Zersplitterte Opposition in Russland

Tausende Menschen haben in Moskau an einem Trauermarsch für den ermordeten russischen Oppositionellen Boris Nemzow teilgenommen. Doch im Grunde war es eine Demonstration der Putin-Gegner – und zeigte die Schwäche der Opposition.

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Die Hintergründe bleiben im Dunkeln

Von den Tausenden Demonstranten glaubt eigentlich niemand an die offizielle Version, nach der fünf Tschetschenen hinter dem Mord an Nemzow stecken sollen. Gegen die Männer läuft ein Prozess. Selbst wenn es zu einer Verurteilung kommen sollte, würden die wahren Hintergründe der Tat aber im Dunkeln bleiben, sind sich die Menschen sicher. Nemzows Angehörige und Unterstützer vermuten, dass der Mord von höchster Stelle geplant worden sei und etwa der kremltreue Machthaber in der Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, die Tat angeordnet habe.

Eine zersplitterte Opposition

Der Mord an einer der Galionsfiguren der zersplitterten russischen Opposition traf Aktivisten und Kritiker 2015 schwer und schwächt sie bis heute. Zwar waren sie schon zuvor systematisch an den Rand der politischen Existenz gedrängt worden, doch nun verfielen sie in eine Art Schockstarre. „Die russischen Demokraten haben ihren erfahrensten Anführer verloren“, sagt der Journalist Michail Fischman in einem Interview anlässlich einer Dokumentation über Nemzow.
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Der kleinste gemeinsame Nenner

Der Reformer Nemzow, der selbst einst als Vizeregierungschef unter dem damaligen Präsidenten Boris Jelzin zum politischen Establishment gehörte, hatte viele Anhänger. Der 55-Jährige konnte zwar nicht für alle Oppositionellen den kleinsten gemeinsamen Nenner bilden, sagen seine einstigen Mitstreiter. „Er konnte aber besser als andere verhandeln und Kompromisse finden“, meint Fischman. Die Opposition ist führungslos. „Die Protestbewegung könnte heute viel besser agieren, wäre Nemzow noch am Leben“, ist sich der Journalist sicher.

Keine Chance gegen Putin

Gut ein Jahr vor der Präsidentenwahl im März 2018 sehen viele Kritiker keine Chance für eine Wende. Präsident Wladimir Putin hat zwar noch nicht gesagt, ob er wieder antritt, aber die Russen rechnen fest damit.

Nawalny als Hoffnungsträger

Die Demonstranten in Moskau sehen den Oppositionellen Alexej Nawalny als Hoffnungsträger für die nächste Wahl. Auch er, der wohl derzeit prominenteste Oppositionelle, ist unter den Demonstranten, an seiner Seite ist seine Frau. Erst vor wenigen Wochen wurde er zum zweiten Mal in einem international kritisierten Prozess zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Viele Russen bezweifeln, dass er 2018 überhaupt kandidieren darf. Trotzdem lacht und winkt er den Demonstranten freudestrahlend zu. Dass Nawalny nicht mal einen Hauch einer Chance hätte, ist allen klar.

Die Angst geht um

Seit dem Mord an Nemzow geht unter Oppositionellen eine Angst um, wer als nächstes ausgeschaltet werden könnte. Erst Anfang Februar lag der Journalist und Nemzow-Vertraute Wladimir Kara-Mursa wegen einer schweren Vergiftung auf der Intensivstation. Die Umstände sind noch nicht geklärt. Bereits 2015 überlebte der Kremlkritiker nach eigenen Angaben nur knapp eine Vergiftung.

Doch die Menschen in Russland wollen nicht aufgeben. Zum Symbol für ihren Kampf ist längst die Brücke geworden, auf der Nemzow erschossen wurde. Seit knapp 730 Tagen halten dort eine handvoll Menschen eine Art Mahnwache. Immer wieder kommen Polizisten und nehmen alle Kerzen und alle Blumen mit –  aber nach jeder Aktion legten die Menschen noch mehr Blumen hin.

Keine Macht dem Hass!

Im Internet tobte nach der Todesfahrt in Heidelberg der virtuelle Mob. Diese Hetze kann nicht hingenommen werden.

