Stromae ist zurück

Nun ist es soweit. Das seit Jahren voller Sehnsucht erwartete erste Lied von Stromae ist veröffentlicht. Der Text? Sozial wie der belgische Sänger es im  im Grunde immer macht, auch wenn er diesmal nicht über sich selbst spricht. . .

Hymne an all die Vergessenen

Stromae richtet sich nur an all jene anonymen Menschen (Rosa, Albert, Céline, Arlette…), die uns umgeben, arbeiten, hinter uns vorbeigehen, putzen. Das Stück feiert diejenigen, die nie gefeiert werden: die Alltagsarbeiter. Der Titel „santé“ spielt auch auf diese langen Monate der Pandemie an, als sie unser Leben geprägt hat – ganz zu schweigen von all denen, die diesen Kampf verloren haben. Stromae erinnert daran, dass alle diese Menschen Respekt verdienen, auch wenn wir sie nicht sehen.

Eine geglückte Rückkehr

Die Kritiker sind sich einige: der Song ist eine gelungene Rückkehr für Stromae, der seinem einzigartigen und unvergleichlichen Stil treu bleibt und gleichzeitig an der Debatte über das Zusammenleben teilnimmt. In einer immer härter und grausamer werdenden Gesellschaft sollten wir aufeinander aufpassen, sagt der Sänger nüchtern. Erst vor einigen Tagen hat Stromae seine Rückkehr auf die Bühne für kommenden Sommer angekündigt. Fast sechs Jahre war er davor untergetaucht. Zur Überraschung vieler zieht es den Weltstar in die belgische Provinz. Am 19. Juni wird er in Wechter, einer 3000-Einwohner-Gemeinde etwa 40 Kilometer nordöstlich von Brüssel, beim bekannten Festival Wechter Boutique zum ersten Mal wieder vor Publikum stehen. Das zweite Konzert wird knapp einen Monat darauf beim Festival Les Ardentes in Lüttich stattfinden.

Die neue Bescheidenheit des Sängers

Allein die Auswahl dieser beiden Events wirft einige Fragen auf. Für die Verhältnisse von Stromae ist das eine sehr konventionelle Rückkehr. Keine Kapriolen mit verstecken Kameras, auch die sozialen Medien werden von ihm nicht mit Clips befeuert und der Sänger wird nicht in den großen Stadien auftreten, die er leicht hätte füllen können. Offensichtlich gibt sich Stromae einen neuen Rhythmus für sein Leben als Musiker.

Am Ende steht der Zusammenbruch

Geschuldet ist diese neue Bescheidenheit wohl seinen Erfahrungen auf der Tournee mit dem bereits legendären Album „Racine Carrée“, das über drei Millionen Mal verkauft wurde. Der musikalische Marathon führte ihn im Jahr 2015 quer durch Europa, Nordamerika, Brasilen und Afrika. Damals spielte er an 209 Abenden vor über 1,6 Millionen Menschen, bevor er am Ende seiner Kräfte und geplagt von den psychischen Folgen eines Malariamittels in Ruanda die Tour abbrechen musste. Das ostafrikanische Land ist auch die Heimat seines Vaters, der die Familie einst verlassen hatte, von Belgien nach Afrika zurückkehrte und im Jahr 1994 während des Völkermordes in Ruanda getötet wurde. Um dieses Trauma zu verarbeiten hatte Stromae den Welterfolg Papaoutai (Papa, wo bist Du) geschrieben. Der Sänger hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass die Tournee für ihn die Hölle und er physisch und psychisch am Ende gewesen sei.

Die Rückkehr ist auch Standortbestimmung

Vor seinen ersten Auftritten im kommenden Sommer will Stromae, der mit bürgerlichem Namen Paul Van Haver heißt, auch ein neues Album veröffentlichen. Die Erwartungen sind von allen Seiten sehr hoch geschraubt. Eine Million Euro Minimum seien dem Künstler für die Veröffentlichung garantiert, um die sich noch die beiden Musiklabels Sony und Universal zanken würden. Für Stromae ist die Rückkehr auf die Bühne auch eine Art Standortbestimmung. Viele seiner jungen Fans, vor allem beim Festival Les Ardentes in Lüttich, werden ihr Idol zum ersten Mal überhaupt mit eigenen Augen sehen. Mit seinen 36 Jahren zählt Stromae zu den Veteranen einer inzwischen sehr populären belgischen urbanen Musikszene, deren Pate der Sänger mit seinen Welterfolgen einst war. Allerdings hat sich in den Jahren seines Verschwindens auch die Musik, eine Mischung aus Rap, Elektro und afrikanischen Klängen, rasant weiterentwickelt. Er habe „nie wirklich aufgehört Musik zu machen“, sagte Stromae, in einem seiner wenigen Interviews. Und das klingt wie ein Beschwörung, die alle Kritiker angesichts seines Comebacks zum Schweigen bringen soll.

