Kritik an dem Abholzen der Eichen. Umweltschützer sprechen sogar von einem „Ökozid“ und haben sich mit einer Petition an die Umweltministerin Barbara Pompili gewandt. Warum werde der zerstörte Dachstuhl – wie bei den Kathedralen in Nantes oder Reims – nicht aus Beton oder Stahl nachgebaut, lautet eine Frage? Die Kommission für den Wiederaufbau der Kathedrale habe sich nach reiflicher Überlegung für die identische Rekonstruktion entschieden, heißt es von Seiten der Verantwortlichen. Zudem sei es ja auch eine Art Ehre für die Bäume, die nächsten 1000 Jahre das Dach von Notre-Dame zu tragen.

Viele Kritik am Abholzen der Eichen

Wesentlich pragmatischer argumentieren die Forstwirte. Sie betonen, dass für Notre-Dame nur 0,1 Prozent der alljährlich in Frankreich abgeholzten Eichen verwendet würden, also eine verschwindend geringe Menge. Hinter der Hand sprechen sie allerdings auch etwas spöttisch von einem „Idefix-Reflex“ der selbsternannten Eichen-Schützer. In den Asterix-Comics weint der kleine Hunde Idefix jedes Mal erbärmlich, wenn sein etwas ungeschicktes Herrchen Obelix aus Versehen einen Baum umschmeißt. Eine kleine, vielleicht überlebenswichtige Änderung wird es bei der kühnen Konstruktion aus 2000 Eichen allerdings geben. Damit sich ein möglicher Brand in Zukunft nicht mehr rasend schnell ausbreiten kann, werden im Dachstuhl der Kathedrale von Notre-Dame zur Sicherheit Feuertüren eingebaut.

Viel Verwirrung um die „Rosen unter Bäumen“

Frankreich gibt ein von Nazis geraubtes Klimt-Gemälde zurück, doch der Weg dorthin war lang und verworren. Blamiert hat sich auf jeden Fall die Rückgabekommission in Österreich.

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Ein Kunstwerk für einen Spottpreis verkauft

Frankreich besitzt genau ein Gemälde von Gustav Klimt. Doch nun möchte der Staat das Werk nicht mehr haben, zu viel Leid und Unrecht sind damit verbunden. „Rosen unter Bäumen“ lautet der Titel des 1905 entstandenen Bildes, das seit fast 40 Jahren in Paris im Musée d’Orsay hängt. Der Schritt zur Rückgabe sei sehr schwer gefallen, gesteht Frankreichs Kulturministerin Roselyne Bachelot-Narquin. „Aber diese Entscheidung ist notwendig, unumgänglich“, schreibt sie auf Twitter.

Lange war die Geschichte des Werkes nicht geklärt, doch nun scheinen alle Zweifel beseitigt. Bis 1938 gehörte das Gemälde der jüdischen Österreicherin Nora Stiasny, die es damals auf Druck der Nazis zum Spottpreis von 395 Reichsmark verkaufen musste. Während des Krieges wurde sie gemeinsam mit ihrer Mutter ins Ghetto Izbica deportiert und vermutlich dort oder im Vernichtungslager Belzec ermordet.

Die tragische Geschichte einer jüdischen Familie

Mit dem Bild ist allerdings nicht nur eine tragische Familiengeschichte, sondern auch ein peinlicher Fehler verbunden. Eine Kommission, die in Österreich für die Rückgabe von Raubkunst zuständig ist, veranlasste im Jahr 2000, dass den Erben von Nora Stiasny das Gemälde von Gustav Klimt (1862-1918) zurückgegeben wird. Doch es stellte sich heraus, dass es sich um das falsche Werk handelte – ausgehändigt wurde nicht „Rosen unter Bäumen“, sondern Klimts „Apfelbaum II“ aus dem Jahr 1916, das im Belvedere Museum Wien gehangen hatte.

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Ein zu spät entdeckter Fehler

Entdeckt wurde der Fauxpas erst, als sich andere mögliche Erben zu Wort gemeldet hatten. Danach war die österreichische Kommission für Provenienzforschung noch einmal tätig geworden und klärte den Fehler auf. Die Verantwortlichen in Wien versuchten daraufhin den Irrtum zu revidieren, was sich allerdings rechtlich äußerst schwierig gestaltet, da die Rückgabe von „Apfelbaum II“ nicht nur ein reumütiger Akt von Vergangenheitsbewältigung, sondern offenbar ein Geschenk des Staates an die Erben von Nora Stiasny war. Zudem hatte die Familie das Gemälde vor vielen Jahren an einen unbekannten privaten Sammler verkauft.

Aber auch das richtige Klimt-Werk „Rosen unter Bäumen“ kann nun nicht ohne Probleme an die Erben ausgehändigt werden. Kulturministerin Roselyne Bachelot-Narquin erklärte, dass das Werk Teil der der staatlichen Sammlung ist. Es fehle noch ein entsprechender Gesetzentwurf, dann aber stehe der Herausgabe aber nichts mehr im Wege.

Gegenwind für Öko-Strom aus Frankreich

Die Voraussetzungen für Windparks sind in dem Land ausgesprochen gut, doch der Ausbau der Anlagen geht mehr als schleppend voran. Die Politik und auch die Bevölkerung setzt weiter auf Atomenergie.

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Die Berichterstattung über die Windkraftanlage in Saint-Brieuc ist nicht immer sehr wohlwollend.