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Die Polizei kontert falsche Meldungen im Internet

Es tobt der virtuelle Mob

Ist das die neue Normalität? Nach der Todesfahrt von Heidelberg tobte der virtuelle Mob durch alle Kanäle der sozialen Medien. Es wurde hemmungslos beleidigt, gehasst, geschmäht, verleumdet – was fehlte, waren durch Fakten untermauerte Behauptungen. Auffallend ist, dass sich viele der Pöbler auf Facebook und Twitter nicht einmal mehr in der Anonymität des Internets verstecken. Sie fühlen sich sicher. Immer mehr Nutzer  haben inzwischen offensichtlich das Gefühl, mit ihrem Hass gegen Flüchtlinge, Asylbewerber oder Fremde im Allgemeinen in der Mehrheit zu sein. In den verschiedenen Internetforen schaukeln sich die sogenannten Kommentatoren dann noch gegenseitig hoch. Das hat bei erschreckend vielen Nutzen die zivilisatorischen Schranken gelockert.

Die Polizei hat gut reagiert

In dieser Situation der virtuellen Aufruhr hat die zuständige Polizei das einzig richtige getan: sie hielt massiv dagegen. In scharfem Ton, bisweilen auch witzig, stellte das Social-Media-Team unermüdlich Lügen richtig, konterte radikale Hetze und versuchte, die aufgebrachten Gemüter zu beruhigen. Richtig ist auch, dass die Polizei prüft, ob sie juristisch gegen besonders beleidigende und anstößige Beiträge vorgehen kann.

Gegen die Hetzer

Den Hetzern darf nicht die Deutungshoheit im Netz überlassen werden. Dabei reicht es nicht, auf Facebook, Google oder Twitter zu warten, dass sie ihre Kanäle vom Schmutz säubern.  Anschuldigungen und Lügen müssen Fakten entgegen gestellt werden, das ist die Aufgabe jedes Internetnutzers, der in den sozialen Medien unterwegs ist. Was nach der Tat von Heidelberg ablief, darf  nicht zur Normalität im Umgang werden.  Denn eines Tages glauben die Pöbler womöglich, dass sie mit ihrem Hass nicht nur das Internet beherrschen, sondern auch die Straße.

Frauke Petrys Moskau-Trip

Frauke Petry baut ihr transeuropäisches Netzwerk fleißig aus. Erst vor kurzem hat sich die AfD-Vorsitzende auf einem Treffen von Europas Rechten in Koblenz an der Seite von FN-Chefin Marine Le Pen sichtlich wohl gefühlt. Nun hat sie in Russland nach Gleichgesinnten gesucht. Auf einer Reise traf sie in Moskau den Vorsitzenden des russischen Parlaments, Wjatscheslaw Wolodin, und den für seine radikalen Ansichten bekannten Rechtspopulisten Wladimir Schirinowski. Selbst in der eignen Partei war man erstaunt.

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Frauke Petry baut an ihrem Netzwerk

Die geheime Reise der Frauke Petry

Die Reise nach Moskau sollte offensichtlich nicht an die große Glocke gehängt werden. Öffentlich wurde die Reise der AfD-Delegation rund um die Parteivorsitzende erst durch eine Mitteilung auf der Webseite der Staatsduma. Dort heißt es, thematisiert worden seien „die Kooperation der regionalen Parlamente, die innerparteiische Zusammenarbeit sowie die Entwicklung der Kontakte zwischen Jugendorganisationen“.

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„Вячеслав Володин встретился с делегацией политической партии «Альтернатива для Германии» (ФРГ) во главе с лидером партии Фрауке Петри“ 20 февраля 2017 года

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Treffen mit Schirinowski

Lässt das Treffen mit dem extrem rechten Politiker Wladimir Schirinowski tief blicken, ist auch Petrys Begegnung mit dem Duma-Vorsitzenden Wjatscheslaw Wolodin ist nicht ohne Brisanz. Der ist langjähriger Vertrauter des russischen Staatschefs Putin und gilt als Drahtzieher der anti-westlichen Wendung in der russischen Politik der vergangenen Jahre. 2014 wurde er von EU-Strafmaßnahmen wie Konten- und Visasperren belegt, die von der Europäischen Union im Zuge der Ukraine-Krise verhängt wurden.