Adieu Paris – Bonjour Bruxelles

Nun also Brüssel! Nach drei Jahren in Paris habe ich dort meine Zelte abgeschlagen und einige Hundert Kilometer weiter östlich wieder aufgebaut. Brüssel, die Hauptstadt der EU-Bürokratie – das klingt nicht sehr einladend. Auf den ersten Blick ist die Stadt auch nicht gerade eine Perle des Städtebaus. Aber ein belgischer Freund in Paris hat mir zum Abschied gesagt, Brüssel sei wirklich keine Schönheit, die Menschen seien aber umso liebenswerter. Nun habe ich wohl einige Jahre Zeit, das nachzuprüfen.

Das unbestrittene Wahrzeichen von Brüssel: das Atomium.

Nicht alles in Brüssel ist EU!

Ein Ziel habe ich mir in den ersten Tagen meines Lebens hier bereits gesetzt: ich möchte das Leben in der Stadt beschreiben, abseits von den irgendwie alles erdrückenden Institutionen der Europäischen Union. Aus diesem Grund wird dieser Blog wesentlich persönlicher werden, als er bisher war. Es bleibt abzuwarten, ob es mit gelingt, mein Ziel zu erreichen.

Eine Stadt der großen Gegensätze

Aber die ersten Tage in Brüssel haben mir gezeigt, dass es genügend zu erzählen gibt. Ein Grund ist, dass die Stadt mit ihren überraschend klar abgegrenzten Vierteln gegensätzlicher nicht sein könnte. Was allerdings fehlt, ist das grandiose Flair, das Metropolen wie Paris oder auch Rom verströmen – dafür gibt es allerdings wesentlich weniger Touristen. Oder, besser gesagt, in Brüssel ballen sich die Besucher im historischen Kern der Stadt, der schlicht atemberaubend ist.

Was allerdings sehr entlastend ist: in Brüssel wird wesentlich weniger gestreikt als in Paris. Fanden in der französischen Metropole jedes Wochenende unzählige Demos statt, von denen viele in Gewalt ausarteten, ist es in Brüssel geradezu himmlisch ruhig. Heute, am Sonntag, war allerdings eine Demonstration.

Zehntausende beim einer Klima-Demonstration

Zehntausende Menschen haben für mehr Klimaschutz protestiert. Nach Polizeischätzungen beteiligten sich mindestens 25.000 Demonstranten an dem Protestmarsch, die Organisatoren gaben die Zahl der Teilnehmer mit 70.000 an. „Es ist Zeit für einen Systemwandel und radikales Handeln. Es geht um das Überleben der Menschheit“, sagte die Klimaaktivistin Anuna De Wever dem Fernsehsender VRT.

Zu dem Protestmarsch hatten dutzende Gruppen aufgerufen. Er fand nur wenige Wochen vor der COP26-Klimakonferenz in Glasgow statt, bei der die Teilnehmer über weitere Verpflichtungen zur Begrenzung der Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter beraten wollen.

Eine geradezu entspannte Stimmung bei der Demo

Bei dieser Demo konnte ich auch die ersten sehr direkten Erfahrungen mit der Mentalität der Menschen in Belgien machen. Alles war sehr entspannt – sogar die Polzisten. Mit einigem Schrecken erinnere ich mich an den Aufmarsch der Prätorianer in den Straßen von Paris. Tränengas und Wasserwerfen gehören dort zur Standardausrüstung. Und in Brüssel: alles ruhig, alle freundlich!

Es gibt Dinge, die werde ich in Brüssel nicht vermissen! Die gewaltsamen Demos in Paris gehören definitiv dazu!