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Ein Schreiben der Fischer an den Präsidenten

Die Maschinen stehen bereit in der Bucht von Saint-Brieuc. In diesen Tagen soll in der Bretagne, knapp 16 Kilometer vor der Landspitze des Cap Fréhel, mit dem Bau eines Windparks begonnen werden. Geplant sind 62 Windräder, die über 200 Meter aus dem Meer ragen – doch kurz vor dem Start regt sich neuer Widerstand. Die Fischer der Côtes-d’Armor haben sich in einem offiziellen Schreiben an Präsident Emmanuel Macron persönlich gewandt und fordern, das Projekt für Frankreichs erste Offshore-Anlage in letzter Minute abzublasen.

Trotz endloser Beratungen sei es nicht gelungen, ein Projekt zu gestalten, das „im Einklang mit dem Schutz der Meere und den Aktivitäten der Fischer“ stehe, schreibt Alain Coudray, Präsident der Vertretung der Berufsfischer in der Region. Kritisiert wird der in seinen Augen chaotische Ablauf der Planung, bei der die Berufsfischer nicht ausreichende gehört worden seien. Sie fürchten um ihre Fischgründe und vor allem um die Bestände der Jakobsmuscheln, für die die Region berühmt ist.

Viele Probleme bei der Baugenehmigung

In dieselbe Kerbe schlägt auch Katherine Pujol, Präsidentin der Umweltorganisation Gardez les Caps. Sie kritisiert, dass es im Vorfeld der vor zehn Jahren erteilten Baugenehmigung keine öffentliche Debatte über das Projekt gegeben habe. Zudem sei ursprünglich keine Studie über die Auswirkungen des Windparks in der Nähe eines geschützten Meeresgebietes durchgeführt worden, die sei erst 2015 nachgereicht worden.

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Die Planung des Windparks in der Bucht von Saint-Brieuc ist allerdings nur ein Beispiel für die Schwierigkeiten beim Ausbau alternativer Energiequellen in Frankreich. Ein zentrales Problem sind die langen Baugenehmigungen der Anlagen, die in der Regel über viele Jahre gehen. Der Grund: es gibt großen Widerstand gegen alle Arten von Windanlagen und die Gerichtsverfahren ziehen sich oft in die Länge. Die Akzeptanz von erneuerbaren Energien ist im Atom-Land Frankreich nicht so hoch wie in Deutschland. Rund 70 Prozent des verbrauchten Stroms stammt aus AKWs.

Dieses Denken zieht sich bis in die Regierung. Dort redet etwa Präsident Emmanuel Macron zwar viel über den schnellen Ausbau regenerativer Energien, der dann aber immer wieder auf die lange Bank geschoben wird. Zuletzt wurden sogar die möglichen Laufzeiten der alten französischen Kernkraftwerke von 40 auf 50 Jahre verlängert.

Frankreich hingt in Sachen Öko-Strom hinterher

Öko-Verbände jubilierten zuletzt zwar, dass der Anteil von Wind und Wasserkraft am Stromverbrauch im Land auf rund ein Viertel gesteigert werden konnte, doch ist das nur eine Seite der Medaille. Zustande kam dieser Wert vor allem wegen des in der Corona-Pandemie deutlich gesunkenen Verbrauchs. Dabei ist das Ziel sehr klar: bis zum Jahr 2040 sollen die erneuerbaren Energien in Frankreich 40 Prozent vom Strommix ausmachen. Im Moment liegt dieser Wert bei unter 20 Prozent. Der Durchschnitt in der EU beträgt jetzt schon knapp 40 Prozent.

Wie der Ausbau erneuerbarer Energien ablaufen soll, ist im Moment allerdings nicht klar. Über den möglichen Weg will Frankreich erst nach der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr entscheiden. Entsetzen löst bei Umweltschützern die Vorstellung aus, dass die Rechtspopulistin Marine Le Pen die Abstimmung gewinnen könnte, die im Moment in allen Umfragen führt und für regenerative Energien nur Spott übrig hat. Ihr Sieg würde in Frankreich eine Renaissance der Atom-Kraft einläuten.  

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Auch Frankreich hat Vorzeigeprojekte

Aber natürlich gibt es auch in Frankreich einige Vorzeigeprojekte, in denen alle Vorteile des ökologischen Umbaus vorgeführt werden. Eines davon ist der „Parc Éolien de l’Hyrôme“, knapp 300 Kilometer südwestlich von Paris. Bürger aus der Gemeinde setzten sich dort schon vor Jahren für Windkraft ein und überzeugten Anwohner und Nachbarn von ihrem Vorhaben. Sie wollten das Geschäft mit erneuerbaren Energien aber keinem Großkonzern überlassen, gründeten einen Verein und bauten den Park, an dem jede Bürgerin und jeder Bürger Anteile erwerben konnte. Mittlerweile werfen die fünf Windräder mit einer Leistung von über 32.000 MWh Gewinne ab und liefert 40 Prozent des lokalen Energiebedarfs. Über 200 ähnliche Projekte befinden sich in Planung, ob und wann sie verwirklicht werden steht aber in den Sternen.

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Im kommenden Jahr soll auch mit dem Ausbau von sieben neuen Offshore-Projekten an der französischen Küste begonnen werden, die bis 2027 zwischen Dünkirchen und Noirmoutier ans Netz gehen und eine Gesamtleistung von 3,5 Gigawatt haben sollen. Auch hier dauerte die Genehmigung mehr als zehn Jahre.