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Auf Nachfrage deutscher Medien, die auf den Trip aufmerksam wurden, erklärte die AfD-Vorsitzende lediglich, man habe „auf Einladung der Bezirksregierung Moskau Gespräche zur Kooperation mit den Landtagen der Bundesländer geführt“.

Auch Gauland ist überrascht

Die Medien warn allerdings nicht die einzigen, die über die Reise nicht informiert waren. AfD-Vize Alexander Gauland zeigte sich überrascht von dem Besuch der Parteichefin in Russland. Er sagte: „Ich höre davon heute zum ersten Mal.“ Damit provoziert Petry einmal mehr ihre Vorstandskollegen. In der AfD hatte es zuletzt Diskussionen darüber gegeben, ob Treffen von Mitgliedern des Bundesvorstandes mit ausländischen Politikern vorab parteiintern angekündigt werden müssen oder nicht.

Die AfD, das ZDF und Deutschlands Grenzen

Die AfD hat viele Ideen – nicht alle sind aber wirklich gut. Nun will die Fraktion in Berlin auf der Deutschlandkarte bei den „heute“-Nachrichten des ZDF die fehlenden Landesgrenzen einzeichnen lassen. Selbst manche Kritiker haben dafür (kopfschüttelnd) „Verständnis“ – und verweisen auf die närrische Jahreszeit.
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Diese „heute“-Karte gefällt der AfD in Berlin nicht

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Auf das ZDF einwirken

Der Antrag kommt aus der Berliner AfD. Nach ihrem Willen der Fraktion im Landtag soll der rot-rot-grüne Senat über den ZDF-Fernsehrat darauf hinwirken, dass in der „heute“-Hauptsendung um 19 Uhr „die geographische Erkennbarkeit der Bundesrepublik Deutschland durch weiteres Einblenden der Deutschlandkarte innerhalb Europas wieder gewährleistet wird“.

Der Bildungsauftrag des ÖR

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖR) habe einen Bildungsauftrag, heißt es in einem AfD-Antrag. „Solange die Eigenstaatlichkeit der Bundesrepublik gegeben ist, muss in einer deutschen Nachrichtensendung des ÖR auch gewährleistet werden, dass die Fernsehzuschauer, insbesondere auch die nachwachsenden Generationen, die aktuelle geographische Gestalt des eigenen Landes vor Augen haben.“

Die Reaktion des ZDF

Das ZDF zeigt sich angesichts dieser Forderung entspannt. Er sagte der dpa, das seit 2009 gängige Design der ZDF-Nachrichtensendungen trage dazu bei, Nachrichtenthemen „visuell variantenreich“ aufbereiten zu können. „Die Kartenanimation in der „heute“-Sendung ist eine diesem Design entsprechende Adaption ohne politische Aussage. Das wird von den Zuschauern auch als solche erkannt.“

Die Reaktion der Politiker

Die politische Konkurrenz nahm den Antrag natürlich als Steilvorlage und reagierte mit zum teil beißendem Spott. Die SPD-Politikerin Karin Halsch sagte mit Blick auf die AfD: „Sie wollen uns zum Narren halten.“ Bereits vor zwei Jahren habe die AfD einen wortgleichen Antrag in den Brandenburger Landtag eingebracht.

Der FDP-Abgeordnete Stefan Förster nahm den Ball auf und trug – passend zur Karnevalszeit – eine Art Büttenrede vor.

„Schnee von gestern, das ist fein, könnte doch ein prima Antrag sein“, reimte er unter tosendem Beifall der meisten Abgeordneten. „Nun setzen Sie ab die Narrenkappe, und halten bei nächsten Mal besser die Klappe.“

„Null Prozent“ für Geert Wilders

Geert Wilders meidet die Medien. Nun hat er doch ein Interview gegeben. Der bekannte TV-Journalist Rik Niemann hat sich mit dem Rechtspopulisten unterhalten, dessen Partei PVV bei der Wahl am 15. März wohl zur stärksten Kraft in den Niederlanden werden wird. Es ging um Wilders Plan für die Zukunft seines Landes.

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Interview unter hohen Sicherheitsvorkehrungen

Das Interview war unter strengster Geheimhaltung in Den Haag aufgenommen worden. Nach Bedrohungen durch radikale Islamisten wird der Politiker seit gut zwölf Jahren rund um die Uhr bewacht und ist in seiner Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt. Und des ständigen Versteckspiels ist der Mann aus der Karnevalshochburg Venlo, der wegen seiner auffälligen Frisur auch gerne Mozart geheißen wird, überall präsent. Der 53-Jährige braucht gar nicht mit seinen Konkurrenten debattieren oder sich womöglich mit dem Wahlvolk auseinandersetzen. Nach den Umfragen kann Wilders Partei für die Freiheit (PVV) mit gut 20 Prozent stärkste Kraft werden  28 Parteien bewerben sich um die 150 Sitze der Zweiten Kammer.

Trump ist Wilders‘ Vorbild

Ähnlich wie US-Präsident Donald Trump tut Wilders seine Ideen über die sozialen Medien kund. Ein Tweet von ihm – und die Diskussion kocht hoch.

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. Jüngst war es wieder einmal soweit: Wilders verbreitete über Twitter ein manipuliertes Foto, das den Linksliberalen Alexander Pechtold angeblich zwischen radikalen Islamisten zeigte, die die „Scharia für die Niederlande“ forderten. Medien und Politiker reagierten entsetzt. Wilders frohlockte über die Aufmerksamkeit und hatte in seinem Kampf gegen die „Elite“ von Medien und Politik wieder eine Schlacht gewonnen. .

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Ein Meister des Fake-News

Nicht erst nach diesem Tweet wurde deutlich: auch Wilders ist ein Meister der Fake-News. Gerne behauptet er auch, blonde Frauen trauten sich nicht mehr auf holländische Straßen. Oder: Holländer dürfen wegen der Muslime nicht mehr Weihnachten oder Ostern feiern.

In dem Interview wird auch deutlich, dass Wilders den Weg von Trump konsequent kopiert. Und auch er setzt voll auf „Holland First“. „Unser Land ist gekapert, und wir müssen es wieder zurückerobern“, sagte er nun erneut. Er will nach einem Wahlsieg den Islam aus den Niederlanden verbannen. Das Programm seiner Partei für die Freiheit passt locker auf eine DIN-A4-Seite. Wichtigste Punkte sind der Austritt aus der EU, Grenzen dicht, Verbot des Koran und der Moscheen. Die simplen Botschaften kommen offensichtlich an.

Wird Wilders Premier?

Dennoch bedeutet das nicht, dass Geert Wilders auch Regierungschef wird. Nach dem Wahlsystem, das keine Sperrklausel kennt, kann faktisch nur eine Koalition regieren. Bis jetzt haben alle Parteien angekündigt, nicht mit der PVV zusammenarbeiten zu wollen. Aber abwarten, was diese Worte nach der Abstimmung noch wert sind.

„Null Prozent“

„Null Prozent“: Knapp und deutlich hat der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte vor den Parlamentswahlen eine Zusammenarbeit mit dem Rechtspopulisten ausgeschlossen.
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Mit Bezug auf eine Äußerung von Wilders, er könne bei einem Wahlsieg seiner Partei nicht ignoriert werden, bezifferte Rutte bei Twitter die Chancen für eine Koalition: „Null Prozent. Geert. NULL Prozent. Das. Wird nicht. Passieren.“ Rutte äußerte sich auf seinem privaten Twitter-Konto, auf dem er zuletzt vor sechs Jahren etwas veröffentlicht hatte

May verwandelt ihre Niederlage in einen Sieg

Die entscheidende Hürde in der Brexit-Debatte ist genommen. Das britische Unterhaus stimmte mit überwältigender Mehrheit für den Gesetzentwurf der Regierung. Die britische Premierministerin Theresa May kann zufrieden sein. Hat sie das Spiel gedreht?

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May hat lange geschmollt

Die britische Premierministerin sah aus wie die Verliererin.  Hatte sie nach dem Urteil im Brexit-Prozess vor gut zwei Wochen noch auf der Regierungsbank geschmollt, strahlt sie jetzt nach der Abstimmung über das Brexit-Gesetz. Sie hatte allen Grund dazu: Das britische Unterhaus stimmte mit überwältigender Mehrheit für den Gesetzentwurf der Regierung. Damit ist die wichtigste Hürde auf dem Weg zu den Brexit-Verhandlungen genommen. May habe die Niederlage vor Gericht „in einen Sieg verwandelt“, schrieb die „Financial Times“. Das höchste britische Gericht hatte vergangenen Monat geurteilt, dass May die Zustimmung des Parlaments benötigt, um die Scheidung von der EU einzuleiten.

Kein nennenswerter Widerstand

Die hat sie nun bekommen. Und zwar ohne nennenswerten Widerstand. Die Initiatorin des Gerichtsstreits, Gina Miller, müsse sich fragen, ob ihre Mühen umsonst gewesen seien, schrieb der „Guardian“. Die umtriebige Investmentmanagerin hatte das Recht des Parlaments, über die Austrittserklärung abzustimmen, durch alle Instanzen erkämpft – und war dafür beschimpft und bedroht worden.

Desolate Opposition

Doch der Opposition gelang es nicht, Änderungen an dem knappen Gesetzesentwurf vorzunehmen und Einfluss auf die Austrittsverhandlungen zu gewinnen. Labour-Chef Jeremy Corbyn twitterte zwar nach der Abstimmung: „Der echte Kampf geht erst jetzt los“, doch er erntete vor allem Spott.
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Corbyn hatte seine Abgeordneten mit strengem Fraktionszwang angewiesen, für das Gesetz zu stimmen. Seine Partei werde die Brexit-Verhandlungen nicht blockieren, kündigte er an. Dahinter stand wohl die Furcht, als Saboteur des Volkswillens wahrgenommen zu werden. Ein Vorwurf, den die Regierung und die EU-feindliche Boulevardpresse seit dem Brexit-Referendum im vergangenen Juni sorgsam geschürt hatten.

Ein Geschenk für die Regierung

Die Regierung nahm das Geschenk dankend an. Sie befriedete Abweichler aus der eigenen Fraktion mit kleineren Zugeständnissen. Beispielsweise mit dem Versprechen, das Parlament werde nach den zweijährigen Verhandlungen mit der EU über ein Abkommen abstimmen dürfen. Nachverhandlungen werde es aber keine geben. Kritiker bezeichneten das als Mogelpackung, denn Großbritannien müsste in diesem Fall ohne Abkommen aus der EU ausscheiden. Die Schuld dafür bekäme das Parlament in die Schuhe geschoben. Doch Mays Plan ging auf.

Statt effektiven Druck auf die Regierung auszuüben, schien sich die Labour-Partei wieder einmal in internen Grabenkämpfen zu verlieren. Mehrere Minister verließen das Schattenkabinett Corbyns. Nennenswerten Widerstand leisteten nur die Abgeordneten der Liberaldemokraten und der schottischen Nationalpartei.
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Der Blanko-Scheck

Deren Chefin, die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon, twitterte nach Corbyns Aufruf zum Kampf: „Sie haben den Tories gerade einen Blanko-Scheck ausgestellt. Sie haben kein einziges Zugeständnis bekommen und trotzdem für den Gesetzentwurf gestimmt. Erbärmlich.“

Nun steht Theresa May nur noch das Oberhaus im Wege. Es gilt als unwahrscheinlich, dass die Lords, die berufen und nicht gewählt werden, es wagen, Änderungen an dem Gesetz vorzunehmen.

Das Rennen in der AfD ist gestartet

Es ist eine Schlappe für Frauke Petry. Die Mitglieder der AfD haben sich in einer Online-Befragung gegen sie als alleinige Spitzenkandidatin bei der Bundestagswahl entschieden. Nun wagen sich die ersten Aspiranten aus der Deckung. Der Vorsitzende der niedersächsischen AfD, Paul Hampel, sieht sich als mögliches Mitglied des „Spitzenteams“ seiner Partei für die Bundestagswahl.

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Frauke Petry hier mit ihrem internen Rivalen Jörg Meuthen.

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Demokratie in der AfD

Die AfD-Chefin zeigt sich demütig.  „Die Mitglieder der AfD haben auf demokratische Weise entschieden, dass die Partei mit einem Spitzenteam in die Bundestagswahl zieht“, sagte Petry der „Bild“-Zeitung (Freitagsausgabe). Allerdings ist das Votum der Parteimitglieder die zweite Niederlage innerhalb weniger Monaten. Im November hatte sich bereits der AfD-Bundesvorstand für ein Spitzenteam und damit gegen eine alleinige Kandidatur Petrys ausgesprochen.  In der Mitgliederbefragung stand Petry als Kandidatin zwar gar nicht explizit zur Diskussion. Sie hatte aber Mitte Januar in einem Interview Mehrfachspitzen als „wenig förderlich“ für den Wahlkampf bezeichnet und sich sicher gezeigt, dass „die Partei das im Hinterkopf hat“.

Die Team-Playerin

Nun aber gibt Petry die Mannschaftsspielerin: „Die AfD ist insgesamt ein starkes Team.“ Zugleich warnte die Parteivorsitzende aber mit Blick auf die ungelösten Konflikte im AfD-Bundesvorstand vor einem zerstrittenen Spitzenteam. „Ein Bild à la SPD-Troika gilt es dabei für die AfD zu vermeiden“, sagt sie.

Die SPD war 1994 nach heftigen parteiinternen Querelen mit einer Troika aus Rudolf Scharping, Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder in den Bundestagswahlkampf gezogen. Am Ende gelang damals der schwarz-gelben Koalition unter Kanzler Helmut Kohl (CDU) noch einmal die Wiederwahl.

Hampel, der Medienmann

Nach der Niederlage Petrys versuchen nun die ersten AfD-Politiker, sich in eine gute Ausgangsposition zu bringen. So etwa der niedersächsische AfD-Vorsitzende Paul Hampel. Die Mitglieder und Delegierten sollten entscheiden, wer die meisten Wähler ansprechen könne, sagte der Ex-Journalist. Als Medienmann habe er 30 Jahre lang Politik begleitet und bringe damit nicht die schlechtesten Voraussetzungen für eine derartige Rolle mit.

Die endgültige Entscheidung über die Aufstellung der AfD im Wahlkampf soll auf einem Bundesparteitag Ende April in Köln fallen.

 

Alexej Nawalny for president?

Im Osten nichts Neues. Ein russisches Gericht hat einen Schuldspruch für den prominenten Oppositionsführer Alexej Nawalny wegen Betrugsvorwürfen bestätigt. Ein Richter sprach den Gegner von Präsident Wladimir Putin am Mittwoch in der Neuaufnahme eines Verfahrens aus dem Jahr 2013 in der Stadt Kirow schuldig, Holz im Wert von umgerechnet rund 470 000 Euro unterschlagen zu haben. Damit ist Nawalny von einer Präsidentschaftskandidatur bei der Wahl 2018 ausgeschlossen.

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Ist Nawalny ein Dieb?

Die Vorwürfe sind alt bekannt. Nawalny wird vorgeworfen. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Tass sagte der Richter in Kirow: „Die Angeklagten haben Mittel der Firma Kirowles unterschlagen.“ Das Strafmaß steht noch nicht fest. Die Anklage hatte fünf Jahre Haft auf Bewährung für Nawalny gefordert sowie vier Jahre Haft auf Bewährung für dessen früheren Geschäftspartner Pjotr Ofizerow. Nawalny wird vorgeworfen, einer staatlichen Firma Bauholz im Wert von rund 16 Millionen Rubel (etwa 250 000 Euro) gestohlen zu haben. In dem Strafprozess war er bereits 2013 zu fünf Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stufte den Prozess aber als unfair ein, das Oberste Gericht Russlands ordnete eine Neuaufnahme an. Der 40-Jährige will nun in Berufung gehen. Schon vor einigen Tagen hatte er angekündigt: „Wie auch immer das Urteil ausfällt, es stoppt unsere politische Arbeit nicht.“
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Präsidentenwahl – ja oder nein?

Die große Frage ist nun: darf  Nawalny bei der Präsidentenwahl 2018 antreten. Ob er nach dem Schuldspruch kandidieren darf, ist aber fraglich. Seine Anwältin Olga Michailowa sagte der Agentur Interfax, nach dem Wahlgesetz dürfe Nawalny wegen des Schuldspruchs nicht kandidieren, sofern das Urteil nicht zurückgenommen wird. Zugleich verwies sie darauf, dass die russische Verfassung lediglich jenen verbiete zu kandidieren, die im Gefängnis sitzen. Wie es etwa bei einer Bewährungsstrafe aussieht, ist demnach offen. Hier gebe es eine Kollision zwischen Wahlgesetz und Verfassung, meinte Michailowa.

Eine Intriege des Kremls?

Nawalny wittert hinter dem Prozess jedoch eine Intrige. Er wirft den Behörden vor, auf diese Weise seine Teilnahme an der Wahl verhindern zu wollen. Der Kreml ist da natürlich ganz anderer Auffassung. Sprecher Dmitri Peskow sagte, er halte solche Befürchtungen für unangebracht. Der Oppositionelle hat aber nicht nur Kritiker im Kreml. Auch aus dem Lager der Opposition Reihen wird Nawalny immer wieder vorgeworfen, sich mit dem Prozess interessant machen zu wollen und diesen deswegen gezielt mit seinem Wahlkampf in Verbindung zu bringen.

„La France d’abord“ oder „Oui, on peut“?

Das Rennen hat begonnen. In Frankreich ist nun offiziell Wahlkampf. Die Augen richten sich vor allem auf Marine Le Pen und Emmanuel Macron. Beide haben zumindest bei ihren Slogans berühmte Vorbilder. Bei der  Chefin des Front National heißt es in Donald-Trump-Manier: „La France d’abord“. Der unabhängige Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron versucht, etwas vom Glanz Barack Obamas zu erhaschen. Sein Motto:  „Oui, on peut“.

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Berühmte Vorbilder

Bei Kandidaten scheinen auch ihr ganzes Auftreten von ihren großen Vorbildern kopieren zu wollen. Marine Le Pen arbeitet mit nationalistischen Tönen und Kampfansagen an einen islamischen Fundamentalismus. Bei jedem Auftritt ruft sie ihren Anhängen zu: „Ihr habt das Recht, euer Land zu lieben, und ihr habt sogar das Recht, das zu zeigen.“ Immer wieder antwortet die Menge mit Sprechchören: „On est chez nous“ – wir sind bei uns.

Emmanuel Macron versucht hingegen bei seinen Auftritten Optimismus zu zeigen. Die Versammlungen seiner Anhänger nennt er „eine Demonstration der Lust und des Enthusiasmus“.

Europa – für beide ein Thema

Während Macron die Fahnen von Frankreich und Europa entgegenwehen, sucht man die blaue Flagge mit den Sternen bei den Auftritten von Le Pen vergebens. Die Rechtsaußen-Partei hat sich sogar in das Wahlprogramm geschrieben, die europäische Flagge von allen öffentlichen Gebäuden zu entfernen.

Beim Thema Europa wird der Unterschied zwischen den Bewegungen ganz besonders deutlich. So kündigen beide an, im Fall eines Wahlsiegs das Verteidigungsbudget erhöhen zu wollen. Während Le Pen aber die Präsenz Frankreichs im integrierten militärischen Kommando der Nato in Frage stellt, sagt Macron, er wolle eine europäischere Verteidigung, eine Partnerschaft zwischen Frankreich und Deutschland.

Le Pen will raus aus der Nato

Le Pen verspricht ein Referendum über den Austritt Frankreichs aus der Europäischen Union (EU) – einen „Frexit“. In dem Wahlprogramm steht die Forderung an erster Stelle. Macron spricht sich dagegen für mehr Europa aus. Einen Weg wie den Brexit könnten sich viele seiner Anhänger nicht vorstellen, sagt er.

Die Präsidentschaftswahl ist damit auch eine Entscheidung über das Schicksal der EU. Sollte Le Pen  tatsächlich die nächste Präsidentin Frankreichs werden, scheint auch das Schicksal der EU besiegelt. Ohnehin angeschlagen wird die Union auseinander brechen.
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Doch nicht nur in Frankreich laufen sich die Wahlkämpfer warm. Auch in anderen Staaten wird auf die Abstimmung geblickt – und manche versuchen offenbar auch das Zünglein an der Waage zu spielen. Auf „Russia Today“ dem Propagandasender zumindest wird schon mächtig Stimmung gegen den Kandidaten Macron gemacht. Dort wird behauptet – natürlich aus nicht genannter Quelle -, dass er auf der Gehaltsliste der USA stehe. .

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Auf der anderen Seite klagt Marine Le Pen ihr auch ihr Leid. Schon länger ist klar, dass ihr Geld für ihre Wahlkampagne fehlt. Nun bezeichnet sie die Weigerung der französischen Banken, ihr Geld zu geben als zutiefst undemokratisches Tun.

Wird die Ukraine zum Testfall?

In der Ostukraine tobt wieder der Krieg. Die Kämpfe sind so heftig wie lange nicht mehr. Die Nervosität in Kiew ist groß. Ist der Grund der Eskalation eine neue Koalition zwischen dem Kreml und dem US-Präsidenten Trump?

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Seit Jahren wird in der Ukraine gekämpft

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Unmenschliche Zustände im Osten

Es ist nur ein kurzer Tweet, der aber die Situation sehr genau beschreibt.  „Minus 22 Grad, 22 000 Menschen sind ohne Heitung, Strom und Wasser. Hört auf zu kämpfen!“schreibt die OSZE auf dem Kurznachrichtendienst zur Lage in dem Dorf Awdiiwka. Seit Tagen wird in der Ostukraine wieder erbittert gekämpft. Mindestens 13 Menschen sind gestorben. Schuld an der Eskalation hätten die prorussischen Separatisten, heißt es aus Kiew, die aber behaupten das Gegenteil, bewiesen werden kann nichts. Tatsache ist, dass die Menschen in vielen Dörfern an der Frontlinie rund um die Rebellenhochburg Donezk im Winter bei bis zu minus 15 Grad unter dem Gefrierpunkt unter unmenschliche Bedingungen leben.

Die Waffenruhe hält nicht

An die am 23. Dezember vereinbarte Waffenruhe scheint sich keine der beiden Seiten mehr zu halten. In Kiew sind viele Politiker überzeugt, dass die Eskalation direkt mit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten zusammenhängt. Der hatte immer wieder angekündigt, dass er ein enges Verhältnis zu seinem russischen Kollegen Putin wolle. Nun ist die Sorge in Kiew groß, dass Trump die bisherige amerikanische Unterstützung für die Ukraine für eine Kooperation mit Moskau eintauschen könnte. Gemunkelt wird auch, dass die verstärkten Kämpfe in der Ostukraine ein Test des Kremls sein könnten, wie groß die Hilfsbereitschaft des Westens unter diesen neuen Umständen noch ist.
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Diese Unsicherheit erklärt, wieso auch die Bundesregierung in der Ukraine-Krise derzeit hinter den Kulissen in alle Richtungen aktiv wird. „Denn der Ukraine-Konflikt ist ein Testfall, wie die Ost-West-Beziehungen in der Ära Trump künftig aussehen werden“, heißt es in der Bundesregierung.

Bundeskanzlerin Angela Merkel telefonierte deshalb in den vergangenen Tagen mehrfach mit den Präsidenten Frankreichs, Russland und der Ukraine. Am Montag empfing sie den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko im Kanzleramt. Seit Wochen bemühen sich westliche Politiker, der neuen Trump-Administration klar zu machen, dass die Russland-Sanktionen nicht etwa vom Himmel gefallen, sondern für sie die Folge russischen Verhaltens seit 2013 gewesen sind. Die Genese der Sanktionen legte Merkel Trump auch in einem Telefonat am Samstag dar. Die britische Premierministerin Theresa May hatte den US-Präsidenten bei ihrer Visite ebenfalls vor zu viel Vertrauen in Putin gewarnt. Nur ist sich in Europa niemand sicher, was Trump trotz der Ratschläge als nächstes tun wird – vor allem nicht die Ukrainer.

Dass Trump mittlerweile immerhin die Zweifel ausgeräumt hat, ob er noch zur Nato steht, nutzt dem Nicht-Nato-Mitglied Ukraine bei seinem Konflikt mit dem übermächtigen östlichen Nachbarn Russland wenig. Die stellvertretende ukrainische Außenministerin Olena Serkal versucht die von ihr gewünschte Rolle ihres Landes zu umschreiben: „Wir wollen keine Spielkarte sein, sondern ein Akteur.“

Hier geht es zu einem Interview mit dem OSZE-Beobachter Hug